Hat die EnBW mit zwei Milliarden Euro zu viel für ihre Beteiligung an der Oldenburger EWE bezahlt? Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie deswegen Ermittlungen aufnimmt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Einstieg des Energiekonzerns EnBW beim Oldenburger Versorger EWE im Jahr 2009 beschäftigt nun auch die Justiz. Bereits seit mehreren Monaten prüft die Staatsanwaltschaft Mannheim, ob es beim Erwerb des 26-Prozent-Aktienpakets für etwa zwei Milliarden Euro zu strafrechtlich relevanten Vorgängen gekommen sein könnte. Anlass ist ein anonymes Schreiben eines offenkundigen Insiders, der den Verantwortlichen vorwirft, sie hätten den Anteil bewusst zu einem stark überhöhten Preis gekauft. Bis etwa Pfingsten will die Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität einem Sprecher zufolge entscheiden, ob sie förmliche Ermittlungen – etwa wegen eines Verdachts auf Untreue – aufnimmt.

 

Das Ergebnis der Prüfung dürfte auch die Landespolitiker interessieren. In der grün-roten Regierungskoalition wird die EWE-Beteiligung nämlich äußerst kritisch gesehen. Der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hatte sie im Herbst im Landtag als schlechtes Geschäft gerügt und die Verantwortung dafür dem EnBW-Vorstandschef Hans-Peter Villis und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Claus Dieter Hoffmann gegeben. Anlass seiner Attacke waren massive Differenzen zwischen EnBW und EWE um den 48-Prozent-Anteil der Oldenburger am Leipziger Gasunternehmen VNG sowie einen möglichen Rückkauf der Anteile nach dem Wiedereinstieg des Landes in Karlsruhe.

Finanzvorstand Kusterer war damals Projektleiter

In dem anonymen Schreiben wird behauptet, die Beteiligten hätten gewusst, „dass der Kaufpreis in erheblichem Maß den Wert der Anteile überstieg“. Die zunächst realistische interne Bewertung der EWE sei so angehoben worden, dass das Ergebnis den überhöhten Preisvorstellungen der EWE-Eigner entsprochen hätte. Projektleiter sei damals der heutige Finanzvorstand Thomas Kusterer gewesen.

Bei der Bilanzpressekonferenz der EnBW im März bestätigte Kusterer auf StZ-Frage, dass er seinerzeit einer von zwei Projektleitern gewesen sei. „Wir haben damals sehr transparent dargestellt . . ., wie sich die Wertkomponenten zusammensetzen“, sagte er. Letztlich sei es eine Entscheidung des Vorstandes und des Aufsichtsrates gewesen, „den Erwerb zu genehmigen und durchzuführen“.

Kusterer, der seit einem Jahr Finanzvorstand ist, war damals Generalbevollmächtigter Finanzen. Wer zweiter Projektleiter war, wollte die EnBW nicht mitteilen. Begründung: es habe sich um einen „Konzernmanager ohne Organfunktion“ gehandelt. Für das vergangene Jahr hatte die EnBW Abschreibungen von knapp 400 Millionen Euro auf den EWE-Anteil vorgenommen. Die EWE selbst wies für 2011 einen Verlust von 280 Millionen Euro aus.

Villis hoffte auf Durchbruch im Gasgeschäft

Die Beteiligung an EWE war Villis besonders wichtig, weil er über die VNG einen Durchbruch bei seiner Gasstrategie erhoffte – eine Erwartung, die sich bis heute nicht erfüllt hat. Deswegen habe der Vorstandschef unbedingt den Zuschlag bekommen wollen, heißt es im Unternehmen. Auch die damals noch eigenständige Gaz de France (GdF) sei an dem Anteil interessiert gewesen, soll aber von EnBW überboten worden sein. Den Preis von gut zwei Milliarden Euro bezahlten die Karlsruher zum Teil für Aktien, zum Teil für eine Kapitalerhöhung.

Nach StZ-Informationen aus unternehmensnahen Kreisen bereitete es EnBW-intern große Mühe, den Kaufpreis zu rechtfertigen. Trotz überaus optimistischer Annahmen sei immer noch eine Bewertungslücke im dreistelligen Millionenbereich geblieben. Daraufhin sei der Auftrag ergangen, die Lücke durch neue Berechnungen zu schließen; so seien etwa Geschäftszahlen der EWE weit in die Zukunft fortgeschrieben worden. Ein Mitarbeiter, der dagegen Bedenken erhob, soll das Unternehmen später verlassen haben. Zu diesem Vorgang gab es von der EnBW keine offizielle Stellungnahme.

Bauchschmerzen wegen des hohen Preises

Auch die Vertreter der Electricité de France (EdF), die damals noch Großaktionär war, sollen Bedenken gegen den Preis gehabt haben. Sie hätten dem Beteiligungserwerb „nur unter Bauchschmerzen zugestimmt“, heißt es. In der Energiebranche war der Preis für das EWE-Paket allenthalben als hoch eingestuft worden. Der frühere EnBW-Finanzvorstand Rudolf Schulten soll intern später darauf gedrungen haben, erhebliche Abschreibungen auf die Beteiligung vorzunehmen. Er konnte sich jedoch nicht durchsetzen und verließ den Stromkonzern nach nur einem Jahr.

Sein Nachfolger Kusterer zerstreut derweil auch in der Landespolitik kursierende Sorgen, es könne wegen EWE weitere Belastungen geben: Über die aktuellen Abschreibungen hinaus sehe er keinen weiteren Bedarf, sagte er im März.