Der Argentinier Pablo Zibes wohnt seit acht Jahren auf den Fildern. Sein Geld verdient er mit Pantomime.

Stuttgart-Möhringen - Auf den ersten Blick läuft der japanische Messebesucher gerade an drei Schaufensterpuppen vorbei. Doch er stutzt, schaut sich die vordere genauer aus der Nähe an – und prompt bewegt sich die Puppe. Der Japaner im grauen Anzug schreckt zurück und grinst. Er ist auf einen Trick von Pablo Zibes hereingefallen. „Living Doll“ heißt diese Technik der puppenartigen Bewegungslosigkeit und sie gehört zum Repertoire des in Stuttgart lebenden argentinischen Pantomime-Künstlers.

 

„Daran wird sich der Herr auch noch Jahre später erinnern“, sagt Pablo und grinst. Im Auftrag von Firmen setzt er seine stille Komik ein, um Produkte zu präsentieren oder um für Aufmerksamkeit an Messeständen zu sorgen. Der 41-jährige freischaffende Künstler sieht seine Tätigkeit als „Verbindung von Kunst und Marketing“. Dabei macht er mehr als nur regungslos zu verharren: Er überrascht die Leute, bindet sie in die Performance ein und verteilt manchmal auch Geschenke – meist ohne Bühne und mit direktem Kontakt zu den Passanten.

„Walking Act“ nennt man dies in der Theaterfachsprache. Außer einer steingrauen Barockstatue gehören zu seinen regelmäßig genutzten Kostümen eine Aufziehpuppe im Nussknacker-Stil und ein silberfarbener Roboter, der an den Blechmann aus dem Zauberer von Oz erinnert. „Ich begegne den Menschen emotional. Nur so kann man sie erreichen. Und das nutzen die Firmen natürlich.“ So sei es keine Seltenheit, dass sich auf Fachmessen eine Traube Geschäftsmänner und -frauen mit Kinderlachen im Gesicht um ihn bilde.

„Weltreise war ein Gewinn im Lotto“

Ursprünglich wollte Pablo Theater spielen. Dazu besuchte er eine Schauspielschule in seiner Heimatstadt Buenos Aires in Argentinien. Die Idee, mit Pantomime seinen Lebensunterhalt zu verdienen, kam ihm dann bei einer Weltreise. Als 20-Jähriger zog er ein Jahr lang durch Europa und Asien, sein Geld reichte jedoch nur für drei Monate.

Als er während der Karnevalzeit in Madrid war, fiel der Entschluss: „Jetzt ist der Moment. Und verkleidet sind ohnehin alle“, sagte er sich und begann, auf der Straße Pantomime zu spielen. „Ich war total aufgeregt. Auf der Straße zu spielen, ist etwas ganz anderes als auf der Bühne: Es gibt keinen Schutz, keine Barriere zwischen dir und dem Publikum.“ Gleich am ersten Tag warfen ihm die Passanten Peseten im Wert von 75 Dollar in den Hut. „Davon bin ich erstmal fein essen gegangen“, erzählt er.

Seine Weltreise bezeichnet er heute als „Gewinn im Lotto“. Was Lebens- und Berufserfahrung angeht, sei das die größte Ausbildung gewesen. Auf seinem Laptop hat Pablo unzählige Fotos von seinen Stationen, eigene und solche, die ihm Passanten gegeben haben. Eines zeigt ihn in Taiwan, wie sich auf dem Gehsteig mehr als 50 Schaulustige um ihn scharen. „Die Polizei musste mich wegschicken, weil ich die Straße blockiert habe“, sagt er und lacht schelmisch.

Seine Augen fixieren stets den Zuschauer

Seine herzliche und offene Art hat ihm in der Ferne sicherlich viel geholfen. „Als Pantomime musst du ein Gespür für die Menschen haben, du musst schnell reagieren und wissen, wen du in deine Show einbinden kannst und wem das eher peinlich wäre.“ Wie es sich für einen Pantomimen gehört, gestikuliert er im Gespräch viel, steht manchmal sogar auf und führt Bewegungen vor. Seine großen blauen Augen fixieren dabei stets den Zuschauer.

Nach Deutschland zog es Pablo 1995 wegen seiner Frau. Während ihres Auslandsstudiums in Madrid hatte er die deutsche Geografin kennengelernt. Die Welt von Galas, Firmen-Events und Messen war ihm bis dahin unbekannt. So gab er seine Kunst in Frankfurt auf der Zeil zum Besten, bis er den ersten Messeauftrag bekam: Als Meeresgott Neptun warb er auf der Frankfurter Buchmesse für einen kleinen Wissenschaftsverlag. „Gegenüber war ein riesiger Stand, aber alle kamen zu uns“, erinnert er sich. Dass sein Deutsch damals nicht besonders gut war, stellte kein Problem dar. Auch heute noch hat Pablo den typisch spanischen Akzent. „Das ist besonders lustig, wenn ich im Roboter-Kostüm mit verzerrter Mickey-Maus-Stimme spreche“, sagt Pablo Zibes.

Die Kostüme bastelt Pablo selbst in seinem Keller. Dafür ist Kreativität gefragt, denn die Anfragen der Firmen sind oft sehr speziell. „Einmal sollte ich mich als Vitamin C verkleiden, ein anderes Mal das Tabuthema Impotenz darstellen.“ In Absprache mit dem Kunden entwickelt er dann ein Showkonzept. „Egal wie verrückt die Idee ist, ich finde einen Weg.“ Bald hat Pablo einen Auftritt in Paris, wo er für partikelfreie Reinräume zur Computerchipherstellung werben soll. „Geplant ist unter anderem, dass ich die Leute durch eine unsichtbare Luftschleuse zum Stand führe.“

Nach 18 Jahren in Deutschland, davon acht Jahre in Möhringen, fühlt sich Pablo in Deutschland sehr wohl. „Es ist meine Heimat geworden.“ Als er aus Argentinien nach Deutschland zog, scherzten seine Freunde, das passe perfekt zu seiner Art: „Pünktlich und ordentlich war ich schon immer“, sagt er und lacht. Nur das Schwäbische versteht er immer noch nicht. Das sei aber nicht so schlimm: „Körpersprache funktioniert überall – so kann ich sogar mit Schwaben kommunizieren.“