Der Bestsellerroman „Fleisch ist mein Gemüse“ hat Heinz Strunk bekanntgemacht. Doch der Hamburger Schriftsteller und Unterhaltungskünstler hat noch viele andere Talente – wie er jetzt auf einer Tournee mal wieder zeigen will.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Will man sich Heinz Strunk nähern, dann fragt man ihn besser nicht, was er treibt, sondern versucht es mit dem Umkehrschluss. Erster Versuch: Ist er womöglich ein „deutscher Schriftsteller und Kabarettist“, wie ihn die Biografiensammlung Munzinger-Archiv tituliert? „Ich möchte bitte in dieses Segment nicht eingeordnet werden“, sagt Heinz Strunk zum Thema deutsches Kabarett, und obwohl er sowohl ein Freund der offenen Worte wie der fast schon chirurgisch präzisen verbalen Beschreibung ist, räumt er gleich ein, dass „es aber schwierig ist, für mich Kategorien zu finden“.

 

Also nächster Versuch: Ist er vielleicht ein Comedian? Gott bewahre, sagt Strunk, das sei ja noch schlimmer. „Exakt niemanden“ aus dem Genre finde er gut, „das ist alles Sch. . .“, und „ausgerechnet die, die ich am unlustigsten finde, kriegen bei RTL die Sendungen in der Primetime“. Hoppla, da ist ihm doch das Wort herausgerutscht, das er eigentlich gar nicht verwenden will. Denn „ich sage nie öffentlich ,Sch. . .‘, bei solchen Wörtern sträuben sich bei mir alle Haare. Und übrigens auch bei RTL-2-Wendungen wie ,Halllooo, geht’s noch?‘“, fügt er hinzu.

Das klingt, als rede sich der 52-Jährige nun richtig in Rage. Aber Heinz Strunk, der 1962 in Hamburg als Mathias Halfpape geboren wurde, in der Hansestadt aufwuchs und bis heute in ihr lebt (und sie wohl auch liebt, was sich sehr schön und echt norddeutsch in einem kleinen Anker ausdrückt, den er auf einen seiner Finger tätowiert hat), ist ein  ruhiger Vertreter. „Der Mensch kommt fertig gestimmt auf die Welt“, zitiert er Botho Strauß, und deshalb sei auch bei ihm die „melancholische Grundstimmung genetische Disposition“ gewesen. So formuliert er all dieses Missbehagen an dieser Unterhaltungsbranche mit trockenen Worten, so wie er mit der Nonsenstruppe Studio Braun, die er vor vielen Jahren gemeinsam mit Jacques Palminger und Rocko Schamoni gründete, ja auch den feinen Humor pflegt. Und vielleicht ist trotz der verhaltenen Zerknirschtheit das auch die beste Berufsbezeichnung für ihn: Humorist.

Aber er ist weit mehr als nur das. Denn richtig bekannt geworden ist Heinz Strunk, ebenso wie sein Freund und Kollege Rocko Schamoni („Dorfpunks“), mit einem später auch erfolgreich verfilmten Bestseller. „Fleisch ist mein Gemüse“ heißt das Buch, erschienen ist es 2004, verkauft hat es sich bisher rund 500 000-mal, und sein Titel ist fast schon zu einem geflügelten Wort geworden für alle, die zum Ausdruck bringen wollen, dass sie nicht ausschließlich vegan leben wollen.

Strunk hat es als Künstler zu gewisser Bekanntheit gebracht

Nicht schlecht für ein Romandebüt, das stark autobiografisch gefärbt eigentlich nichts anderes tut, als das Leben eines Musikers in einer nicht sonderlich nennenswerten Unterhaltungskapelle zu erzählen, weswegen Strunk auch kein Problem damit hat, den Riesenerfolg als „puren Zufall“ zu bezeichnen – handele es sich doch allein schon „um kein Romanmotiv, das zwingend auf der Hand lag“. Es folgten die Titel „Die Zunge Europas“ – eine gallige Abrechnung mit den Mechanismen der Comedy-Szene – und „Fleckenteufel“, vor allem aber 2011 „Heinz Strunk in Afrika“ und 2013 „Junge rettet Freund aus Teich“, zwei wunderbar reife, fabelhaft unterhaltende und mühelos wegschmökerbare Romane, die in ihrer zugleich gründlichen Charakterentwicklung wie wachen Beschreibung der Launen des Schicksals unbedingt zur Lektüre empfohlen sein sollen.

