Der Staat schützt die Ehe. Manchmal tut er aber alles, um ihr Zustandekommen zu verhindern: Wer je versucht hat eine Ausländerin zu heiraten, bekommt das zu spüren.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Letztlich haben wir dem Staat also doch noch ein Schnippchen geschlagen. Wir haben geheiratet. Der Staat hat sich zuvor sehr angestrengt, unsere Hochzeit zu verhindern. Nicht, dass er persönlich etwas gegen meine Frau oder mich hätte, der Staat. Das wollen wir ihm gar nicht unterstellen. Aber er hat ganz prinzipiell etwas dagegen, dass der Inhaber eines deutschen Reisepasses auf Dauer mit einer Person zusammenlebt, die im Behördendeutsch als visumpflichtige Ausländerin bezeichnet wird. Deswegen macht er solchen Beziehungen das Leben schon im Vorfeld ganz schön schwer. Später natürlich auch noch.

 

Menschen aus Obertürkheim, die ihr Lebensglück in Untertürkheim finden, sind papierkriegstechnisch gesehen gesegnet. Personalausweis und der Auszug aus dem Geburtenregister reichen beim Gang auf das Standesamt. In unserem Fall kommt die Partnerin aus Peking, da ist schon die Formulierung „Gang aufs Standesamt“ unangebracht verniedlichend. Es ist vielmehr eine Form des Dauerlaufs. Und das Standesamt ist nicht die einzige Behörde, die vor unserer Hochzeit den Lebensrhythmus entscheidend beeinflusst. In weiteren Hauptrollen auf dem Weg zum Happy End präsentieren sich in den nächsten Monaten das Ausländeramt, das Oberlandesgericht und die deutsche Botschaft. Natürlich wiehert auch der chinesische Amtsschimmel ein klein wenig mit.

Die Expertin vermisst Transparenz

„Im Zusammenspiel der Verwaltung kann man schon mal verloren gehen“, sagt Hiltrud Stöcker-Zafari. Als Bundesgeschäftsführerin des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften ist sie   mit den Problemen bestens vertraut, die auf heiratswillige Paare verschiedener Nationalität so hereinbrechen. Aus ungezählten Beratungsgesprächen kennt sie das Gefühl ihrer Klienten, der Bürokratie hilflos ausgeliefert zu sein. „Die Verfahren sind schwer zu überschauen, intransparent, und es fehlt oft an Informationen“, sagt die Expertin. Um in Deutschland zu heiraten, braucht die visumpflichtige Ausländerin – der Name legt es nahe – ein Visum. Um das Visum zu erteilen, benötigt die Botschaft Papiere. Unter anderem die Bestätigung der Eheanmeldung. Die vergibt das Standesamt, aber erst, wenn es zuvor mit anderen Papieren gefüttert wird. Mit Geburtsurkunde und Ehefähigkeitszeugnis zum Beispiel – die vorher von der Botschaft abgestempelt werden müssen. „Beglaubigungsketten“, nennt das die Expertin.

Womit wir beim ersten Problem sind: Geburtsurkunde und Ehefähigkeitszeugnis gibt es in China gar nicht. Aber der deutsche Gesetzgeber hat für eben diesen Fall vorgesorgt. Es gibt die „Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses“. Als Befreier tritt das Oberlandesgericht auf den Plan. Es entscheidet auf Grundlage von Unterlagen, die das Standesamt dem Gericht zur Verfügung stellt, und die der Heiratswillige zuvor in China zu besorgen hat – an dem Ort in China, wo der chinesische Teil des Paares sein Hukou liegen hat.

Hukou, das ist eine chinesische Besonderheit, so eine Art Familienstammbuch und Wohnsitzbescheinigung in einem. Dort, wo der Mensch wohnt, da führt die Behörde das Hukou. So ist die Theorie. In der Praxis sind chinesische Regeln interpretierbar. In unserem Fall liegen zwischen tatsächlichem Wohnsitz und Hukou etwa acht Stunden Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug. Wir haben Glück, dass es nicht drei Flugstunden sind, auf die dann noch eine mehrstündige Busfahrt folgt. China ist ein sehr großes Land.

