Eugen Rometsch feiert am 5. März einen runden Geburtstag: Der Vater von vier Söhnen wird 100. Noch immer arbeitet er an jedem Tag in seiner Steuerkanzlei für Mandanten aus dem Strohgäu – und ist zufrieden mit allem, was er erlebt hat.

Gerlingen - Auf die Geburtstagsfeier mit der Familie freut er sich, am 7. März in einem guten Restaurant. Seine Söhne haben 35 Leute eingeladen. „Wega mir bräucht’s des aber net“, sagt Eugen Rometsch mit schwäbischer Bescheidenheit. Aus dem Fenster steigen und einfach abhauen, das will er dann aber doch nicht. Das überlässt er Allan Karlsson, dem Titelhelden im Bestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson. Das amüsante und skurrile Buch kennt Rometsch nicht – die Geschichte aber interessiert ihn. Die Buchstaben seien so groß, dass er das gut lesen könne. Rometsch lacht, freut sich – und denkt daran, wie viele Leute nicht nur am Samstag kommen werden, sondern auch zwei Tage zuvor, an seinem 100. Geburtstag. Da macht er dann, was selten ist: Er geht nicht in die Kanzlei, sondern nimmt sich frei. Das darf man schließlich, als einer von nun sechs Gerlingern „Hundert plus“.

 

Eugen Rometsch freut sich über fast alles, was in seinem langen Leben geschehen ist – auch wenn es nicht immer das reine Glück war. Doch Pech zog auch Glück nach sich, wie beim Unfall, bei dem er mit 14 den Zeigefinger der rechten Hand verlor. Deswegen musste er Mitte der dreißiger Jahre nicht zum Militär. Zum Krieg haben sie ihn dann doch geholt – in die Schreibstube. Dass er ein guter Kaufmann geworden sei, dazu „ein flotter Stenograph und Maschinenschreiber“, war ihm schon im Lehrzeugnis 1934 bescheinigt worden.

Jeden Morgen um zehn geht er ins Büro

„Ich bin zufrieden“, sagt Rometsch, geboren am 5. März 1915. „Ich habe Erfolg gehabt, der Beruf des Steuerberaters hat mir Spaß gemacht.“ Aber was heißt hat: jeden Morgen kurz vor zehn holt ihn sein Sohn Ulrich („Wir leben in einer Männer-WG“) zuhause ab in die Kanzlei. Mittagspause ist zwischen zwölf und halb drei, und abends geht’s dann bis sechs. Wenig sei das im Vergleich zu seiner Lehrzeit: Da habe er von morgens sieben bis abends sieben gearbeitet, auch am Samstag. Heute habe die Arbeit im Büro („Ich hab’ noch G’schäft und Mandanten“) einen weiteren Vorteil: Er dürfe am Schreibtisch die Zeitung lesen. Die StZ. Wieder lacht er schelmisch.

Nach der Lehre war Eugen Rometsch von 1934 an auf Achse: zuerst Schiltach im Schwarzwald, dann Bad Driburg im Teutoburger Wald, 1937 die Papierfabrik Scheufelen in Lenningen, dann auf der Alb. Es kam der Krieg mit Einsätzen bei Marseille, in Ungarn und in Ostdeutschland. Auch dabei hatte er wieder Glück im Unglück: Seine Einheit sollte Mitte Februar 1945 Dresden durchqueren. Doch in der ersten Nacht, in der die Stadt zerbombt wurde, war sie einige Kilometer außerhalb.

Drei Jahre als „Gemeindepfleger“ im Rathaus

Nach dem Krieg folgten wenige Monate Gefangenschaft, von November 1945 an dann drei Jahre im Gerlinger Rathaus. Der Kaufmann arbeitete in der Gemeindepflege, was heute der Kämmerei entspricht. Nebenher absolvierte er bis 1948 die Ausbildung zum Steuerberater. Und erlebte dann mit seinen Mandanten manch Kurioses: „Mit dem Leonberger Finanzbeamten Vischer konnten wir gut verhandeln.“ Die meisten Handwerker oder Wirtsleute hätten damals keine komplette Buchhaltung gehabt – die Einnahmen als Basis von Gewinn und Steuerpflicht wurden geschätzt.

Glück und Pech hatte Rometsch auch familiär. Mit seiner ersten Ehefrau Martha bekam er zwei Söhne. Doch 1951 überlebte sie einen Herzanfall nicht. Mit der zweiten Marta („Ohne h, da hat sie Wert drauf gelegt“) wuchs die Familie um zwei weitere Buben – die heute in der Kanzlei mitarbeiten und sich sehr über den rüstigen und knitzen Vater freuen. Der sich nur eines wünscht: „Dass ich noch a Weile gsund bleib’.“ Und wenn „es“ sein müsse – „dann ist es normal in dem Alter, dass man geht“.