Bad Cannstatt hat viele Gesichter. In der Serie „Ein Stück Cannstatt“ stellen wir alle 18 Stadtteile vor. Heute ist die Winterhalde dran. Viel Grün, die Nähe zu den Weinbergen und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zeichnen den Stadtteil aus.

Bad Cannstatt - Als Peter Mielert vor fast 50 Jahren aus Münster nach Stuttgart kam, hat er sich nicht etwa die nächstbeste Studentenbude geschnappt, sondern sich in der Stadt umgesehen: „Ich habe mich gefragt, wo ich mich zuhause fühlen könnte“, erzählt der Grünen-Bezirksbeirat. Viele Stadtbezirke hat er sich angesehen – und am Ende hat Bad Cannstatt sein Herz erobert. „Der Bezirk ist eigenständig und liegt doch etwas außerhalb des Großstadtmolochs.“ Zunächst im Sommerrain und später im Seelberg habe er sich wohl gefühlt, seit 1982 lebt die Familie in der Winterhalde, wo sich die Mielerts ein kleines, grünes Paradies geschaffen haben. Apfelbäume, Stockrosen und eine üppige Hecke machen das Haus zum vielleicht grünsten des Stadtteils; das Mehrfamilienhaus ist eines im eigentlichen Wortsinn: Peter Mielert und seine Frau leben im Erdgeschoss, die Tochter im ersten Stock und der Sohn im Dachgeschoss.

 

Diese Zwei- bis Dreifamilienhäuser seien charakteristisch für den Stadtteil, sagt Mielert: „Sie wurden in den 1930er Jahren errichtet, zuvor war dort Ackerland.“ Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Besiedelung der Winterhalde an anderer Stelle: Die ersten 19 Gebäude mit 114 Wohnungen wurden in den Jahren 1905/06 zwischen Kienbachstraße und Oberschlesischer Straße vom Bau- und Sparverein Winterhalde errichtet, den Arbeiter und Beamte der damaligen Königlichen Eisenbahnwagenwerkstätte Cannstatt und der Daimler Motorengesellschaft gegründet hatten. Als in den 30er Jahren weitere Häuser gebaut wurden und sich das Wohngebiet zu einem riesigen Häuserblock mit einem großen Innenhof entwickelte, bürgerte sich dafür die Bezeichnung Vatikan ein. Woher der Name kommt, ist nicht ganz klar: „Es gibt die Erklärung, dass dort zunächst vornehmlich Katholiken lebten“, nennt Mielert eine Überlieferung. Es könne aber auch sein, dass die Menschen in der Art der Bebauung Ähnlichkeiten zum italienischen Stadtstaat gesehen haben.

Eingeschlossen zwischen Straßen und Schienen

Sicher aber ist: „Bis heute gibt es zahlreiche Genossenschaftswohnungen. Die Kombination aus Mietwohnungen und Mehrfamilienhäusern ergibt eine gute Durchmischung der Bevölkerung“, sagt der Stadtplaner. Vor allem für Familien sei die Winterhalde – dieser Name übrigens leitet sich von einem alten Flurnamen her – ein sehr geeignetes Wohngebiet: „Es ist ein ideales Wohngebiet mit viel Grün, in der Nähe der Weinberge und mit sehr guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr“, findet Peter Mielert.

Allerdings bringe die „Insellage“ der Winterhalde zwischen Bahnschienen auch Schwierigkeiten mit sich: „Der Stadtteil ist umschlossen von großen Straßen und Bahnlinien, die zum Teil schwer zu überqueren sind“, erklärt Mielert. Die Unterführung am Ebitzweg etwa müsse dringend barrierefrei gemacht werden, damit sie auch für Kinder mit Fahrrädern und ältere Menschen kein Hindernis mehr darstelle. Generell sei der Verkehr ein kritischer Punkt: „Viele Anwohner beklagen den Schleichverkehr in Richtung Fellbach und umgekehrt.“ Bei der Zukunftswerkstatt Bad Cannstatt fordere man deshalb den Umbau des Augsburger Platzes.

Einwohner: 4130 Fläche: 44,7 Hektar Besonderheit: „Insellage“