Wir brausen also acht Stunden dem Bezirksnotar entgegen, der einen chinesischen Stempel auf einen ganzen Schwung chinesischer Papiere haut, die von eben diesem Notar ins Deutsche übersetzt wurden. Nicht immer ganz korrekt, doch die Freude über das rote Amtssiegel wiegt die sprachlichen Unzulänglichkeiten locker auf. Gleich zwei Papiere bestätigen, dass die Heiratswillige noch nicht verheiratet ist, ein weiteres erklärt, dass sie tatsächlich geboren wurde. Der Notar arbeitet schnell und ist überaus höflich. Erst sehr viel später werde ich erfahren, dass eine gute Freundin viel Zeit und einige Essenseinladungen investiert hat, um diese Arbeitsbereitschaft ein wenig zu forcieren.

Mit Indien und Pakistan ist es noch komplizierter

Nicht jeder hat das Glück, dass seine Partnerin aus China kommt. Verglichen mit Obertürkheim ist das zwar ein bürokratischer Graus, verglichen mit vielen anderen Ländern jedoch schon wieder so etwas wie ein Hauptgewinn. Wer mit Indien, Pakistan oder Ländern südlich der Sahara in den Papierkrieg tritt, der hat noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Insgesamt 46 Länder stuft das Auswärtige Amt derzeit als so unsicher ein, dass Urkunden von dort erst gar nicht anerkannt und legalisiert werden. Die Behörden sähen die Gefahr, dass es dort entweder richtige Angaben auf falschen Urkunden oder falsche Angaben auf richtigen Urkunden gebe, sagt Hiltrud Stöcker-Zafari. Wer trotzdem rechtlich relevante Geschäfte – und das ist eine Ehe nun mal – eingehen wolle, der müsse sich einen Vertrauensanwalt vor Ort suchen, der dann für die Botschaft eigene Nachforschungen anstellt.

Heirat mit Hindernissen – Crashkurs in Kapitalismus

Die roten Stempel der chinesischen Staatsmacht werden zwar grundsätzlich anerkannt, allein hinterlassen sie bei der bundesdeutschen Bürokratie leider keinen allzu gewaltigen Eindruck. Erst ein weiterer Stempel der deutschen Botschaft macht das Schriftstück zum legalen Dokument. Damit die Botschaft den Stempel erteilt, muss zuvor ein weiterer Stempel her. Das chinesische Außenministerium hat zu attestieren, dass der Originalstempel des Notars auch wirklich ein Original ist. In Fachbürokratisch bedeutet das: Beglaubigung, Überbeglaubigung, Legalisation. Dass das chinesische Außenministerium solcherart zu stempelnde Papiere gar nicht annimmt, wenn diese aus einer anderen Provinz als Peking kommen, ist eine Petitesse. Chinesischer Crashkurs in Kapitalismus: reiche die Papiere über eine (staatliche, kostenpflichtige) Agentur ein, dann gibt es auch die ersehnten Stempelchen.

Ein kleines Zwischenergebnis, bevor es beginnt, richtig verwirrend zu werden: Wir glauben also die Papiere zu haben, mit denen beim deutschen Standesamt die Eheschließung angemeldet werden kann. Diese Anmeldung brauchen wir, um an der deutschen Botschaft in China das Visum beantragen zu können.

Im Ausland heiraten? Auch keine Lösung

Natürlich, sagt Hiltrud Stöcker-Zafari, gebe es auch die Möglichkeit, im Ausland zu heiraten, dann bestehe ein Rechtsanspruch auf Ehegattennachzug – während ein solcher Anspruch auf Erteilung des Eheschließungsvisums nicht besteht. Allerdings: der Papierkram ist absolut vergleichbar, und es besteht die Gefahr, dass das Paar trotz Rechtsanspruch und gültiger Ehebescheinigung erst noch eine ganze Weile getrennt leben muss.

