Der 21-jährige Moritz Plagemann aus Plieningen ist zurzeit dort, wo die Welt hinschaut: in Nepal. Der Medizinstudent verbringt zwei Monate in einem Krankenhaus. Er berichtet vom ersten schweren Erdbeben und von seinen Eindrücken allgemein.

Plieningen - Moritz Plagemann studiert Medizin. Für zwei Monate arbeitet der 21-jährige Plieninger derzeit in einem Missionskrankenhaus im Westen Nepals. Das Erdbeben, das am 25. April den Himalajastaat erschütterte und dem nun eine zweite heftige Erschütterung folgte, verschonte die Klinik. Im Interview berichtet Moritz Plagemann vom Beben und von seinen Erfahrungen allgemein.

 
Herr Plagemann, wie haben Sie das Erdbeben vom 25. April erlebt?
Da ich während der Tage zuvor nur selten zum E-Mail-Schreiben gekommen war, entschied ich mich, den Vormittag im Gästehaus des Hospitals zu bleiben. Mitten im Tippen begann der Boden plötzlich zu vibrieren. Als etwa eine halbe Stunde später der Rest des Hospitalteams aus der Kirche kam, sah ich schon an ihrem schnellen Gang, dass irgendetwas nicht stimmte. Sofort telefonierten alle mit ihren Verwandten in Kathmandu und den umliegenden Dörfern. Für mich war es einfach kaum zu begreifen, was an diesem Vormittag in ganz Nepal geschehen war, während wir einen sonnigen Samstagmorgen genossen hatten.
Wird das Krankenhaus, in dem Sie arbeiten, mit den Folgen des Erdbebens fertig?
Da es in Rukum, Jajarkot und Salyan – den drei Distrikten, für die das Krankenhaus zuständig ist –, kaum Verletzte gab, hielten sich die direkten Folgen des Erdbebens sehr in Grenzen. Durch das Beben indirekt betroffen sind jedoch Menschen durch Ereignisse, die schon etwa zwei Wochen vor dem 25. April begannen. In dem Distrikt benachbarten Bezirk Jajarkot hatten sich in einigen Dörfern auffällig viele ungeklärte Todesfälle ereigneten. Nach einer Untersuchungen seitens der Regierung wurde der Virus H1N1, also die Schweinegrippe, festgestellt. Daraufhin wurde recht schnell ein Team vom Hospital zusammengestellt, um den Menschen dort zu Hilfe zu eilen. Nach einer zweitägigen Anreise per Geländewagen und zwölf Stunden Fußmarsch erreichten wir das Dorf. Von den Gesundheitshelfern, welche die Regierung zu schicken versprochen hatte, konnten wir jedoch nichts sehen.
Mit welchen Problemen sehen sich Kranke und Verletzte in Nepal generell konfrontiert?
Es gibt in Nepal keinerlei staatliche Krankenversicherung. Generell besteht ein extremer Unterschied bei der medizinischen Versorgung in der Stadt und auf dem Land. Manche Patienten, die zu dem kleinen Missionshospital hier in den Bergen kommen, sind bis zu fünf Tage zu Fuß unterwegs. Je nach Jahreszeit ist es den Menschen auch gar nicht möglich, Hilfe zu bekommen, wenn durch den Monsun sämtliche Straßen nur noch aus Matsch bestehen. In manchen Dörfern gibt es sogenannte Health-Posts, die, von der Regierung finanziert, ein absolutes Grundmaß an medizinischer Hilfe bieten.
Wie reagieren die Nepalesen aus Ihrer Sicht auf die Herausforderungen des Alltags und nun der Erdbebenkatastrophe?
Ich war von Anfang an absolut beeindruckt, mit welcher Kraft und Gefasstheit meine Freunde hier die Schreckensnachrichten, eine nach der anderen, aufgenommen haben. Auch schon vor dem Beben und besonders danach hat mich der Zusammenhalt in der Gemeinschaft hier sehr beeindruckt.
Haben Sie die Ereignisse selbst schon verarbeiten können?
Wirklich begreifen lässt sich das Ausmaß der Zerstörung wohl nie ganz. Mehr als die Bilder von den zerstörten Häusern und den aufgereihten Toten aber haben mich die Berichte von Freunden hier aus dem Krankenhaus getroffen. Man ist Schreckensnachrichten aus den Nachrichten wohl einfach zu gewöhnt, aber diese direkt von Menschen zu hören, die vielleicht Freunde oder Verwandte verloren haben, hat mich umso mehr getroffen. Diese Erlebnisse zu verarbeiten, wird sicher noch seine Zeit brauchen.
Das Gespräch führte Cedric Rehman.