Am 18. März 2016 ist der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth verstorben. Im thüringischen Jena soll nun eine Straße nach dem Ex-Jenoptikchef benannt werden. In der Landeshauptstadt ist eine solche Ehrung derzeit kein Thema.

Stuttgart - Es ist guter Brauch, verdienter verstorbener Ministerpräsidenten durch die Benennung eines Platzes, einer Straße, eines Flughafens oder einer Brücke zu gedenken und die Erinnerung an sie in Ehren zu halten. Auch die Landeshauptstadt ist dieser Tradition bisher gefolgt: Die Reinhold-Maier-Brücke, der Gebhard-Müller-Platz und der Kurt-Georg-Kiesinger-Platz würdigen frühere Landesregierungschefs. Beim ehemaligen Marinerichter und NSDAP-Mitglied Hans Filbinger, der noch nach Ende des Zweiten Weltkriegs Todesurteile gegen Deserteure verhängt hatte („Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“) und deswegen schließlich 1978 als Ministerpräsident zurücktreten musste, hat sich verständlicher Weise weder die Stadt noch seine Partei, die CDU, bisher um eine solche Ehrung bemüht.

 

Ziemlich genau ein Jahr nach dem Tod seines Nachfolgers Lothar Späth, vielen Baden-Württembergern besser bekannt unter seinem Spitznamen „Cleverle“, will nun die Stadt Jena (Thüringen) als Erste des verstorbenen Landespolitikers gedenken. Denn Späth war nach seinem Rücktritt und seinem Ausscheiden aus der Politik in Folge der sogenannten Traumschiff-Affäre 1991 als Geschäftsführer zum dortigen Messgerätehersteller Jenoptik gewechselt und hatte das Unternehmen erfolgreich an die Börse gebracht. „Er hat viele strukturelle Entscheidungen mit beeinflusst, alte Industrieanlagen in moderne Unternehmen umgebaut und Bauvorhaben wie den Ernst-Abbe-Platz oder die Goethe-Galerie befördert.“ Dadurch habe Jena einen erheblichen Startvorteil gegenüber anderen Städten gehabt, sagt der dortige Rathauschef Albrecht Schröter (SPD).

Jena will keine Konflikte mit Anwohnern

Jetzt ist Jena auf der Suche nach einer geeigneten Straße für Späth. Gesucht werde eine „würdige Straße“, so Schröter. Zudem solle es eine neu erschlossene Straße sein, um einer Umbenennung aus dem Weg zu gehen. „Das würde Frust bei den Anwohnern auslösen“, sagt der Rathauschef. In der dortigen Karl-Marx-Allee oder der Karl-Liebknecht-Straße muss sich als niemand sorgen, dass künftig der Name eines früheren Klassenfeindes seine Adresse ziert.

In Stuttgart hätte man zumindest diese Probleme nicht. Dennoch gibt es im Stuttgarter Rathaus zumindest aktuell keine Überlegungen, ein Gebäude oder eine Straße nach Lothar Späth zu benennen. „Das ist im Moment keine Thema“, so eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage. Irgendwo versandet ist auch der Antrag des CDU-Ortsverbands Oberkochen aus dem vergangenen Jahr, doch den im Bau befindlichen S-21-Tiefbahnhof nach Späth zu benennen. Dem „Cleverle“, den sie in Jena mit einer Mischung aus Respekt und Ironie schon mal den „kleinen König“ nannten, dürfte es gefallen haben, dass die Thüringer den Schwaben voraus sind.