Die Stadt Stuttgart will den geplanten Aldi im Gewerbegebiet verhindern. Deshalb soll das Baurecht geändert werden.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Wolfgang Stierle ist stinksauer. Vor zwei Jahrzehnten hat der Plieninger ein Grundstück im Gewerbegebiet Entenäcker gekauft. In den vergangenen Jahren lag es die meiste Zeit brach, sagt Stierle. Nun hat eine große Lebensmittel-Kette Interesse an der Fläche bekundet: Aldi Süd möchte sie pachten.

 

Von einem Mitarbeiter des Baurechtsamts habe er mündlich erfahren, dass formal nichts gegen dieses Vorhaben spreche, erzählt Stierle. Nun will ihm die Stadt Stuttgart allerdings doch einen Strich durch die Rechnung machen. „Ich finde es fies von der Stadt, dass sie so vorgeht“, sagt Stierle.

Die Verwaltung arbeitet seit Kurzem an einem „Abwehr-Bebauungsplan“, wie es der städtische Wirtschaftsförderer Martin Armbruster nennt. Anlass seien eben die Absichten von Aldi. Im Januar hatte die Kette den Bau eines Ladens mit 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche beantragt. Standort wäre das Grundstück im Zwickel der Straße „In den Entenäckern“ und der Mittleren Filderstraße.

Aldi würde auch kleiner bauen

Weil ein Laden dieser Größe in dem Plieninger Gewerbegebiet nicht zulässig ist, hat der Discounter seine Platzansprüche reduziert. Die Entenäcker sollten schon immer eher eine Heimstatt kleiner Gewerbetreibender sein. Aldi will sich deshalb mit einer Ladenfläche von 800 Quadratmetern begnügen. „Die waren wirklich sehr kompromissbereit“, sagt Stierle. Kunden sollen die Möglichkeit haben, in einer Tiefgarage zu parken. So weit die Pläne. Dass sie jemals Wirklichkeit werden, ist mittlerweile mehr als ungewiss.

Am Dienstag, 23. April, haben die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt und Technik beschlossen, das Baurecht für die Entenäcker zu ändern. Dies ist vor allem ein Trick der Verwaltung, um Zeit zu gewinnen. „Wir mussten schnell reagieren“, erklärte die Stadtplanerin Kornelia Kerber am vergangenen Montag bei ihrem Besuch im Plieninger Bezirksbeirat. In ihrer jüngsten Sitzung am Montag, 22. April, haben sich die Lokalpolitiker ebenfalls mit den Plänen für die Entenäcker befasst. Die Debatte war hitzig.

Es verläuft ein Graben durchs Plieninger Gremium – quer durch die Fraktionen. Die einen beglückwünschen die Stadt zu ihrem Kontrollstreben. Würde die Verwaltung tatenlos zusehen, wie sich Discounter im Gewerbegebiet niederlassen, wären viele Läden in der Ortsmitte wohl bald Geschichte, argumentieren sie. Der Anfang vom Ende ist bereits an der Filderhauptstraße zu besichtigen: Dort stehen seit geraumer Zeit mehrere Geschäfte leer.

Kritik an der Einmischung

Die Gegenredner kritisieren derweil, dass sich die Stadt in Angelegenheiten der freien Marktwirtschaft einmische. Zumal der Nutzen fraglich sei. „Ich sage euch: In zehn Jahren ist die Filderhauptstraße tot“, sagte beispielsweise Folker Baur, der an der Plieninger Hauptstraße ein Geschäft betreibt. „Die meisten dort sind schon am Existenzminimum.“ Es sei ein riesiger Fehler, Aldi zu vergrätzen.

Noch verkauft Netto Lebensmittel an der Filderhauptstraße. Dies dürfte eher an einem Deal als an der Wirtschaftlichkeit des Standorts liegen. Dass Netto – damals noch Plus – vor fünf Jahren in den Entenäckern bauen durfte, war an eine Bedingung geknüpft: Der Laden im Zentrum muss bestehen bleiben. Diese Absprache gilt bis 2017; derzeit versuchen die städtischen Wirtschaftsförderer auszuloten, wie die langfristigen Pläne von Netto sind.

Klar ist, dass die Stadt Stuttgart neben dem Netto-Markt in den Entenäckern keinen weiteren Supermarkt dulden will. Nach den geltenden Vorgaben wäre ein 800-Quadratmeter-Aldi allerdings zulässig. Deshalb soll nun am Baurecht gedreht werden. Dass der Ausschuss für Umwelt und Technik mit seiner Entscheidung eine Änderung des Baurechts eingeleitet hat, erlaubt es der Stuttgarter Stadtverwaltung, eine Veränderungssperre zu verhängen.

Ein Plan gegen das Ladensterben soll her

Anschließend soll in Ruhe ausgetüftelt werden, was gegen das Ladensterben im Zentrum Plieningens helfen würde. „Wir wollen nicht, dass der Bereich im Zentrum den Bach runtergeht“, erklärte die Stadtplanerin Kornelia Kerber den Bezirksbeiräten.

„Wir müssen schauen, wie wir Plieningen ertüchtigen“, sagt auch der Wirtschaftsförderer Armbruster. Der Fokus liege dabei auf dem Ortskern und nicht auf den Gewerbegebieten. Anders als so mancher Ladenbesitzer sieht Armbruster die Zukunft nicht gar so düster: „Ich finde, man sollte Plieningen nicht schlechtreden.“

Wolfgang Stierle, der Grundstückseigner, ist enttäuscht. „Ich finde es jammerschade“, sagt er. „Die Stadt sollte die Plieninger fragen, was sie wollen.“ Er ist überzeugt, dass die Mehrheit für einen Aldi wäre. In der Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Aldi wird wahrscheinlich einen Rechtsstreit gegen die Stadt Stuttgart führen“, sagt Stierle. Schließlich habe Aldi bereits in den Standort investiert. So sind wegen der geplanten Tiefgarage Bodenproben entnommen worden.