Elisabeth Herwerth ist von der evangelischen Landeskirche mit der Brenzmedaille geehrt worden. Sie ist in der Lukasgemeinde stark engagiert und lebt seit Anbeginn im Gehenbühl. Und sie empfindet Dankbarkeit für „50 Jahre Lukas“ und viele aktive Menschen.

Gerlingen - Wie Spitzgras ist es ihr jetzt nicht mehr – aber eines merkt man Elisabeth Herwerth deutlich an: Sie steht nicht gern im Mittelpunkt. Dort hat sich die 64-Jährige wiedergefunden, als ihr am 21. Mai die Brenzmedaille für ehrenamtlich Engagierte der evangelischen Landeskirche verliehen worden ist. Das 50-Jahr-Jubiläum der Gerlinger Lukaskirchengemeinde war ein guter Anlass, der Festgottesdienst ein würdiger Rahmen. Die Vorsitzende des Kirchengemeinderats betont eines ganz deutlich: Sie betrachte sich nur als Stellvertreterin. „Ich bin zwar mittendrin, aber nicht vornedran.“ Die Brenzmedaille sei für all die Menschen, die sich in der Lukasgemeinde engagieren. Das sind viele.

 

Um die Geschichte von Elisabeth Herwerth und ihrem Leben im Gehenbühl zu erzählen, muss man weit zurückgehen. Es war Mitte der Fünfziger. „Das kleine Mädchen war gerade vier Jahre alt, als ihre Eltern, Großeltern und die Uroma 1956 von Stuttgart nach Gerlingen kamen. Es gab damals im Gehenbühl noch nicht viele Häuser“, schreibt Herwerth in einem Text, in dem sie das Ankommen in der Stadt unter der Solitude und das Aufwachsen bis zur Konfirmation schildert. Die Familie habe ein Haus gebaut, Elisabeth wurde in den evangelisch-methodistischen Kindergarten im benachbarten Stuttgart-Giebel gebracht, zur Kinderkirche und später zur Jungschar in den Ganswiesenweg. „Dort hatten gläubige Leute ein Haus mit einem großen Raum im Untergeschoss, in dem Gottesdienste gefeiert wurden und sich die Kinder vom Gehenbühl treffen konnten.“

Konfirmiert in der Petruskirche

Die Lukasgemeinde gab es da noch nicht – deren Kirche und Saal sollten erst von 1967 an das soziale Zentrum des Gerlinger Stadtteils an der Grenze zu Stuttgart werden. Als das Kind acht Jahre alt war, nahm es der Großvater mit zur Kinderkirche, fünf Jahre später ging Elisabeth in den Konfirmandenunterricht. Der fand auch noch nicht im Gehenbühl statt, sondern im Markussaal der Petrusgemeinde in der Stadtmitte. „42 Gehenbühler Mädchen und Jungen der Jahrgänge 1952 und 1953 waren zur Konfirmation angemeldet“, hat Elisabeth Herwerth notiert. Die hätten sich 1967 auf das Fest in der neuen modernen Kirche gefreut, die gerade gebaut wurde. Doch es kam anders: Am 19. März fand die Konfirmation in der von den Jugendlichen als „altmodisch“ angesehenen Petruskirche statt – und die Konfirmanden waren enttäuscht. Denn die Lukaskirche wurde zwei Monate später fertig als geplant und erst am 28. Mai 1967 eingeweiht.

Mit der Konfirmation begann das Engagement von Elisabeth Herwerth als aktives Mitglied der Gemeinde. Mit den Worten „du kannsch jetzt Jungschar macha“ habe sie der Pfarrer Hans Mattes zur Mitarbeiterin ernannt. Damit war sie mittendrin – und sie ist es heute noch, gemäß dem Motto der Lukasgemeinde. Aber, wie gesagt, im Vordergrund stehen will Elisabeth Herwerth nicht – auch wenn das Amt der Kirchengemeinderatsvorsitzenden, das sie seit 2004 innehat, dies immer wieder verlangt. „Es gibt so viele andere Leute, die im Hintergrund schaffen. Ohne diese Menschen wäre Lukas gar nichts“, sagt sie.

