Die City-Managerin Bettina Fuchs ist einen Tag nach der offiziellen Absage des ersten verkaufsoffenen Sonntags in der Stuttgarter Innenstadt seit zehn Jahren außer sich.

Stuttgart - Alles war auf Seiten des Einzelhandels organisiert, geplant und bereits finanziert. Doch nun hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht: Der verkaufsoffene Sonntag am 2. Oktober in der Stuttgarter Innenstadt findet nicht statt. Die City-Initiative Stuttgart (CIS) hat das Projekt nach einem Widerspruch seitens Verdi aus Furcht vor einem Rechtsstreit und dem einhergehenden finanziellen Risiko abgesagt.

 

Was sich nach einem rein formalen Akt anhört, ist tatsächlich von starken Emotionen begleitet. City-Managerin Bettina Fuchs ist einen Tag nach der offiziellen Absage des ersten verkaufsoffenen Sonntags in der City seit zehn Jahren außer sich. „Ich bin total verärgert“, sagt sie und holt zum verbalen Gegenschlag aus: „Ich habe den Verdacht die Gewerkschaft macht dies nur aus Publicity-Gründen.“

Fuchs kann die Argumente und Beweggründe von Verdi nicht nachvollziehen. Die Arbeitnehmervertreter geben vor, sie kämpften gegen eine Ausweitung der Sonntagsarbeit. 33 verkaufsoffene Sonntage im Jahr 2016 im Stadtkreis Stuttgart seien zu viel. „Die Verkäuferinnen ächzen unter dieser Zusatzbelastung“, sagte Christina Frank, die für Einzelhandel zuständige Fachfrau bei Verdi Stuttgart.

Diese Feststellung bringt Fuchs auf die Palme: „Wir reden von einer einmaligen Sache und von fünf Stunden Arbeit. Hier wird keiner gezwungen zu arbeiten.“ Nach Erfahrungen der Citymanagerin begrüßten sogar viele Verkäufer die Sonntagsarbeit, „weil sie es als willkommenes Zubrot sehen.“ Daher stellt Fuchs spitz die Frage: „Sind der Gewerkschaft die Arbeitnehmer in den umliegenden Landkreisen weniger wert?“

Hintergrund der Frage ist folgende Statistik zu den verkaufsoffenen Sonntagen in der Region: Dort sind es 27 im Landkreis Böblingen, 31 im Landkreis Esslingen, 22 im Landkreis Göppingen, 34 im Landkreis Ludwigsburg sowie 25 im Landkreis Rems-Murr. Damit sieht sich Fuchs bestätigt, dass es der Gewerkschaft nur darum gehe, sich auf Kosten der Landeshauptstadt zu profilieren.

Dicker finanzieller Schaden entstanden

Apropos Kosten: Durch die kurzfristige Absage sei ein finanzieller Schaden in „einer dicken sechsstelligen Summe entstanden“. Ebenso so schlimm sei jedoch der Imageschaden für die Stadt: „Das Vorgehen von Verdi ist eine grob fahrlässige und massive Beschädigung des Einzelhandels.“

Zudem habe die Dienstleistungsgewerkschaft den Arbeitnehmern somit einen Bärendienst erwiesen: „Dies trägt zur weiteren Abwanderung im stationären Handel bei und wird dem Online-Handel noch mehr Bestätigung und Aufschwung bescheren. Es trägt langfristig zur systematischen Vernichtung der Arbeitsplätze im Handel bei.“

Bei Händlern, der Stadt Stuttgart und der City-Initiative stößt der Zeitpunkt des Widerspruchs gegen die Sonntagsöffnung auf Unverständnis. „Warum jetzt?“, fragt Fuchs, „bereits im Herbst 2015 wurde Verdi angehört, im November 2015 wurde von der Stadt die Allgemeinverfügung veröffentlicht.“ Es sei ihr ein Rätsel, dass nach nunmehr über neun Monaten und etlichen stattgefundenen verkaufsoffenen Sonntagen dieser „Feldzug“ der Gewerkschaft losgetreten wurde.

Bei einem Kirchenvertreter sollte die Absage des verkaufsoffenen Sonntags normalerweise uneingeschränkte Zustimmung finden. Doch der evangelische Stadtdekan Sören Schwesig erlaubt sich im konkreten Fall eine differenzierte Meinung. „Als Theologe bin ich grundsätzlich der Meinung, dass man die Sonntage freihalten sollte. Wir brauchen in dieser stark durchökonomisierten Gesellschaft Rückzugsorte.“ Gleichzeitig kennt Schwesig die Sorgen und Nöte der Stuttgarter Einzelhändler. „Daher schlägt ein zweites Herz in meiner Brust“, sagt er, „wir selber schlagen doch durch unsere Einkäufe im Internet Sargnägel in die Innenstadt, die in ihrer Vitalität und Attraktivität vom stationären Handel leben.“ Daher verfolge er die Diskussion und die Absage des offenen Sonntags in der Stadt „mit einem Gefühl der Zerrissenheit“.

Daran knüpft Bettina Fuchs an. Sie pocht auf die Notwendigkeit solcher Veranstaltungen für den Handel. „Es ist nicht mehr so, dass man die Ladentür aufmacht und die Leute strömen herein“, sagt sie. Stattdessen müsse sich der Einzelhandel inszenieren. Das Rad lasse sich aus ihrer Sicht nicht mehr zurückdrehen: „Die Eventisierung des Handels ist Tatsache. Es geht den Leuten doch längst nicht mehr nur um Bedarfsbefriedigung. Shoppen ist ein Freizeitvergnügen. Dem muss man Rechnung tragen.“ Überdies fordert die City-Managerin für die Zukunft einen einheitliche Regelung zu den Sonntagen auf Bundesebene: „Es kann nicht sein, dass jedes Bundesland anders regelt.“

Abschließend ließ sich Bettina Fuchs jedoch ein Hintertürchen offen. Sollte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi den ebenfalls vom Widerspruch betroffen Stadtteilen die Sonntagsöffnung erlauben, werde sie reagieren: „Sobald die Gewerkschaft das macht, werden wir auch den verkaufsoffenen Sonntag in der Innenstadt kurzfristig wieder anberaumen.“