Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Plieningen-Birkach und Heumaden-Sillenbuch blicken entspannt in die Zukunft. Sie sehen in den angekündigten zusätzlichen Unterbringungen zwar eine Herausforderung, fühlen sich dieser aber gewachsen.

Heumaden/Plieningen - Viel geschrieben wird in diesen Tagen über nicht abreißende Flüchtlingsströme und die hohe Arbeitsbelastung von Ehrenamtlichen und offiziellen Stellen. Politiker sprechen von „Kapazitätsgrenzen“ und „großer Anstrengung“, in Bayern diskutiert man gar über „Notwehr“ gegen Flüchtlinge. Erst vergangene Woche prognostizierte eine große deutsche Tageszeitung: „Zusammenbruch der Versorgung droht“.

 

Peter Hitzelberger vom Freundeskreis Flüchtlinge in Plieningen hält solche Äußerungen für gefährlich. „Man schürt dadurch Ängste und redet eine Überforderung geradezu herbei“, sagt er. Er ist für die Sprachförderung zuständig und koordiniert die ehrenamtlichen Helfer – natürlich selbst unentgeltlich. Eine zu große Belastung der Helfer kann er nicht feststellen: „Wir werden nun sogar neue Sprachgruppen anbieten können.“ Er bekomme jede Woche Anfragen interessierter Bürger, und auch mit einer oder zwei Wochenstunden könne man ja schon helfen. Den angekündigten neuen Flüchtlingsunterbringungen in Plieningen und Birkach blickt er deshalb gelassen entgegen: „Ich gehe davon aus, dass wir die Betreuung dort mit übernehmen.“ Natürlich sehe er auch die Herausforderung: Deutschland werde sich durch die aktuelle Lage verändern. „Aber wir müssen uns klar machen, dass 90 Prozent der Weltbevölkerung nicht diesen Luxus und die Sicherheit haben wie wir“, sagt er. Wenn wir unsere Denkhorizonte dahingehend erweiterten, schwinde auch die Angst.

„Wir schaffen das“

Gelassen im Hinblick auf die steigende Zahl an Flüchtlingen in Plieningen und Birkach ist auch die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel. „Wir sind wirklich gut aufgestellt und haben schon ein ganzes Jahr Erfahrungen gemacht, von denen wir profitieren können“, sagt sie optimistisch. Zumindest in diesem Punkt hält sie es mit Kanzlerin Merkel: „Wir schaffen das.“ Ein Problem sieht sie allerdings in der Unterbringung der Flüchtlinge: Turnhallenbelegungen könnten nur eine Notlösung sein, denn „Probleme sind da ja vorprogrammiert, wie Karin Göring-Eckardt von den Grünen neulich so anschaulich beschrieben hat“. Und auch die Suche nach privatem Wohnraum für Flüchtlinge mit Bleiberecht gestalte sich nach wie vor schwierig.

Die Mitglieder der AG Wohnungssuche des Freundeskreises in Plieningen, Jutta Nowottny, Margarete Eibner und Michael Isakeit haben daher einen Wunsch an die Politik: mehr sozialen Wohnungsbau in Stuttgart, nicht nur für Flüchtlinge. Zwischen zehn und 15 Stunden pro Woche wenden sie für die Flüchtlingsarbeit auf. „Natürlich nicht nur für die Wohnungssuche, wir Damen machen auch einmal pro Woche das Frauencafé“, erzählt Nowottny. Daraus hätten sich persönliche Kontakte entwickelt, und im Notfall müsse man auch mal sonntagabends ran. Die drei sehen schon die Gefahr, von der ehrenamtlichen Arbeit „aufgefressen“ zu werden. Doch es liege in der eigenen Verantwortung, sich Grenzen zu setzen. „Man muss sich klar machen, wie viel man leisten kann und will“, sagt Eibner. Eine übergeordnete Grenze dessen, was Deutschland leisten kann, sieht sie nicht. „Es kommt da doch nichts Schlimmes auf uns zu, das sind Menschen“, sagt sie. Die Hilfsbereitschaft kenne keine Grenzen.