Die deutsche Standesbeamtin ist sehr nett, sehr freundlich – auch ohne Einladung zum Essen. Das Oberlandesgericht ist sehr streng. Es geht um die „Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses“. Zwar seien zwei Bescheinigungen vorgelegt, dass meine Frau in China nicht verheiratet sei und nie verheiratet war, heißt es aus den Gerichtsstuben, aber das seien eben nur Bescheinigungen. Es fehle ihre entsprechende Erklärung.

Das klingt wie ein Witz, ist aber keiner: meine Frau muss noch mal zum Notar, dort schwören, sich nicht im Stand der Ehe zu befinden, und den dazugehörigen Stempel abholen. Dass der Notar diese Erklärung gar nicht überprüfen kann, weiß auch die Rechtspflegerin des Oberlandesgerichtes. Das soll er auch gar nicht, sagt sie. Er soll nur bescheinigen, dass die Erklärende wirklich die Erklärende ist. Geradeaus denkende Menschen müssten sich mit Argumenten von der Unsinnigkeit dieser Vorschriften überzeugen lassen, Stuttgarter Rechtspfleger leider nicht. Der Wunsch des OLG kostet noch einmal 150 Euro extra, was umsichtige Rechner in etwa darauf schließen lassen kann, was schon zuvor an Geldbeträgen geflossen ist.

Es gibt nur Lippenbekentnisse zur Einwanderung

In solchen Fällen, sagt Hiltrud Stöcker-Zafari, könne der Staat durchaus daran denken, eine eidesstattliche Versicherung anstelle der beglaubigten Urkunde zu akzeptieren. Dass der Staat nicht eine Sekunde daran denkt, hängt ihrer Meinung nach mit deutscher Geschichte und deutscher Psychologie zusammen. „Die Bundesrepublik hat sich seit Jahren schwer mit Einwanderung getan, nun gibt es zwar Lippenbekenntnisse dazu, aber ernst zu nehmen sind die nicht.“ Den Beweis für diese These sieht die Bundesgeschäftsführerin des Verbandes binationaler Partnerschaften in den Gesetzen, die Einwanderung, Zuzug und Heirat von Nichtdeutschen regeln: „Die sind geprägt von Misstrauen, haben eher sicherheits- und ordnungspolitischen Charakter und bestimmt nicht den Gedanken der Migrationshilfe im Vordergrund.“ Dass es Scheinehen gibt, Zwangsheiraten und Missbrauch in den Sozialsystemen, das will Stöcker-Zafari gar nicht in Abrede stellen. Das gesamte Thema Heiratsmigration allein aus diesem Blickwinkel zu betrachten, hält sie jedoch für einen Fehler. Auch über die Landesgrenzen hinweg müsse die freie Partnerwahl möglich sein.

Irgendwann ist es in meinen Händen, das finale, standesamtliche Papier, das schon sehnsüchtig in Peking erwartet wird, um dort zur Botschaft getragen zu werden. Die Zeit drängt ein wenig. Im Schriftstück des Standesamts steht der beabsichtigte Hochzeitstermin. Der sollte möglichst so gewählt werden, dass die Braut auch anwesend ist, sprich, dass sie ihr Visum vor der Hochzeit erhält. Das erfordert ein wenig Rechengeschick, und die Aussagen der Botschaft sind da nur bedingt eine Hilfe. Die Visumerteilung dauere zwischen sechs und zwölf Wochen, heißt es. Und weiter: „Bitte haben Sie Verständnis, dass Fragen nach dem Bearbeitungsstand während der Bearbeitungsdauer grundsätzlich nicht beantwortet werden können.“

