Spero Lucas war Marine. Jetzt ist er Privatermittler ohne Lizenz in der US-Hauptstadt Washington. George Pelecanos schildert ihn als kompetenten Killer mit Bürgersinn.

Stuttgart - Es geht durchaus hart zur Sache. Zwei junge Dealer werden exekutiert, weil sie sich mit den falschen Geschäftspartnern eingelassen haben. Und das bleiben nicht die einzigen Toten in George Pelecanos‘ Roman „Ein schmutziges Geschäft“, dem Auftakt einer neuen Serie um den unlizenzierten Privatermittler Spero Lucas aus Washington, DC. Lucas ist Spezialist für die Wiederbeschaffung abhanden gekommener Dinge, und bei dieser Tätigkeit setzt er schon mal Fähigkeiten, Taktiken und Menschen ein, die er aus seinem vorigen Job mitgebracht hat. Da war er als Marine in Fallujah.

 

Aber „Ein schmutziges Geschäft“, im Original „The Cut“, ist kein Frontbericht aus einem Großstadtkrieg. Das waren Pelecanos‘ Romane sowieso noch nie, aber dieser hier betont eine Winzigkeit mehr das, was manche Leser gern von aller Literatur fordern: Das Positive.

40 Prozent vom Marihuanawert

Den Plot könnte man ziemlich zynisch ausgestalten. Ein gerade einsitzender und seinen Prozess erwartender Marihuana-Großdealer engagiert Spero Lucas, weil den Leuten, die draußen seine Geschäfte, schon zweimal große Pakete mit Stoff geklaut wurden. Lucas sichert zu, das illegale Gut wieder aufzutreiben - für vierzig Prozent des Geldwertes.

Aber so wichtig wie Speros Fähigkeit, in einer Zone jenseits der Legalität mit allem fertig zu werden, was dort auf ihn wartet, ist in diesem Buch das bürgerliche Leben. Spero stammt aus einer ganz besonderen Patchworkfamilie, in der drei von vier Geschwistern adoptiert wurden. Er ist weiß, sein Bruder Leo schwarz, aber beide fühlen sich als Amerikaner griechischer Herkunft. Leo ist Lehrer, einer von der engagierten Sorte. Ersieht es als seine Aufgabe an, Schülern den Übergang in eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Soziale Gesten

Auf den ersten Blick ist Leo der sozialere der beiden Brüder, der verantwortungsbewusstere und idealistischere. Aber als Spero es mit einem von Leos Schülern zu tun bekommt, Ernest, nimmt er hinter der Maske von Coolness und Eigennutz sofort Anteil an dessen Plänen und Hoffnungen. Ernest interessiert sich für Filme, er träumt davon, selbst einmal Regie zu führen, traut sich aber bislang nicht einmal an den Gedanken heran, auf eine weiterführende Schule zu wechseln. Spero schenkt dem Burschen zwei Filmbücher, was als Geste der Ermutigung dann auch bestens funktioniert.

Kleine soziale Gesten sind nichts Neues in den Büchern von Pelecanos. Er hat immer von Menschen erzählt, die ihr Eckchen der Stadt nicht dem Verbrechen, der Verwahrlosung, der Gleichgültigkeit überlassen wollten. Aber in „Ein schmutziges Geschäft“ erleben wir eine kleine Gewichtsverschiebung.

Bewaffnete Sozialarbeit

Spero Lucas wirkt wie der Prototyp einer konservativen Fantasie, wie ein ehrenamtlicher (und bewaffneter) Sozialarbeiter, der seine Berufung schon lebt, noch bevor er sie selbst begriffen hat. Einem braven Jungen ein Buch schenken oder einem bösen Buben das Lichtausblasen, das sind auf einer tieferen Ebene des Buchs gleichwertige Tätigkeiten der Weltverbesserung.

Man kann diese Bürgerschaftlichkeit aus dem Geiste des Marine-Corps-Trainings naiv finden, erzreaktionär oder abgebrüht pragmatisch. Aber man wird Pelecanos, der für die TV-Serien „The Wire“ und „Treme“ geschrieben und produziert hat, bescheinigen müssen, dass er den Krimi als volkserzieherische Literatur verwendet, ohne ihm Spannung, Dynamik und alle Zwischentöne zu nehmen. Ob das eine interessante oder eine beunruhigende Entwicklung ist, sei vorerst dahingestellt. Wir werden das sowieso bald anhand weiterer Bücher des produktiven Autors überprüfen können.

George Pelecanos: Ein schmutziges Geschäft. Aus dem amerikanischen Englisch von Jochen Schwarzer. Rororo TB. 384 Seiten. 9,99 Euro.