Etwa vier Stunden wöchentlich investiert die Koordinatorin der Hausaufgabenbetreuung im Arbeitskreis, Brigitta Bubeck, die zudem Patin für eine Familie aus Nigeria ist. „Mehr könnte ich persönlich gerade nicht leisten“, gibt sie zu. Zum Glück gebe es aber andere, die mehr Zeit zur Verfügung hätten. Den angekündigten neuen Zuteilungen blicke sie dennoch mit Respekt entgegen, sagt sie. Denn: „In Zukunft müssen beide Häuser in Plieningen bedient werden und zusätzlich eines in Birkach.“ Das könne sie sich in der Praxis noch nicht ganz vorstellen.

Hier sehen auch Michael Isakeit von der Wohnungssuchgruppe und seine Mitstreiter eine Komplikation – zumal die neuen Heime voraussichtlich unter eigener Trägerschaft stehen werden. „Sinnvoller wäre es doch, wenn die Eva das übernehmen würde, die auch das bestehende Heim leitet“, sagt Isakeit. Er befürchtet sonst Abstimmungs- und Koordinationsprobleme.

Viele wollen Flüchtlinge unterstützen

Ariane Müller-Ressing, die dem Arbeitskreis Flüchtlinge Heumaden-Sillenbuch vorsteht, blickt ebenfalls „völlig entspannt in die Zukunft“, wie sie sagt. 53 neue Interessenten habe sie derzeit auf ihrer Liste – einige müsse sie wohl sogar an andere Arbeitskreise verweisen. „Es gibt hier im Stadtbezirk eine unglaubliche Bereitschaft, zu helfen, das macht mich stolz.“ Die Belastung „ihrer“ Ehrenamtlichen sei zwar momentan etwas höher, da es einen Wechsel unter den Bewohnern der Unterkunft in Heumaden gegeben habe und der Arbeitskreis sich zudem neu strukturiere, dennoch plane er schon neue Projekte. Beispielsweise soll das Container-Café künftig freitags und samstags bewirtschaftet und für die Nachbarschaft geöffnet werden. Hier soll eine Möglichkeit zur Begegnung entstehen, so ihr Wunsch. Eine Überlastung sieht sie im Stadtbezirk eher bei den Hauptamtlichen. „Die Sozialarbeiter hier sind am Anschlag“, sagt sie. Natürlich gebe es da keine schnelle Lösung, und Stellen könnten nicht von heute auf morgen besetzt werden.

Schnelleres Asylverfahren könnte helfen

Sie plädiert deshalb an die Politik, ein schnelleres Asylverfahren zu ermöglichen. Denn: „Es ist grausam, Menschen, die ohnehin keine Chance auf ein Bleiberecht haben, hier erst Wurzeln schlagen zu lassen und dann wieder abzuschieben.“ Im besten Fall, findet sie, würden Anhörung und Verfahren bereits in der Erstaufnahmetselle durchgeführt und gegebenenfalls die Rückkehr ins Heimatland und der Aufbau einer Existenz dort unterstützt. Eine „Kapazitätsgrenze“ festzusetzen, sei aber der falsche Ansatz. „Wir können diese Menschen aufnehmen, nur nicht so schnell“, sagt sie. Sonst könnte die Stimmung auch kippen, befürchtet sie. Sie selbst nehme in letzter Zeit auch eine Veränderung in der Bevölkerung wahr: Vor einigen Wochen sei noch freudige Bereitschaft zum Helfen da gewesen, nun bemerke sie oft Ratlosigkeit oder gar Resignation. „Keiner sieht eine Lösung und viele denken sicher, das ist nicht zu schaffen“, sagt sie. Eine Patentlösung habe sie zwar auch nicht. Aber dennoch die feste Überzeugung: „Wir schaffen das.“