Ein Weltkriegsforscher lotst die Kampfmittelbeseitigung zur brenzligen Ladung eines kanadischen Flugzeugs. Zu ihrer Überraschung entdecken die Sprengsatzentschärfer nicht nur eine Bombe, sondern gleich zwei.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Aidlingen - Jörg Mezger hat dem Kampfmittelbeseitigungsdienst eine Überraschung beschert: Nicht nur eine, sondern gleich zwei Bomben sind am Donnerstag beim Aidlinger Ortsteil Deufringen im Wald gefunden worden. Der Hobbyhistoriker hat den Absturzort einer Maschine der kanadischen Air Force lokalisiert, die am 28. Januar 1945 Stuttgart bombardieren sollte. Sie wurde vermutlich von einem Nachtjäger abgeschossen und stürzte mitsamt ihrer brenzligen Ladung ab. „Ich bin erleichtert“, sagte Jörg Mezger nach der Entschärfung, „damit wurde wieder ein Gefahrenpotenzial beseitigt.“ Für den technischen Betriebswirt aus Markgröningen, der in seiner Freizeit Luftkriegsforschung betreibt, war es der erste Bombenfund.

 

Zehn Zentimeter tiefer liegt die zweite Bombe

Rund 30 Zentimeter unter der Erde steckte die erste Bombe, sie wurde gegen 9 Uhr geborgen. Mit einem Bagger war der Kampfmittelbeseitigungsdienst angerückt. Weil das Metallsuchgerät ein weiteres Mal anschlug, wurde weiter gegraben – und nur zehn Zentimeter tiefer kam die zweite Bombe zu Tage. Sie sind britischer Bauart und jeweils 250 Kilogramm schwer. Gegen 10 Uhr waren beide entschärft. Die mechanischen Zünder hätten von Hand ausgebaut werden müssen, erklärt Ralf Vendel, der Leiter des Stuttgarter Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Zuerst müsse der Zünder aufgeschraubt, dann der Detonator aus dem Sprengstoff gezogen werden. „Sie enthalten das sehr reibungsempfindliche Bleiacid, das leicht explodieren kann“, erklärt er die gefährliche Arbeit. In einem Lastwagen sind die Sprengköpfe anschließend zur Kampfmittelbeseitigungsstelle in Sindelfingen transportiert worden.

„Ohne großen Aufwand“ sei die Bombenentschärfung vonstatten gegangen, berichtet Aidlingens Bürgermeister Ekkehard Fauth. Der zwischen Deufringen und Gärtringen gelegene Fundort ist in einem Radius von 300 Meter abgesperrt worden. Ein in der Nähe gelegenes Wochenendgebiet sei evakuiert worden. Dass fast 70 Jahre lang eine Bombe im Gewann Edelberg schlummerte, sei nicht gefährlich gewesen, sagt der Bürgermeister: „Es konnte eigentlich nichts passieren.“ Im Januar 1945 hatten allein in dieser Nacht 600 Maschinen Kurs auf Stuttgart genommen, zehn davon gingen verloren. Bei dem Aidlinger Absturz verloren sechs Kanadier ihr Leben, einer schaffte den Absprung mit dem Fallschirm.

So viele Funde wie noch nie

Der Hobbyhistoriker Jörg Mezger hat noch mehr mögliche Fundorte entdeckt. „Wir werden sie nach und nach mit ihm abgehen“, sagt Ralf Vendel. Es handele sich aber nicht um relevante Orte wie beispielsweise am Freitag, 14. November, im Stuttgarter Westen. Dort tauchte bei Bauarbeiten eine 500-Kilo-Bombe auf. Dieses Jahr hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst bereits zwei Dutzend Sprengsätze mit mehr als 50 Kilogramm geborgen – so viele wie noch nie. Normal seien zwischen drei und sechs Stück im Jahr, erklärt der Leiter.