Zwischen Marktplatz und dem im Bau befindlichen Dorotheenquartier von Breuninger hat sich eine Insel der Premiumgeschäfte etabliert. Im kommenden Jahr wird sich noch einmal einiges verändern.

Stuttgart - Im Angesicht der Stiftskirche hilft oft auch ein Gebet nicht weiter. Zumindest dann, wenn es darum geht, den eigenen Geldbeutel zu schonen: Im Umfeld des Gotteshauses tummeln sich Nobelmarken wie Montblanc und Escada, Uli Knecht und Hugo Boss. In seinen Schaufenstern präsentiert Louis Vuitton die passenden Handtaschen zum Weihnachtsbummel – die Taschen werden wie in einem Museum inszeniert und beleuchtet. Nur die vierstelligen Preistäfelchen ganz weit unten könnte man leicht übersehen.

 

In Stuttgart ist der Einzelhandel durch die beiden neuen Shoppingmalls Gerber und Milaneo gewaltig in Bewegung geraten. Das Aus von Karstadt steht bereits fest, weitere Häuser werden folgen. In Blickweite des Kirchturms aus dem 15. Jahrhundert versuchen sich unterdessen einige Einzelhändler mit dem „Anti-Milaneo“-Modell: Klasse statt Masse, teuer statt billig. Stuttgarts Edelshoppingmeile erstreckt sich von der Sporer-, über die Stift- bis zur Kienestraße. Die Eckpfeiler des nicht ganz günstigen Einkaufens bilden auf der einen Seite das Kaufhaus Breuninger – auf der anderen Seite der Feinkost Böhm.

Entwicklung der vergangenen zehn Jahre

„Die Ecke war schon immer von hochwertigen Läden geprägt“, erklärt Michael Bräutigam, der Geschäftsführer der Gewerbemakler Colliers. Kaum einer kennt die Handelslandschaft in Stuttgart so gut wie er. Doch in den vergangenen Jahren habe sich das Luxussegment dort nochmals deutlich weiter entwickelt, sagt Bräutigam. Die Ansiedlung von Louis Vuitton fällt beispielsweise in diese Zeit. Die Edelmarken suchen nach Meinung der Makler gezielt die gegenseitige Nachbarschaft. Und: „Es ist gut, dass es auch dieses hochwertige Angebot in der Stadt gibt“, so Bräutigam.

Hinter dem Kaufhaus Breuninger wühlen sich die Baggerschaufeln in den Untergrund. Breuninger investiert nach eigenen Angaben mehr als 200 Millionen Euro in den Bau des Dorotheenquartiers am Karlsplatz. Wenn 2016 hier eröffnet wird, könnte das Quartier auf das ganze Viertel ausstrahlen. „Das wird das Bild von Stuttgart noch einmal deutlich verändern“, sagt Dorothee Merz, die Geschäftsführerin von Merz & Benzing in der Markthalle. „Durch die Baustellenzeit müssen wir durch.“

Die Mieten sind ein Problem

Dorothee Merz gehört mit ihrem Geschäft zu jenen Stuttgarter Traditionsläden, ohne die sich viele die Innenstadt nicht vorstellen können. Und doch findet seit Jahren eine harte Auslese statt, der zuletzt das Schreibwarengeschäft Haufler am Markt zum Opfer fiel. Merz sieht starke Kräfte walten, die vielen Geschäftsinhabern Sorgen machen: „Die Mietpreise sind ein Problem, ich bedauere es sehr, dass es das Café Scholz nicht mehr gibt. Und wenn ich an die Entwicklung des Onlinehandels denke, wird mir auch ganz heiß.“ Der Wettbewerb im Einzelhandel wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen – und neben vielen anderen Geschäften erhofft sich auch Merz & Benzing, dass die künftig dank Breuninger noch stärker aufpolierte Edelmeile im Verbund gegen die neuen Konkurrenten bestehen wird.

Eines der traditionsreichsten Geschäfte der Stadt bildet quasi den Eingang in diese Luxuswelt. Tritschler sitzt seit 1723 am Marktplatz und verkauft heute hochwertiges Geschirr, Gläser und Kochgeräte. Die Firma hat sich in knapp 300 Jahren vom Glashändler aus dem Schwarzwald zu einem Einrichtungshaus der Oberklasse entwickelt. Einer der Vorteile des Traditionsbetriebs: „Wir sitzen am Marktplatz in der eigenen Immobilie“, sagt Thomas Breuninger, der geschäftsführende Gesellschafter bei Tritschler. An der Königstraße sei man jedoch auch Mieter, erklärt er. Und auch Tritschler hat zum Wandel unter dem Turm der Stiftskirche beigetragen. Während sich die Schaufenster mit Küchengeräten vor zehn Jahren noch vom Marktplatz bis an den Eingang der Stiftstraße zogen, residiert auf einem Teil der Fläche inzwischen das Luxus-Label Escada.

Der Wandel geht weiter

Dabei kommt es rund um die Stift- und Sporerstraße nicht allein auf die Zahl möglicher Kunden an. Eine Studie des Bankhauses Ellwanger & Geiger zeigt, dass auf der Königstraße in der Nähe des Schlossplatzes stündlich bis zu 10 000 Passanten unterwegs sind, in der Schulstraße bis zu 6000. Auf solche Werte bringt es das Sträßchen am Fuße der Stiftskirche nicht, dafür shoppt dort – bestenfalls – kaufkräftige Kundschaft. Die Marke Longchamp verkauft seit Anfang Juli in der Stiftstraße unter anderem Taschen und Schuhe. Neben den Stuttgarter Besserverdienenden setzt Longchamp laut der Mitarbeiterin Regina Schmidt auch auf asiatisches Publikum. „Das sind Leute, die beispielsweise bei Daimler oder Bosch in Stuttgart Schulungen machen. „Die kaufen hier in Stuttgart ein, weil das Sortiment hier billiger ist als in Mailand oder in Singapur.“

Im kommenden Jahr wird sich die Stuttgarter Luxusmeile weiter verändern. Das Gebäude Stiftstraße Nummer 5 wird derzeit aufwendig umgebaut. Der Herrenausstatter Eckerle will im Herbst die Königstraße verlassen und mutmaßlich unter dem Namen Hirmer dort einziehen, wo bislang die Marken Lacoste und Diesel zu Hause waren. Zur Begründung heißt es, man wolle sich künftig hochwertiger präsentieren. Dazu passe es, den alten Namen und den Standort Königstraße hinter sich zu lassen und an die Stuttgarter Edelmeile zu ziehen.

Stuttgarts Ecke für den gehobenen Einkauf