Die vielen neuen Helfer in Stuttgart müssen erst integriert werden. In Feuerbach machen sich die Ehrenamtlichen Sorgen. Zudem gibt es Forderungen an die Stadtverwaltung. Unter anderem sei der Betreuungsschlüssel zu niedrig.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die Zahl der Flüchtlinge, die in die Stadt kommen, ist stark gestiegen. Statt 150 pro Monat, wie zu Jahresbeginn, muss die Stadt allein in diesem Oktober 1212 Menschen unterbringen. Wie wirkt sich das auf die Freundeskreise aus, die jetzt zum Teil deutlich mehr Flüchtlinge betreuen oder früher mit ihrem Engagement beginnen müssen als erwartet?

 

„Sehr viele Freundeskreise sind am Limit“, sagt Heidi Schäfer, die Koordinatorin für die Qualifikation und Vernetzung bürgerschaftlich Engagierter in der Flüchtlingsarbeit. Der Zulauf an Helfern ist dabei nicht das Problem, der hält an: Wollten sich im August noch 1500 Stuttgarter einbringen, seien es inzwischen 3000. „Sie können aber noch gar nicht alle aktiv werden, weil man sie erst Stück für Stück integrieren muss“, erklärt Heidi Schäfer, die um Geduld bittet. Es sei nicht einfach, passgenaue Angebote für jeden zu finden. „Da bekommen Sprecher von Freundeskreisen zum Teil 50, 60 Anrufe am Tag, die stehen sehr unter Druck“, sagt Heidi Schäfer, die selbst auf personelle Unterstützung hofft, weil sie so viele Anfragen erreichen: von Unternehmen, Freundeskreisen, Institutionen, aber auch von Bürgern. „Natürlich komme auch ich an meine Grenzen“, gibt die Koordinatorin zu. Sie setzt darauf, dass eine Internetplattform, die im November starten soll, den Freundeskreisen erste Erleichterung verschafft.

Organisation der Hilfe als große Herausforderung

Heidi Soldner aus dem dreiköpfigen Sprecherrat des Freundeskreises der Unterkunft an der Böblinger Straße bezeichnet die Organisation der Helfer als große Herausforderung. 150 Interessierte hätten sich bei ihrem letzten Treffen auf einer Liste eingetragen. Zu dritt sei es schwierig, sofort alles zu koordinieren. „Wenn man sie aber nicht gleich abholt, sind sie vielleicht schnell wieder weg“, gibt die Sprecherrätin zu bedenken. Zudem wollten sich mehr Ehrenamtliche um Familien kümmern als um junge Männer. Letztere seien schwieriger zu vermitteln.

Auch der Sprecher des Möhringer Freundeskreises, Winfried Maier-Revoredo, bestätigt, dass die Koordinierungsarbeit viel Zeit benötigt. Das sei ein gewisser Aufwand, hinzu kämen die Angebote zur Vernetzung. Er bekomme täglich Mails, woran man sich beteiligen könnte. Es gebe viele Informationsveranstaltungen, die auch wichtig seien, aber als Ehrenamtlicher komme man an Grenzen. Weil es im Fasanenhof noch keinen Freundeskreis gebe, würden eigene ehrenamtliche Helfer die Unterkunft in der Schule mitbetreuen, kündigt er zudem an. Es würden weiterhin Helfer gebraucht, sagt auch Heidi Schäfer und nennt unter anderem Neugereut, Stammheim, Degerloch, Zuffenhausen und Feuerbach als Beispiele.

Manchmal muss alles ganz schnell gehen

Während die Flüchtlingskreise, die sich um die Systembauten kümmern, in der Regel viele Monate Vorbereitungszeit hatten, bis die ersten Flüchtlinge eingezogen sind, ist das bei den Schulen, Waldheimen und Turnhallen anders. In den Hallen, mit deren Belegung diese Woche begonnen wurde, seien die Bedingungen erschwert, weil in der Regel keine Räume für Sprachkurse und Weiteres zur Verfügung stünden. Heidi Schäfer ist aber optimistisch, dass sich auch hierfür Helfer melden – aus Weilimdorf hat sie schon Entsprechendes gehört. Ingrid Bohsung vom Weilimdorfer Freundeskreis bestätigt, dass sie versuchten, die Flüchtlinge in der Turnhalle willkommen zu heißen, auch wenn alles sehr überraschend gekommen sei. Es gebe im Bezirk sehr viele, die sich engagieren wollten.

Mit Sorgen blickt man dagegen im Feuerbacher Freundeskreis in die Zukunft. Hier ist man bestürzt über den Standort des Systembaus, den die Stadt an der Krailenshaldenstraße errichten will: mitten im Gewerbegebiet, abgesehen von der U-Bahn-Haltestelle ohne Infrastruktur. Anwohner gebe es so gut wie keine, so dass es für sie sehr schwer werde, diese Unterkunft zu betreuen, so der Sprecher des Freundeskreises, Wolf-Dieter Dorn. „Es ist trostlos dort, das wird ein großes Problem werden“, sagt er. Die räumliche Distanz sei zu groß.

Forderungen an die Stadtverwaltung

„Die Stadt ist hier in der Bringschuld“, meint der Ehrenamtliche, der einen höheren Betreuungsschlüssel für dringend geboten hält. Zudem müsse Infrastruktur geschaffen werden – und wenn es nur ein Basketballkorb sei, um den Flüchtlingen eine Beschäftigung zu ermöglichen. Wenn alle bisher bekannten Vorhaben in Feuerbach verwirklicht sind, seien sie für mehr als 800 Flüchtlinge zuständig. Dem stünden aktuell rund 50 bis 70 Aktive gegenüber, davon 20 Verantwortliche. „Noch kenne ich jeden einzelnen Flüchtling persönlich, ich sehe die einzelnen Schicksale“, sagt Dorn.

Für die Zukunft sieht er das nicht mehr gegeben. Heidi Schäfer zeigt Verständnis für die Feuerbacher Helfer. „Das wird für den Freundeskreis schwierig zu leisten“, meint sie zum Standort Krailenshaldenstraße. In Zuffenhausen habe sich ein zweiter Freundeskreis gegründet, sie setzt auf Ähnliches in Feuerbach: dass die vier Systembauten von anderen Helfern betreut werden, die vielleicht nicht dort wohnen.