„Ihre“ Themen sind an erster Stelle der Gottesdienst in all seinen Formen, nicht nur am Sonntagmorgen. Zum Beispiel mit den Krabbelkindern, beim Fußballverein, mit Tischen zum Abendmahl in der Kirche. Auch das ist ein Zeichen für die Offenheit, dem Charakteristikum der Gemeinde. Das passt gut zur theologischen Ausrichtung, der eigenen und jener von Lukas. Die 62-Jährige sagt dazu: „Wir sind eine lebendige Gemeinde, haben große Toleranz und vertreten eher die offene Art der Theologie.“ Um dieses Wortspiel zu verstehen, muss man wissen: Die „Lebendige Gemeinde“ ist die konservative „Kirchenpartei“, sie hat die Mehrheit in Württemberg. Die „Offene Kirche“ versteht sich als ihr weltoffener, fortschrittlicher Gegenpol.

Heimat und Begegnung in der Kirche

Aber auch Diakonie und soziale Gemeindearbeit sind der Frau wichtig, die den Beruf der Erzieherin gelernt, an der Karlshöhe in Ludwigsburg studiert hat und dann viele Jahre lang Religionslehrerin war. „Die Kirche soll Heimat bieten und hier soll Begegnung stattfinden“, sagt sie. Dies findet in vielen Formen statt, in Gruppen und Kreisen, bei Ausstellungen, mit Flüchtlingen, mit Demenzkranken, mit Gästen aus anderen Ländern, mit dem Lauftreff, bei Gemeindefeiern – und bald hoffentlich mit neuen Nachbarn aus dem Annemarie-Griesinger-Haus. Aber auch mit der Stadt pflege man ein gutes Miteinander, und mit den Katholiken nicht nur beim Kanzeltausch.

Nun droht allen Kirchengemeinden Ungemach wegen der Kürzungspläne im Pfarrplan 2024. Vorschläge müssen in diesem Jahr gemacht werden. Dazu sei „derzeit alles offen“, sagt Herwerth. Sie wünsche der eigenen und den anderen Gemeinden Kraft und Phantasie beim Beschreiten neuer Wege. Jede Gemeinde in Gerlingen habe ihre spezielle Prägung, „die Menschen identifizieren sich mit ihrer Kirche und ihrem Pfarrer“. Deshalb laute ihr Credo „Kooperation ja, Fusion nein“. Es sei wichtig, dass Lukas erhalten bleibe – „mit eigenem Pfarrer“. Geographisch zwar am Rand von Gerlingen. Gleichwohl mittendrin.

Weitere Termine zum Jubiläum

2. Juli
„Lukas radelt“: drei geführte Radtouren ins Glemstal, nach Ludwigsburg und Renningen, Start 8 und 9 Uhr, E-Bikes sind auszuleihen, Auskunft 0 71 56/92 95 15

26. und 27. August
Jeweils um 14.30 Uhr Führung durch den Gehenbühl mit Klaus Herrmann vom Stadtarchiv, Wiederholung am 21. und 22. Oktober

21. September
„Lukas fliegt aus“: 8.30 Uhr Gemeindeausflug nach Baden-Baden mit dem früheren Pfarrer Rainer Boy

7. Oktober
Fahrt nach Augsburg zum Reformationsjubiläum; ein Einführungsvortrag von Pfarrer Martin Weeber findet dazu am 21. September um 20 Uhr im Petrushof statt

18. November
„Lukas in Motion“: Filmabend mit Rückblick auf 50 Jahre Gemeindeleben

3. Dezember
Gemeindetag im Advent zum Abschluss des Jubiläumsjahres