Heirat mit Hindernissen – Schlangen an der Botschaft

Deutsche Botschaft, Peking, Nordeingang, Ecke Xindong Lu zwischen der kanadischen Botschaft und der Vertretung der EU-Kommission. Geöffnet wird um acht, die ersten Menschen stehen meist schon gegen vier Uhr an. Natürlich müssen die Unterlagen für das Visum hier persönlich vom Antragsteller abgegeben werden. Viele Unterlagen. Mitten drin im Papierstapel auch das „Antragsformular und Zusatzerklärung für einen längerfristigen Aufenthalt“ – oder kurz und einprägsam: RK-1200. Mitten drin in der Menschenmenge: eine Reihe von windigen Gestalten, die einem noch schnell eine Krankenversicherung für das Reiseland verkaufen wollen. Manch ein Zeitgenosse mag die vergessen haben. Die braucht man schließlich auch noch, ebenso wie den Nachweis, Grundkenntnisse der deutschen Sprache in einem Kurs erworben zu haben. Aber warum der Staat in seinem Formular RK-1200 in dreifacher Ausfertigung handschriftlich die Erklärung benötigt, dass der Antragsteller nicht vor-bestraft ist, bleibt ein Rätsel. So wie manch anderes ein Rätsel bleibt: Ist es für den Fortbestand der Bundesrepublik tatsächlich entscheidend, dass der Vermieter die Quadratmeterzahl der künftigen Wohnung mit seiner Unterschrift bestätigt? Wieso braucht die Ausländerbehörde neben den drei letzten Gehaltsabrechnungen eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers, bevor sie ihren Segen erteilt? Und warum, bitte schön, benötigen alle drei Passbilder der Antragstellerin auf ein deutsches Visum einen blütenweißen Hintergrund?

Mit der EU ist alles noch schwieriger geworden

Je mehr Europa zusammenwachse, desto mehr schotte es sich nach außen ab, hat Hiltrud Stöcker-Zafari in den letzten Jahren beobachtet. Die Hochzeit mit visumpflichtigen Ausländern sei komplizierter geworden. Da ist es ein schwacher Trost, dass Franzosen oder Dänen ähnliche Regeln wie Deutschland aufgestellt haben, angereichert mit landestypischen Besonderheiten. Anregungen für den Gesetzgeber, den Weg für multinationale Beziehungen einfacher zu gestalten, hat Stöcker-Zafari genug. Ganz oben auf dem Wunschzettel steht ein Punkt, der vielen Paaren schon vor der Hochzeit Kopfzerbrechen bereitet. „Man muss eine Möglichkeit schaffen, dass die Paare auch ohne Hochzeit in Deutschland länger zusammenleben können, um sich besser kennenzulernen“, sagt Stöcker-Zafari. Mehr als 90 Tage kann derzeit niemand bleiben, und ob das dafür notwendige Touristenvisum für solch einen langen Zeitraum ausgestellt wird, ist eine ganz andere Frage. Oft ist das nicht der Fall.

Epilog: Wie anfangs erwähnt, wir haben es geschafft. Heiratserlaubnis bekommen, Visa erhalten, Hochzeit gefeiert. Eine sehr schöne übrigens. Aber der Staat rächt sich. Natürlich gibt die Hochzeitsurkunde allein der visumpflichtigen Ausländerin nicht das Recht, beim Inhaber des deutschen Reisepasses zu bleiben. Dafür braucht es einen Aufenthaltstitel. Den hat die Ausländerbehörde bis letzten Herbst nahezu unentgeltlich in den Pass gestempelt. Nun gibt es ein extra Plastikkärtchen dafür. Der Service der Bundesdruckerei ist für 110 Euro zu haben. Wer nun einwendet, es sei ja angenehmer, ein Plastikkärtchen mit sich zu führen als immer einen Reisepass, der hätte ja schon recht. Im Prinzip. Allerdings ist das Plastikkärtchen nur in Verbindung mit dem Reisepass gültig.

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