Auch Esslingen positioniert sich gegenber Stuttgart als Einkaufsstadt. Der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger setzt dabei auf seine Stadt als das „schönste Freilichtkaufhaus in der Region“. Die Zeiten der großen Shopping-Malls seien in den USA bereits wieder vorbei.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Natürlich – das weiß Jürgen Zieger genau – ist der Begriff ein Widerspruch an sich. Und doch wird der Esslinger Oberbürgermeister nicht müde, seine Stadt immer wieder und bei fast jeder Gelegenheit als das „schönste Freilichtkaufhaus in der Region“ anzupreisen.

 

Alexander Kögel besitzt das größte Mode- und Bettwäschehaus in Esslingen. In Personalunion ist er der Sprecher der Einzelhändler. Er springt dem Oberbürgermeister zur Seite. Natürlich habe ein Kaufhaus normalerweise Wände und ein Dach, räumt er ein. „Aber der Begriff steht nun einmal für das Wirgefühl, das die Einzelhändler und Gastronomen in der Stadt entwickelt haben.“ Auch die Citymanagerin Manuela Deufel verteidigt den Begriff. Jedes Einkaufszentrum müsse versuchen, eine Erlebniswelt zu schaffen, um die Kundschaft zu binden. Deufel: „Während es dort immer nur künstliche Anreize sein können, hat Esslingen mit den Neckarkanälen, den 850 Baudenkmälern in der Stadt und jeder Menge kleiner, inhabergeführter Geschäfte jede Menge natürliche Argumente.“ Die Stadt sei angesichts der wachsenden Konkurrenz geradezu verpflichtet, diese „Trumpfkarte“ auszuspielen.

Esslingen sieht Gerber und Milaneo gelassen

Damit hat sie ohne Zweifel recht, denn der reine Vergleich der Zahlen ist niederschmetternd. Nimmt man alleine die beiden neuen Stuttgarter Einkaufszentren Milaneo und Gerber zusammen, so verfügen diese über mehr Verkaufsfläche als alle Einzelhändler in der Esslinger Altstadt zusammen besitzen: Knapp 50 000 Quadratmeter stehen innerhalb des Altstadtrings momentan zur Verfügung. Rund 11 000 Quadratmeter könnten noch einmal dazukommen, wenn auf dem heute ziemlich tristen Karstadt-Parkplatz eine Einkaufspassage entsteht. Die Baugenehmigung ist längst erteilt. Doch wann die Bagger anrollen, ist angesichts der Entwicklung bei Karstadt vollkommen offen.

Dennoch sieht man in Esslingen das Milaneo und das Gerber eher gelassen. Für Jürgen Zieger ist das Milaneo sogar bereits ein Auslaufmodell: „Das begründe ich nicht zuletzt damit, dass in Amerika die neuen Einkaufswelten nicht mehr als Shoppingmalls gestaltet werden. Vielmehr versucht man dort, historische Städte nachzubauen – so wie man glaubt, dass sie den Bürgern dort gefallen könnten. Genau eine solche Altstadt haben wir.“

Innerhalb Esslingens gibt es ein Gefälle

Allerdings, auch im schönsten Freilichtkaufhaus der Region fühlen sich nicht alle Verkäufer gleich wohl, denn das Gefälle zwischen der westlichen und der östlichen Altstadt wird immer größer. Der Westen hat in den vergangenen 15 Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Die Umwandlung der Bahnhofstraße zur Fußgängerzone war nur der erste Schritt, der Bau der Einkaufspassage Das ES ein weiterer wichtiger. In den vergangenen Jahren hat die Stadt nun mit hohen Millionensummen den Bereich rund um den Bahnhof saniert, den Verkehr vom Bahnhofsvorplatz verbannt und auf die Südtangente verlagert und den neuen Zentralen Omnibusbahnhof gebaut.

Als Nächstes steht dort die Überbauung des ehemaligen Güterbahnhofsareals, der sogenannten Neuen Weststadt, an. Bis zu 600 Wohnungen werden dort entstehen und mittelfristig einen weiteren Schub für die westliche Altstadt bringen. Von den Publikumsmassen, die sich allsamstäglich durch die Bahnhofstraße schieben, können die Einzelhändler jenseits der Ritterstraße nur träumen. Die Küferstraße und die pittoresken Gassen rund um den Ottilienplatz drohen immer mehr ins Abseits zu geraten. Alle Bemühungen, die Situation der dort meist inhabergeführten Geschäfte zu verbessern, sind bisher gescheitert. Vielleicht könnte die Umwandlung der Ritterstraße in eine Fußgängerzone die Situation im Osten verbessern. Doch den Mut, eine solche verkehrstechnisch einschneidende Maßnahme zu beschließen, fehlt den Verantwortlichen momentan noch. Stattdessen gibt es für die Betroffenen Workshops, in denen über eine neue Möblierung der Küferstraße gesprochen wird . . .

OB Zieger setzt auf Magnetwirkung der Esslinger Weststadt

Auch Jürgen Zieger setzt weiterhin auf die Stärkung der westlichen Altstadt. Dort müsse man – auch mit der Überbauung des Karstadtparkplatzes – die eigentliche Magnetfunktion für Esslingen entwickeln. Davon werden dann, so prophezeit er, auch die Einzelhändler im Osten profitieren. Diese müssten eine andere Funktion innerhalb des Kaufhauses Esslingen übernehmen. Zieger: „Gelingen kann das aber nur, wenn die Händler der östlichen Altstadt bereit und sich einig sind, mit großem eigenem Gestaltungswillen die eigene Marke ,Östliche Altstadt‘ zu entwickeln.“ Es müssten aber auch die Grund- und Hauseigentümer bereit sein zu akzeptieren, dass die Ladenmieten im Osten nicht so hoch sein können wie im Westen. Dann allerdings könne sich das Freilichtkaufhaus Esslingen trotz aller Konkurrenz prächtig entwickeln.