Die 77-Jährige ist für ihr Engagement für Flüchtlinge geehrt worden.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Weilimdorf - Der Nikolaustag hat für Ingrid Bohsung eine ganz besondere Überraschung mit sich gebracht: Der Ministerpräsident Winfried Kretschmann überreichte ihr und 21 anderen Bürgern aus Baden-Württemberg im Namen des Bundespräsidenten Joachim Gauck das Verdienstkreuz am Bande. „Ich war total überrascht und konnte es nicht fassen, dass es wirklich das Bundesverdienstkreuz ist, bis ich es auf der Urkunde gelesen habe“, sagt die 77-Jährige. „Mir ist es ganz heiß und kalt geworden.“

 

Geehrt wurde Bohsung für ihr unermüdliches Engagement für Flüchtlinge, das seit mehr als einem Vierteljahrhundert andauert. Als 1986 die ersten Asylbewerber in Weilimdorf untergebracht wurden, gründete sie zusammen mit weiteren Mitstreitern den Arbeitskreis Asyl Weilimdorf. 23 Jahre lang kümmerte sich Bohsung um das Wohl der geflüchteten Menschen in ihrem Bezirk. Sie organisierte Alphabetisierungs- und Deutschkurse, eine Hausaufgabenhilfe, einen Kindertreff sowie eine Frauengruppe, veranstaltete Ausflüge und internationale Feste. Auch bei Behördengängen und Arztbesuchen konnten die Flüchtlinge auf ihre Hilfe zählen. Außerdem gelang es Bohsung, Akzeptanz und Verständnis bei den Anwohnern zu erwirken und deren Ängste und Ablehnung abzubauen. Auch in ihrem eigenen Haus nahm die Familie Flüchtlinge auf.

53 Schreiben an die Härtefallkommission

2009, als kaum noch Flüchtlinge in Weilimdorf lebten, wurde der Arbeitskreis Asyl aufgelöst. Ihr Engagement führte Bohsung dennoch fort. Von 2005 bis heute hat die Weilimdorferin 53-mal an die Härtefallkommission geschrieben. Die Bilanz: Es gelang ihr, 48 positive Bescheide zu erwirken, drei Verfahren laufen gerade noch. „Es ging immer um Fälle, bei denen alle Bücher eigentlich schon geschlossen waren“, erklärt sie. Dank ihrer Schreiben konnte sie Abschiebungen verhindern oder für geduldete Menschen Bleiberecht erwirken. Zu vielen der vor langer Zeit nach Deutschland geflohenen Menschen hat Bohsung auch heute noch Kontakt. Sie freut sich, mitzubekommen, wie Kinder, die früher zu ihr in die Hausaufgabenbetreuung kamen, nun Abitur machen oder studieren.

Nächstes Jahr kommen die nächsten Flüchtlinge nach Weilimdorf. Will Ingrid Bohsung sich dann wieder einbringen? „Natürlich!“, sagt sie ohne Zögern. Den vorgesehenen Standort für drei Asylheime in Hausen hält sie für zu abgelegen, umso wichtiger ist es ihr, die Menschen gut zu betreuen. Schon vor der Ankunft der Flüchtlinge möchte sie zusammen mit anderen überlegen, wie Anwohnern Ängste genommen werden können – wieder einmal.