Womit Strunk, wie man doch vermuten sollte, aus allem Gröbsten raus sein müsste. Dem sei allerdings nicht so, erzählt er. „,Fleisch ist mein Gemüse‘ war der einzige Ausreißer“, beschreibt er abermals ganz nüchtern den kommerziellen Erfolg seiner künstlerischen Anstrengungen. „Ein Selbstläufer ist gar nichts“, fügt er für sich und sein Schaffen hinzu, und „auch das neue Buch ist nicht gut gelaufen“. Dieses Buch heißt „Das Strunk-Prinzip“, ist im November erschienen und, wie sein Autor im Brustton der Überzeugung vorträgt, „das erste Sachbuch“, das er verfasst habe. Tatsächlich ist es eine satirische Kolumnensammlung und eine sehr heitere Persiflage auf Ratgeber- und Moderationscoachbücher, die in Sachen Geld, Glück und Gesundheit das Blaue vom Himmel versprechen – und das Ganze auch noch in dreißig Tagen oder mit nur zehn Kniffen.

Strunk: „Am schlimmsten finde ich Theatermachen“

„Reich bin ich auf keinen Fall, aber das macht nichts, denn ich lebe ohnehin normal. In der ,Bild‘-Zeitung würde ich eh nur vorkommen, wenn ich eine Affäre mit Barbara Schöneberger hätte. Und ob ich jetzt Teil des Nachtlebens oder Teil der Sonntagsspaziergänger bin, ist doch wurst“, sagt Strunk. Doch auch wenn’s für ein Leben in Saus und Braus nicht reicht: Heinz Strunk hat es als Künstler zu gewisser Bekanntheit gebracht. Zum einen, weil er einiges hinter sich gelassen hat, etwa jene Tanzband, in der der studierte Flötist und Saxofonist tatsächlich zwölf Jahre durch die norddeutsche Provinz tingelte. Und zum anderen, weil er zwischenzeitlich auf dem Sender Viva „Fleischmann TV“ und bei Radio Fritz die „Jürgen Dose Show“ moderierte, weil aus „Fleisch ist mein Gemüse“ neben einem Kinofilm auch noch eine Operette am Deutschen Schauspielhaus und ein Theaterstück an den Wuppertaler Bühnen folgten, weil er mit Charlotte Roche einst auf eine sehr skurrile Tournee ging, regelmäßig bei der Fernsehsendung „Extra 3“ auftritt oder der so nachdenkliche Heinz Strunk umgekehrt so brüllend komische Bücher schreibt über Deutschlands White-Trash-Proletariat oder die Spieß- und Kleinbürgerhöllen, in denen etwa „Mutti gewohnheitsmäßig in der Küche die Fischstäbchen noch mal nachpaniert“.

Welches ist für ihn das schwierigste der vielen Genres, in denen er sich herumtreibt? „Am schlimmsten finde ich Theatermachen, weil es mit so wahnsinnigen psychischen Kämpfen verbunden ist“, sagt Strunk. „Und danach kommt gleich Schreiben.“ Auch das verblüfft, wirken seine Romane doch so leichtfüßig. „Ich wünsche mir oft, ich könnte das auf Anhieb genauer, aber die erste Manuskriptfassung ist stilistisch oft miserabel“, erläutert er seinen Schreibprozess. „Ich nehme mir dafür jeden Tag vier Stunden zum Schreiben vor“, sagt er, und es schwingt mit, dass dies nicht immer klappt. Macht nichts, findet Strunk, zitiert Helmut Kohls Bonmot „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“ und fügt hinzu: „Der Weg dahin ist egal.“

Bei der aktuellen Show, mit der er nun auf Tournee ist und auf der gejuxt, gelesen, Flöte und Akkordeon gespielt wird (denn eine neue formidable CD namens „Sie nannten ihn Dreirad“ hat Heinz Strunk übrigens auch soeben auf den Markt gebracht), erzählt der Tausendsassa eine Geschichte, bei der man wie so oft bei ihm nicht weiß, ob hier nun Mathias Halfpape oder die Kunstfigur Heinz Strunk, ein Ich-Erzähler, eine erfundene Romanfigur oder doch ein realer Mensch spricht. Sie handelt von einer, wie er es nennt, „negativen Inselbegabung“, die sich darin ausdrücke, dass man nichts so richtig schlecht könne. Sollte Strunk sich damit selbst gemeint haben, ist das auf jeden Fall vornehm hanseatisch tiefgestapelt.