Auf die Konkurrenz durch den wachsenden Umsatz im Onlinehandel reagieren auch die Stuttgarter Einzelhändler. Unternehmen wie Breuninger setzen darauf, ihr Onlinegeschäft mit dem stationären Handel zu verzahnen, um keine Kunden an reine Internethändler zu verlieren.

Stuttgart - Die Kunden stellen sich schneller um als mancher Händler. Längst ordern auch viele über 50-Jährige Kleidung und Bücher im Internet. Mit dem sich verändernden Kaufverhalten müssen die Stuttgarter Einzelhändler umgehen. Citymanager Hans Pfeifer geht davon aus, dass die stationären Geschäfte immer mehr zum Showroom werden und Einzelhändler einen wachsenden Teil des Umsatzes online erwirtschaften.

 

Dem Bundesverband des deutschen Versandhandels (BVH) zufolge wächst der Anteil des Online- und Versandgeschäftes am Einzelhandel. Waren es laut BVH 2008 mit 28,6 Milliarden Euro noch 7,2 Prozent des Einzelhandelsvolumens, stieg der Anteil im Jahr 2012 mit 39,3 Milliarden Euro auf 9,2 Prozent. Der Onlinehandel macht dabei zwei Drittel des Umsatzes aus. Auch in der Region Stuttgart kaufen die Menschen laut einer Erhebung zur Kaufkraft der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) verstärkt im Internet ein.

Die Unternehmen Breuninger und Wittwer bestätigen, dass der Onlinehandel für sie an Bedeutung gewinnt. „Wenn man auf diesen Kanälen nicht mitspielt, dann geht einem ein gewisser Kundenkreis verloren“, sagt Olaf Geyer, bei Wittwer für Marketing und Vertrieb verantwortlich. Wittwer kommt im Internet die Bekanntheit in der Region zugute. Die größte Kundengruppe des E-Shops, so Geyer, stamme aus einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern um Stuttgart. Diesen regionalen Fokus hat Breuninger nicht. „Wir sind im Onlinegeschäft bundesweit sehr aktiv, wir haben aber auch das Marketing für den Onlineshop bundesweit ausgerichtet“, sagt der Breuninger-Sprecher Christian Witt.

Händler von Nischenprodukten profitieren

Die Bekanntheit eines Unternehmens ist auch im Internet wichtig, Ausnahme sind die Händler von Nischenprodukten. Sie profitieren von der großen Reichweite des Internets, weil Kunden ihre Produkte oft nirgendwo anders bekommen. „Da trägt der Onlineverkauf sogar manchmal das stationäre Geschäft“, sagt Tanja Laabs, die bei der hiesigen IHK Unternehmen beim Entwickeln einer Onlinestrategie berät.

Welchen Anteil am Gesamtumsatz das Onlinegeschäft ausmacht, darüber schweigt man bei Wittwer wie bei Breuninger. Gemessen an dem Aufwand mit dem zum Beispiel Breuninger seinen 2008 eröffneten Internetshop sowie seine Facebook- und Instagram-Seite betreibt, lässt sich jedoch ermessen, dass man dem Geschäftszweig hohe Bedeutung beimisst. Vor kurzem ist das Unternehmen zudem dazu übergegangen, die verschiedenen Verkaufskanäle besser miteinander zu vernetzen. Kunden können zu Hause bestellen, die Ware im Geschäft abholen und sich so zum Beispiel die Versandkosten sparen.

Andere Unternehmen steigen erst in den Onlinehandel ein. Spielwaren Kurtz plant dies zum Beispiel in der nahen Zukunft. Nachdem die Verlagerung des stationären Geschäfts vom sanierungsbedürftigen Gebäude am Marktplatz an die Sporerstraße beschlossen ist, will sich Geschäftsführer Bernd Stocker auf das nächste Projekt konzentrieren. Bis zum Herbst will Spielwaren Kurtz seinen Internetauftritt überarbeiten und einen Onlineshop anbieten. „Das Kerngeschäft wird der stationäre Handel bleiben. Wir wollen und werden aber auf die wachsende Bedeutung des Internets reagieren“, sagt Stocker.

Lieferdienste schließen die Lücke mangelnder Nahversorgung

Dass die Stuttgarter Einzelhändler die Konkurrenz im Internet ernst nehmen müssen, sieht auch Citymanager Hans Pfeifer. Was für ihn nicht heißt, dass die Königstraße an Bedeutung verlieren wird. Das Einkaufserlebnis dort sei im Internet nicht zu haben. „Die Innenstadt wird auch in 15 Jahren ein spannender Ort zum Einkaufen sein“, sagt Pfeifer. Entsprechend sei es positiv, dass die Stadt in das Wegenetz im Zentrum investiere. Im Gegenzug müssten aber auch die Händler das Marketing der City ernster nehmen, schließlich hätten sie in Stuttgart neben dem Onlinehandel auch Konkurrenz durch neue Einkaufszentren.

Von der wachsenden Zahl an Verkaufsflächen profitieren viele Menschen, die in den Randbezirken Stuttgarts leben, nicht. Immerhin 20 Prozent müssen mehr als einen Kilometer zum nächsten Nahversorger zurücklegen. Je mehr Händler sich aus diesen Quartieren zurückziehen, desto stärker wachsen Firmen wie der Stuttgarter Lieferladen.de. Von seinem Standort am Wangener Großmarkt aus beliefert das Unternehmen von Eberhardt Weber das ganze Stadtgebiet mit Lebensmitteln. Vor allem Berufstätige und Menschen, die nicht mehr so mobil sind, gehören zu den Kunden. „Wir haben überdurchschnittlich viele Kunden, die 50, 60 Jahre und älter sind“, sagt Eberhardt Weber.

Die Präsenz im Internet wird wichtiger

Kaufkraft
: Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in der Region Stuttgart lag im Jahr 2011 nach Auskunft der IHK Stuttgart bei rund 15,7 Milliarden Euro. Davon wurden 1,8 Milliarden Euro außerhalb der Region, vor allem aber im Online- und Versandhandel ausgegeben – Tendenz weiter steigend.

Produkte:
Im Dienstleistungssektor werden vor allem Flüge und Urlaubsreisen verkauft. Bei Waren liegt die Kleidung vorn. Je beratungsintensiver ein Produkt ist, desto schwerer hat es ein Onlinehändler.

Bestellwege:
60 Prozent aller Kunden von Versand- und Onlinehändlern bestellen direkt im Onlineshop des jeweiligen Anbieters, heißt es beim Verband des Versandhandels. Die Generation 60 plus ausgenommen, informieren sich die meisten Kunden direkt im Onlineshop eines Händlers über die Produkte. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass im Internet präsente Einzelhändler ihr Onlineangebot bewerben.