Von Dampfpflug und Glühkopf-Bulldog bis zur begehbaren Landkarte des Brandenburger Naturparks: im Barnim Panorama von Wandlitz gibt es viel zu entdecken. Die StZ-Autorin Suse Weidenbach hat sich umgeschaut.

Wandlitz - Der Effekt ist verblüffend. Kinder wie Erwachsene bleiben staunend stehen, wenn der riesige Bulle plötzlich durchdringend brüllt, sobald sich die Besucher nähern. Sie gehen hin und her, finden keinen Knopf zum Drücken. Ein Bewegungsmelder ist des Rätsels Lösung beim nachgebauten Auerochsen im Barnim-Panorama. Das im Herbst 2013 in einem eleganten Neubau-Ensemble eröffnete Museum in Wandlitz, rund 30 Kilometer nördlich von Berlin, präsentiert die Themen Natur, Landwirtschaft und Technik unter einem Dach. Da sind nicht nur spektakuläre Bulldogs und Mähdrescher zu sehen. Unter dem Motto „Von der eiszeitlichen Wildnis zur Kulturlandschaft“ erfahren die Besucher auch, wie der Höhenzug Barnim im Speckgürtel der Stadt Berlin im Lauf der Jahrtausende geformt und genutzt wurde.

 

So dient das Haus gleichzeitig als Besucherzentrum des Naturparks Barnim, als brandenburgisches Landwirtschafts- und schließlich auch als Heimatmuseum der Gemeinde Wandlitz. Die machte nach der Wende Schlagzeilen als Erholungsort der SED-Bonzen. Dabei gehörte deren gut bewachte Waldsiedlung gar nicht zu Wandlitz, sondern schon immer zum benachbarten Bernau, wie die Kulturamtsleiterin der Gemeinde Claudia Schmid-Rathjen betont. Die gebürtige Stuttgarterin lebt seit 1993 in Wandlitz, leitet die dortige Geschichtswerkstatt und engagiert sich als promovierte Historikerin für das neue Museum. Den Grundstock der Ausstellung liefert mit mehr als 1500 Exponaten die Sammlung des einstigen Museums der agraren Produktivkräfte, das wiederum auf der privaten Heimatstube des Ortsforschers Walter Blankenburg basierte.

Besucherlieblinge, wie könnte es anders sein, sind auch im Neubau die Oldtimer-Traktoren – hier in Form einer geordneten Herde aufgestellt. Da steht der Urvater deutscher Glühkopf-Traktoren, der Lanz-Bulldog HL 12 von 1924 mit 12 PS, 6 km/h Höchstgeschwindigkeit und Holzklötzen als Bremsen. Der benachbarte Bulldog von 1938 ist 35 PS stark und 17,7 km/h schnell. Auf dem wippenden Fahrersitz eines der legendären Traktoren aus Mannheim dürfen Kinder Trekkerfahrer spielen.

Satter Trekkersound für die ganze Familie

Beim Museumsfest, dieses Jahr am 18. Mai, können Familien den Traktorsound genießen: bei einer Ausfahrt mit den Oldies. Dazu gehören auch die in der DDR produzierten Exemplare: die Brockenhexe von 1949 aus Nordhausen zum Beispiel, der Aktivist des VEB Brandenburger Traktorenwerke Baujahr 1950 mit 30 PS oder der ZT 300 mit 90 PS, der von 1975 bis 1984 gebaut und von manchen Museumsbesuchern noch selbst gefahren wurde, wie Claudia Schmid-Rathjen erzählt.

Vorbei an einem riesigen Hanomag Raupenschlepper von 1923 kommen die Besucher zur landwirtschaftlichen Aktualität von heute. Da sitzen dann Vater und Sohn in einer vom britischen Hersteller John Deere (der einst Lanz kaufte) gesponserten, verglasten Fahrerkabine eines High-Tech-Traktors. Dort staunen sie über das automatisierte Cockpit, bevor sie sich gleich nebenan in die Zeit zurück versetzen, in der die Kartoffeln noch mit einfachen hölzernen Rodern geerntet wurden.

Landwirtschaft und Natur, einträchtig nebeneinander

Solche Erntehelfer für die auf den märkischen Sandböden bestens gedeihende Nutzpflanze liegen auf einem Podest, in dem sich die Wurzeln eines alten Baumes verbergen. Ihn retteten die Architekten vom Berliner Büro rw+, indem sie die Wurzeln in ihrem Neubau versteckten. Das kurz nach der Eröffnung von der brandenburgischen Architektenkammer preisgekrönte Gebäude hat die Form eines traditionellen Dreiseithofes mit Wohnhaus, Stall und Scheune.

Eine innenarchitektonische Besonderheit ist die Präsentation der Pflugsammlung: 24 dieser ersten Helfer des Bauern bei der Bodenbearbeitung hängen – wie eine künstlerische Installation – an einer über zwei Etagen reichenden Wand. Ein Blickfang im Außenbereich ist eine Dampfpflug-Lokomobile der Firma Heucke, wie sie von 1870 bis 1960 auf den großen märkischen Feldern im Einsatz war. Die dörfliche Lebenswelt im Jahresverlauf präsentiert der Dachboden des Museums, und auch hier gibt es immer wieder Aktivitäten für Kinder. So können sie an einer Drillmaschine drehen, um Korn-Samen gleichmäßig in bewegliche Blechröhren zu bugsieren.

Für Kinder gibt es viel zu entdecken

Auch Suchspiele gibt es: Wo hat sich die Schleiereule versteckt, wo die Maus, der Storch, die Spinne? Ein riesiges Hornissennest, Hufschuhe mit einem echten Pferdefuß drin oder ein feiner Kükenbrutschrank mit gedrechselten Füßen beeindrucken nicht nur Kids. Originell ist eine begehbare Landkarte des Naturparks Barnim. Im großzügigen Außenbereich wachsen in einem Schaugarten Nutzpflanzen wie Kartoffeln, Kürbis, Chilischoten und Tabak. Die Früchte dürfen kleine Besucher nicht nur ernten, sondern auch verarbeiten. Das ist besonders lustig, wenn aus der urigen Kartoffelsorte Blauer Schwede lila Chips entstehen. Im Wäldchen Richtung Wandlitzer See entsteht ein Naturlehrpfad, der im Sommer eröffnet werden soll. Das dort geplante große Baumhaus könnte in der Gunst der Kinder mit dem brüllenden Bullen und den bulligen Bulldogs konkurrieren.