In Deutschland droht der Schienenverkehr kaputt gespart zu werden, warnt die Allianz pro Schiene. Selbst rezessionsgeplagte europäische Länder investieren pro Kopf mehr in ihr Eisenbahnnetz als Deutschland.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Deutschland steckt viel weniger Geld in sein Schienennetz als andere Länder und rangiert im internationalen Vergleich weit hinten. Das zeigt eine neue Studie der renommierten Beratungsfirma SCI Verkehr und des Bündnisses Allianz pro Schiene. Spitzenreiter Schweiz investiert pro Kopf fast sieben Mal mehr als Deutschland.

 

Mit 349 Euro pro Bürger lässt sich die Alpenrepublik mit weitem Abstand ihren attraktiven Bahnverkehr am meisten kosten. Auf Platz zwei folgt Österreich, das im vorigen Jahr 258 Euro pro Einwohner in die Schieneninfrastruktur steckte. In Deutschland waren es dagegen nur 51 Euro. Damit drohe die Bundesrepublik den Anschluss in Europa zu verpassen, kritisiert Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

25 Milliarden in den Straßenverkehr

In Deutschland drohe der Schienenverkehr kaputt gespart zu werden, warnt Flege. Bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur setze die Politik viel zu einseitig auf Straßen und den Autoverkehr anstatt auf die umweltfreundliche Bahn, so der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Das zeigten auch die aktuellen Wahlprogramme der Parteien. So wollten CDU und CSU zwar in den nächsten vier Jahren zwar 25 Milliarden Euro zusätzlich in die marode Infrastruktur stecken, doch die Mittel sollten ausschließlich in den Straßenverkehr fließen. „Die Schiene wird nicht einmal erwähnt, das ist schon unfassbar“, kritisiert der Bündnischef.

Flege empfiehlt den Politikern einen Blick in die Nachbarländer. „In der Schweiz, in Österreich und Spanien, aber auch in Skandinavien gibt es klare Konzepte für die nachhaltige Mobilität der Zukunft, daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen", sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Ein Schwerpunkt müsse dabei auf dem Ausbau des klimaschonenden Schienenverkehrs liegen. Die Allianz pro Schiene fordert eine Erhöhung der staatlichen Investitionen in das deutsche Bahnnetz um mindestens 50 Prozent. Die aktuelle Studie untermauert nach Meinung von Flege die Forderung. In Schweden flossen voriges Jahr 151 Euro pro Bürger in die Modernisierung des Bahnnetzes, in den Niederlanden 129 Euro und in Großbritannien 110 Euro. Auch Italien (79 Euro) und Frankreich (63 Euro) lagen deutlich vor Deutschland. Nur das Krisenland Spanien rangiert mit nur 38 Euro pro Kopf unter den betrachteten Ländern hinter der Bundesrepublik, hatte aber in den Vorjahren mit einer Investitionsoffensive das Bahnnetz ausgebaut.

Selbst rezessionsgeplagte Länder investieren mehr

Die europäische Wirtschafts- und Finanzkrise schlage inzwischen auf die staatlichen Schieneninvestitionen durch, konstatiert Lars Neumann von SCI Verkehr. Trotzdem investieren auch rezessionsgeplagte Länder pro Bürger noch mehr Geld in ihre Netze als Deutschland, dessen wirtschaftliche Entwicklung deutlich besser sei. Flege hält dies für einen „alarmierenden Sonderweg“, der leider seit Jahren beschritten werde.

Bereits vor einigen Jahren hatte das Bündnis die Investitionen in das Schienennetz verglichen und für 2008 ähnliche Ergebnisse ermittelt. Auch damals lagen die Schweiz (284 Euro) und Österreich (205 Euro) weit vorne. Aber auch Großbritannien (136 Euro), die Niederlande (105 Euro), Schweden (104 Euro), Spanien (84 Euro) und Frankreich (80 Euro) rangierten deutlich vor Deutschland. Dort waren damals lediglich 47 Euro pro Bürger und Jahr in das Schienennetz geflossen.

Finanzierung soll Deutsche Bahn übernehmen

„In der deutschen Verkehrspolitik fehlen ein klares Konzepte und ein klarer Kurs“, kritisiert Flege. Transitländer wie die Schweiz und Österreich bereiteten ihr Eisenbahn-Netz gezielt auf eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene vor. In Deutschland dagegen werde die Chance verspielt, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen.

In Deutschland sei die Lobby für die Straße offenbar zu mächtig und einflussreich. Dies zeigten aktuell die Wahlprogramme der großen Parteien wieder. So lasse auch die SPD offen, wie viel Geld zusätzlich in die Schiene gesteckt werden soll. Die Grünen forderten zwar eine Milliarde Euro pro Jahr mehr, wollten die Finanzierung aber ähnlich wie die FDP der Deutschen Bahn aufbürden.