Winfried Kretschmanns Partei reüssiert nicht mehr nur in den Städten, auch auf dem Land findet sie Zuspruch. Dies zeigt sich in und um Stuttgart.

Stuttgart - Dass die Stadt Stuttgart grün ist, das haben schon einige Wahlen der vergangenen Jahre gezeigt. Jetzt weitet sich der grüne Siegeszug von der Landeshauptstadt auch in die Region aus. In elf der 13 Wahlkreise rund um Stuttgart hat die Partei, die im Wahlkampf ganz auf die Popularität des Ministerpräsidenten setzte, dem bisherigen Platzhirsch CDU das Direktmandat abgejagt. Winfried Kretschmann selbst ließ in Nürtingen den christdemokratischen Landtagsabgeordneten Thaddäus Kunzmann klar hinter sich, für den sich auf einer gemeinsamen Veranstaltung auch die Kanzlerin Angela Merkel stark gemacht hatte. In den Kreisen Böblingen, Esslingen und Ludwigsburg surften grüne Kandidaten auf der Kretschmannwelle zum historischen Erfolg und holten alle Direktmandate. Auch in Waiblingen, Schorndorf und Göppingen setzten sie sich durch. Die noch vor fünf Jahren dominierende Farbe schwarz gibt es nur noch als Farbtupfer am Rand der Region – in Backnang und in Geislingen.

 

Der CDU signalisiert das Desaster, dass es ihr nicht mehr nur in Großstädten nicht mehr gelingt, die dominierende Rolle zu spielen. Auch im konservativer geprägten Speckgürtel rund um Stuttgart ist ein Wahlerfolg für sie seit diesem historischen Wahlsonntag kein Selbstläufer mehr. Die stolpernde Partei muss sich gerade in den Metropolregionen, in denen eine Großzahl der Wähler lebt, neu erfinden – inhaltlich und wohl auch personell, selbst wenn acht christdemokratische Kandidaten aus den Kreisen über das Zweitmandat doch noch ins Parlament einzogen. Inhaltliche und personelle Neuorientierung – das gilt noch mehr für die arg gerupfte SPD, deren Debakel auch Prominente wie Fraktionschef Claus Schmiedel und Sozialministerin Katrin Altpeter aus dem Landtag spülte.

Doch wenn der Jubel der Sieger verklungen und die komplizierte Regierungsbildung erledigt ist, muss sich auch die Landespolitik wieder den Sachproblemen zuwenden, die in der Region Stuttgart weit über die den Wahlkampf dominierende Flüchtlingsfrage hinausgehen. Viele Herausforderungen – eine bessere Verkehrsinfrastruktur, mehr preiswerte Wohnungen und die Vereinbarkeit von wirtschaftlicher Prosperität und Schutz der Umwelt – lassen sich nur im regionalen Zusammenspiel bewältigen. Doch Regionalpolitik ist eine Leerstelle in den Wahlprogrammen der Parteien. Das wird sich ändern müssen.