Wirtschaftsdichter und Zukunftsvisionär – so nennt sich Oliver W. Schwarzmann. Der 54-Jährige formuliert im Auftrag von Unternehmen Lebensweisheiten in wenigen Worten. Sein Kompagnon Nick Bley gestaltet sie in der gemeinsamen Agentur in Waiblingen.

Waiblingen - Aphorismus – das Wort klingt wie ein Hautausschlag, findet Oliver W. Schwarzmann. Deshalb wählt der 54-Jährige lieber den Begriff „Gedankenspruch“, wenn es darum geht, womit er sich seit einigen Jahren tagein, tagaus und bisweilen auch nachts beschäftigt: Er bringt Botschaften in ein, höchstens zwei Sätzen auf den Punkt – meist im Auftrag von Unternehmen. „Ich dichte für die Wirtschaft“, sagt Schwarzmann.

 

Deshalb, und weil der klassische Poet meist erst nach seinem Tod berühmt wird, bezeichnet sich Schwarzmann pfiffig als Wirtschaftsdichter. Kostprobe gefällig? „Frei haben ist der Anfang, frei sein das Ziel“ – diesen Gedankenspruch hat er beispielsweise für einen Wohnmobilhersteller kreiert. Ein Schneepflug inspirierte ihn zu „Kein Ziel ist höher, als anderen den Weg dorthin zu ebnen.“ Selbst für eine schlichte Schraube kann Schwarzmann etwas drehen. Einfach sei das aber nicht gewesen, sagt er. Sein Gedanke: Schrauben verbinden Dinge miteinander. „Die Treue nimmt dem Leben die Vergänglichkeit“ – den Satz hat er sich für den Metallbolzen ausgedacht.

Elvis-Fan bei der Raiffeisenbank

Für die Visualisierung seiner Sprüche ist seit rund 20 Jahren der Grafiker Nick Bley zuständig. Ihr gemeinsames Büro, das sie mit einer lebensgroßen Elvis-Figur teilen, ist im obersten Geschoss eines Mehrfamilienhauses in Waiblingen-Hohenacker untergebracht. Der Poet in der Dachstube, das passt. Immerhin – anders als bei Spitzwegs Gemälde muss kein Schirm die beiden Kreativen vor Regenwasser schützen. Wobei Schwarzmann anlässlich des Weltwassertags auch mal twittert: „Im Büro gesessen und davon geträumt, wie es denn als Poet mal wäre, flüssig zu sein.“

Nun ja – Schwarzmanns Mutter hatte ihren Sohn, der sagt „Ich wollte schon als Jugendlicher Schriftsteller werden“, dazu angehalten, zunächst mal einen Brotberuf zu erlernen. „Ich wurde in einen grausam grau-gestreiften Nadelstreifenanzug gesteckt“, erinnert sich der leidenschaftliche Elvis-Fan an den Beginn seiner Lehrzeit bei der Raiffeisenbank in Murrhardt. „Das Buchhalterische war nichts so mein Ding, aber der Austausch mit Kunden, das Zwischenmenschliche, hat mir großen Spaß gemacht“, sagt Schwarzmann. Nach einiger Zeit wechselte er zu einem Bauträger, war im Immobilienbanking tätig und hielt ab und an Vorträge. Schon damals beschäftigte ihn, der sich auch als „Zukunftsvisionär“ bezeichnet, das Thema Zukunft – und das tut es auch heute noch.

Allgemeingültig und mit tieferem Sinn

„Dann wurde die Stimme des Publizisten immer lauter“, erzählt Schwarzmann über die Zeit Mitte der 1990er-Jahre. Er schrieb ein Buch über Vertrieb und Verkauf, verfasste Magazinbeiträge zum Thema Zukunft und lernte Nick Bley kennen. Die beiden beschlossen, künftig gemeinsam „über den Tellerrand hinauszudenken“ und wurden Geschäftspartner. In ihrer Agentur versuchen sie, „in verschiedenen Formen das Thema Zukunft zu publizieren“. Für letzteres hat Oliver W. Schwarzmann natürlich auch einen Aphorismus parat: „Zukunft ist nicht nur die Zeit, die vor uns liegt, Zukunft ist eine Einstellung.“ Die wichtigen Merkmale eines Gedankenspruchs? „Er muss allgemeingültig sein und einen tieferen Sinn haben.“

Poesie auf den Punkt gebracht

Schwarzmann dichtet für einen Roboterhersteller ebenso wie für einen örtlichen Bäckermeister. „Was wir nicht machen, sind politische und religiöse Geschichten“, sagt Schwarzmann: „So groß kann kein Scheck sein.“ Im vergangenen November hat er anlässlich der baden-württembergischen Literaturtage in Weinstadt Läden in Endersbach mit Aphorismen versorgt – vom Metzger über die Apotheke bis zum Schuhladen. Die Idee dabei: „Wir versuchen, Leute in die Stadt zu holen.“ Den Einzelhandel zu unterstützen, auch das halten Bley und Schwarzmann für ein Zukunftsthema: „Der Handel trägt zum Wesen einer Stadt und deren Lebendigkeit bei. Wenn nur noch Filialisten da sind, wird es diese Lebendigkeit nicht mehr geben.“ Aber auch der Einkaufstempel Milaneo in Stuttgart bestellte bei Schwarzmann und Bley eine Ausstellung mit Gedankensprüchen. Im Haus der Wirtschaft war das Duo zuletzt mit der Ausstellung „Ort & Poesie“ zu Gast. Sie kombiniert Fotos von Orten mit Gedankensprüchen und soll nun zu einem Bildband weiterentwickelt werden.

In diesem Sommer bescheren Nick Bley und Oliver W. Schwarzmann den Läden in der Winnender Innenstadt einen „Poetischen Juli“ mit individuell zugeschnittenen Aphorismen. Die schreibt Schwarzmann dieses Mal von Hand, mit dem Füller. „Ich scanne die Schrift ein, verändere und vergrößere sie“, sagt Bley.

„Wir haben noch einige Ideen“, sagt Schwarzmann, der Zukunftsvisionär, wenn man ihn nach weiteren Projekten fragt. Aber: „Wir verstehen uns als Ergänzung zur Werbung. Poesie muss punktuell bleiben, man darf nicht alles damit vollpflastern.“