Der Dokumentarfilm „Ein Hells Angel unter Brüdern“ porträtiert Lutz Schelhorn, den Chef des Stuttgarter Rockerclubs, sowie die deutsche Szene – leider viel zu unkritisch.

Stuttgart - Am Anfang steht der Tod, nicht der gewaltsame, sondern der natürliche: Aus aller Welt sind sechshundert Hells Angels angereist, um dem an Herzversagen verstorbenen Frank die letzte Ehre zu erweisen. Und auch die Kamera von Marcel Wehn ist dabei, um mit Genehmigung von Lutz Schelhorn, dem Bruder des Toten, die Trauerfeier zu filmen: Majestätisch rollen die Biker heran und nehmen am Grab aufrecht Stellung, echte Männer, die Gefühle zeigen und aus dem Off von melancholischer Countrymusik unterstützt werden. Rocker sind auch nur Menschen: das ist die Botschaft, mit der „Ein Hells Angel unter Brüdern“ seine neunzig fragwürdigen Minuten eröffnet.

 

Beim singulären, brüderlich unter Kumpanen weilenden Höllen-Engel handelt es sich um den besagten Lutz Schelhorn, den Stuttgarter Chef des Motorradclubs. Als Fotograf, der er im bürgerlichen Leben ist, hat er unter anderem einen Bildband über den Stuttgarter Bahnhof sowie ein Porträtbuch über seine Biker-Freunde in Deutschland vorgelegt: „Die letzten Krieger“ – und diese Fotoreise quer durch die Republik bildet das Gerüst, auf dem Wehn seine Dokumentation aufbaut.

Dabei blendet der Regisseur die prekären Aspekte der das Kriminelle streifenden Hells Angels keineswegs aus, pflichtschuldigst lässt er Polizisten, Juristen und Journalisten zu Wort kommen – doch von einer kritischen, gar investigativen Reportage über einen hartgesottenen Männerbund ist seine ästhetisierende, mit dem Easy-Rider-Mythos flirtende Bruderdoku so weit entfernt wie ein Werbeclip für Machos vom realen Machismo.

Schelhorn, der diplomatische Außenminister

Was Wehn praktiziert, ist nichts anderes als eine Form des „eingebetteten Journalismus“. Seine Kamera zeigt nur, was sie zeigen darf. Und das entscheidet dort, wo es schmerzhaft aufklärend werden könnte, der porträtierte Schelhorn selbst, der sich im Amt des diplomatischen Außenministers des autonomen Rockerstaats wohlzufühlen scheint. Da kommt dieser Imagefilm zur rechten Zeit: Die schweren Jungs zeichnet er als Biedermänner, die den Traum von der großen Freiheit träumen und dabei manchmal mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Leider. Dabei wollen sie nur spielen. Schelhorn, das lehrt uns dieses Verharmlosungswerk, versieht sein Amt sehr gut.