In vielen Städten in der Region werden fraktionslose Räte in die Ausschussarbeit eingebunden, auch wenn sie eigentlich keinen Anspruch darauf hätten. Im Göppinger Kreistag dagegen ringt man noch immer um eine pragmatische Lösung.

Göppingen - Wolfgang Rapp hätte viel zu sagen. Zur Göppinger Müllpolitik, zu den Kreiskliniken oder zum drängenden Flüchtlingsproblem fiele dem Fraktionschef der Kreistags-CDU eine ganze Menge ein. Ob aber der Einzelkreisrat der Linken, Christian Stähle, künftig im Sozialausschuss mitreden sollte, dazu ist Rapp jedes Wort zuviel: „Kein Kommentar“, sagt der Geislinger. Seine Kollegen bei den Freien Wählern, der SPD und den Grünen geben sich nicht gar so kurz angebunden. Genug haben sie von dem Thema aber auch. Seit Juni diskutiere man über nichts anderes, dabei gebe es wahrlich Wichtigeres, betonen die Fraktionschefs Werner Stöckle (FW), Susanne Widmaier (SPD) und Martina Zeller-Mühleis (Grüne).

 

Sie favorisieren folgende Lösung: Stähle könnte an den Sitzungen des Sozialausschusses teilnehmen und dürfte sich zu Wort melden. Der Landrat Edgar Wolff würde ihm als sachkundigem Bürger das Wort erteilen – genauso, wie er dann künftig anderen Kreisräten, die in anderen Kreistagsausschüssen als Gäste dabei seien, auf deren Wunsch hin ebenfalls das Wort erteilen würde. „Sachkundige Bürger sind Kreisräte allemal“, sagt Wolff, „das wäre eine pragmatische Lösung.“ Allerdings: „Wir müssten uns darüber einig sein.“ Ob diese Einigkeit erreicht werden kann, ist immer noch fraglich.

Die CDU macht nicht mit

Christian Stähle wäre zwar einverstanden. Aber nur dann, wenn diese Vereinbarung auch schriftlich fixiert würde, etwa in einem Protokoll, in einer Aktennotiz – was dem Vernehmen nach der CDU nicht schmeckt. Wie berichtet, steht dem Linken-Politiker nach dem Auszählungsverfahren kein Sitz in Kreistagsausschüssen zu. Der Einzelkämpfer hat aber bekundet, dass er gerne im Sozialausschuss, der nur vier Mal pro Jahr tagt, mitreden möchte. Die Fraktionen hatten sich im Sommer bereits darauf verständigt, Stähle als Gast mit Rederecht einzubinden. Doch dann wurde das Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) eingeschaltet. Die Aufsichtsbehörde signalisierte: so geht es nicht.

Dabei geht vieles. Es ist kein Geheimnis, dass das RP vieles akzeptiert – solange sich die kommunalen Politiker vor Ort einigen und nicht permanent die Aufsichtsbehörde als Streitschlichter brauchen. Im Kreis Esslingen haben die zwei Republikaner im Kreistag Stimm- und Rederecht im Jugendhilfeausschuss sowie im Ausschuss für Umwelt und Technik, obwohl das Duo bei der Verteilung leer ausgegangen wäre. Unter den 25 Großen Kreisstädten in der Region Stuttgart verfahren Herrenberg (Kreis Böblingen), Nürtingen, Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen), Fellbach, Waiblingen (Rems-Murr-Kreis), Ditzingen und Ludwigsburg ebenso.

Auch anderswo gibt es Nervensägen

In Ludwigsburg haben die FDP und die Linke je auf einen Sitz verzichtet, damit ein Republikaner und die so erfahrene wie streitbare Lubu-Rätin Elga Burkhardt in einem Ausschuss vertreten sein können. Auch Burkhardt hat sich in der Vergangenheit – wie Christian Stähle – gern an das Regierungspräsidium gewandt, wenn sie mit ihrer Stadtverwaltung über Kreuz lag. Dass die Stadträtin, die im Ludwigsburger Gemeinderat fast schon zum Inventar gehört, ihren Platz behält, war dennoch unstrittig.

Im Ludwigsburger Kreistag bekommen Einzelkämpfer immerhin einen Gaststatus: In der vorigen Legislatur hatte die Linke ein Rederecht. So verfährt auch die Regionalversammlung. Dort haben sich die Fraktionen darauf verständigt, dem Republikaner-Regionalrat Ulrich Deuschle als Einzelkämpfer in Ausschüssen mitreden, aber nicht abstimmen zu lassen. Für diese Linie haben sich auch die Gemeinderäte von Kirchheim/Teck, Ostfildern (Kreis Esslingen) und Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) entschieden.

Ein Ausgeschlossener will nicht betteln

So versucht die große Mehrheit der Kommunalparlamente, ihre Einzelkämpfer einzubinden. Demgegenüber halten sich nur wenige, in denen sich das Problem nach der Gemeinderatswahl im Mai stellte, strikt an das Auszählungsergebnis – Esslingen, Sindelfingen (Kreis Böblingen) und Backnang im Rems-Murr-Kreis. Dort hat Wolfgang Schwalbe von der Unabhängigen Bürgervereinigung nicht nur seinen Kompagnon, sondern auch seinen langjährigen Sitz im Technischen Ausschuss verloren. „Ich habe aber auch nicht um einen Sitz gebettelt“, sagt Schwalbe: „Wenn ihr nicht wollt, dann will ich halt auch nicht.“

Der Göppinger Christian Stähle will – und hat auch schon eine Drohung parat. Als Kreisrat hat er das Recht, zu jedem Tagesordnungspunkt in jedem Ausschuss einen Antrag zu stellen. Solche Anträge darf er auch persönlich vortragen und begründen. Wenn er dies konsequent nutzen würde, wäre dies um einiges öfter als die vier Mal im Jahr, die der Sozialausschuss tagt.

Die vier Varianen des Regierungspräsidiums

Nach Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart gibt es für den Göppinger Konflikt vier rechtmäßige Varianten.

Der Kreistag könne den Einzelrat per Beschluss zum ordentlichen Ausschussmitglied inklusive Stimm- und Rederecht bestellen.

Alternativ könne Christian Stähle als sachkundiger Kreisbürger widerruflich beratend in den Ausschuss aufgenommen werden. Mitabstimmen dürfte der Linke-Politiker dann zwar nicht. Aber er hätte ein Rederecht.

Den sachkundigen Bürger Stähle könnte man auch zu Beratungen einzelner Themen einladen und ihm nur für diese Tagesordnungspunkte ein Rederecht einräumen.

Zuhören ist grundsätzlich allen Kreisräten in allen Ausschüssen erlaubt. Zu melden haben sie als bloße Zuhörer indes nichts.