Die Gerch-Group hat am Dienstagabend ihre Pläne für den Eiermann-Campus im Bezirksbeirat vorgestellt. Die Lokalpolitiker lehnen diese rundweg ab. Vor allem bezweifeln sie, dass es ein schlüssiges Verkehrskonzept geben kann.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Für die Bezirksbeiräte ist es ein Rätsel oder auch ein Begriff, der mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Vor Kurzem hat die Gerch-Group aus Düsseldorf das ehemalige IBM-Gelände gekauft und auf den Namen „Garden Campus Vaihingen“ getauft. Doch mit einem Garten hat die Brache im Vaihinger Westen nichts zu tun. Das Gelände befindet sich direkt neben dem Autobahnkreuz Stuttgart. Dieses gehöre schon jetzt zu einem der am stärksten belasteten Verkehrsabschnitte in ganz Deutschland, sagte Kristin Wedekind (Grüne) in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats. Die Lokalpolitiker waren sich einig, dass eine Weiterentwicklung des Geländes auf Grundlage der bislang vorgestellten Eckdaten abzulehnen ist. „Wer dem zustimmt, tut den Vaihinger Bürgern nichts Gutes“, fasste Axel Weber am Ende der Diskussion zusammen.

 
Mathias Düsterdick (links) Foto: Alexandra Kratz

Zuvor hatten der Geschäftsführer Mathias Düsterdick und sein Kollege Markus Pärssinen die Pläne der Gerch-Group für das 20 Hektar umfassende Areal vorgestellt. Am Dienstagvormittag waren sie im Umwelt- und Technik-Ausschuss gewesen. Dort begrüßten die Fraktionen, dass der sogenannte Eiermann-Campus nach langem Stillstand wieder eine Zukunft habe. Doch am Abend schlug ihnen im Bezirksbeirat eine Welle der Ablehnung entgegen.

Ein Kolloquium und ein Zielbeschluss im Jahr 2013

Die Stadt hat einige Prämissen bereits vorgegeben. Oberbürgermeister Fritz Kuhn ließ 2013 ein Kolloquium organisieren. Auf dessen Grundlage fasste der Gemeinderat im September 2013 einen Zielbeschluss. Demnach sollen die vier denkmalgeschützten Gebäude und die Freiflächen im Umfeld erhalten werden. Das kostet etwa 100 Millionen Euro. Damit das Gelände dennoch für einen Investor interessant ist, ermöglicht die Stadt den Bau weiterer Gebäude. Die Bruttogeschossfläche darf von derzeit 55 000 auf künftig fast 200 000 Quadratmeter erhöht werden. Dazu strebt das Stadtplanungsamt eine Änderung des Flächennutzungsplans und einen neuen Bebauungsplan an. Die Abteilungsleiterin Susanne Frucht verwies auch darauf, dass das Gebiet gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden müsse.

Der Gerch-Group schwebt eine sogenannte Smart City vor. Eine Verbindung von Wohnen und Arbeiten, die Fahrten mit dem privaten Auto weitgehend überflüssig machen. Außerdem möchte der Investor Forschungseinrichtungen und vielleicht auch Studentenwohnheime ansiedeln. „Das Ziel ist ein ganz neuer Stadtteil“, sagte Pärssinen. Er betonte aber auch: „Wir treten nicht mit einem fertigen Konzept an. Wir wollen das Gelände zusammen mit den Bürgern entwickeln.“ Dazu soll es eine Bürgerbeteiligung geben: einen Tag der offenen Tür mit Impulsvorträgen und anschließend einem World-Café. So nennt man es heute, wenn die Menschen nach den Referaten die Ideen an verschiedenen Thementischen verfeinern.

Gerch-Group plant städtebaulichen Wettbewerb

Abschließend möchte die Gerch-Group einen städtebaulichen Wettbewerb ausloben. Damit dieser für die Bürger transparent und nachvollziehbar bleibt, will sie nur etwa drei bis sechs Büros einladen. „Wir verfolgen keine Friss-oder-Stirb-Mentalität. Wir wollen die beste Lösung für Vaihingen“, beteuerte Düsterdick.

Die Bezirksbeiräte konnten das nicht so recht glauben. „Sie machen das doch nicht aus purem Altruismus. Welche Ziele verfolgen sie?“, fragte Volker Weil (FDP). Düsterdick antwortete wahrheitsgetreu: „Wir wollen Geld verdienen. Alles andere wäre gelogen.“ Karsten Eichstätt (CDU) sagte: „Für uns gibt es viele Fragen, die wir aus Vaihinger Sicht geklärt haben wollen.“ Alle Bezirksbeiräte bezweifelten, dass ein schlüssiges Verkehrskonzept möglich ist. Und auch die Bürgerbeteiligung sahen sie kritisch: „Wir haben mit solchen Veranstaltungen privater Investoren schlechte Erfahrungen gemacht“, sagte Sven Ostertag (SPD). Eyüp Ölcer (Freie Wähler) ergänzte: „Und welcher Bürger hat Interesse, sich an einem solchen Prozess zu beteiligen?“ Gerhard Wick (SÖS) sprach davon, dass eine Aufstockung der Bebauung ein „ökologisches Verbrechen“ sei.