Auf dem Eislinger Pfadfinderplatz wird wieder geschafft und gehämmert. Zum 20. Mal finden dort die Waldwunderwochen statt und Gerhard Rink hat kein einziges Jahr ausgesetzt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Eislingen - Wenn Gerhard Rink am Morgen mit dem Fahrrad den Tälesweg hinunterrollt, vorbei am Hundesportverein und an den Streuobstwiesen und dann auf den Pfadfinderplatz am Waldrand zuhält, dann geht ihm das Herz auf, dann erlebt auch er wieder sein kleines Waldwunder. An diesem Montag geht die etwas andere Eislinger Stadtranderholung in ihr 20. Jahr. Und Rink, den hier alle nur Gerry nennen, ist von Anfang an als Betreuer dabei. „Ich brauche mir eigentlich keine Kleider mehr kaufen“, witzelt der 56-Jährige. Die Tradition will es so, dass die Betreuer jedes Jahr als Erkennungszeichen ein Käppi und ein neues T-Shirt bekommen. Gerry hat den kompletten Satz: rot, grün, gelb oder, wie in diesem Jahr, marineblau.

 

Wer hat’s gegründet? Natürlich Ulrike Haas

Von Anfang an waren die Waldwunderwochen, die von der heutigen Eislinger Grünen-Stadträtin und Leiterin des Göppinger Jugendreferats Ulrike Haas und ihrem Mann Holger angestoßen wurden, etwas Besonderes. Das Naturerlebnis stand im Mittelpunkt. Das Konzept war wohl durchdacht. „Wir waren wohl das professionellste Ehrenamtlichen-Team, das je bei   einer Stadtranderholung im Einsatz war“, sagt Rink. Zwei Sonderpädagogen, drei Sozialpädagogen, ein Diplombiologe, eine Hauswirtschafterin und ein Student kümmerten sich bei der ersten Auflage um 45 Kinder. Gingen die nach acht Stunden nach Hause, wurde bis tief in die Nacht der Tag analysiert. „Wir haben für jedes einzelne Kind überlegt, wie es sich fühlt und was es braucht“, erinnert sich Ulrike Haas.

Heute ist die Zahl der Betreuer auf 35 angewachsen, die sich in zwei Wochenschichten um jeweils 75 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren kümmern. Die meisten sind keine Pädagogen, aber Waldwunderwochen-Profis. Nicht so lange wie Rink, aber seit vielen Jahren halten sie dem Ferienprogramm die Treue. Viele waren früher selbst als Kinder dabei. Tobias Friedel vom Kinder- und Jugendbüro der Stadt rückte vom Ehrenamtlichen sogar zum Hauptamtlichen auf und organisiert die Waldwunderwochen. Das Programm wird allerdings von den Betreuern bei mehreren Vorbereitungsseminaren selbst entwickelt. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Rink.

Die Sache mit der 20-Meter-Fichte

Als Lehrer an einer Göppinger Sonderschule ist er den Umgang mit Kindern eigentlich gewohnt. „Aber hier, in dieser ungezwungenen Atmosphäre, ist das etwas ganz anderes.“ Hier dürften die Kinder noch schaffen. Einmal habe man zusammen eine 20 Meter hohe Fichte gefällt, auf den Platz gebracht und verarbeitet. „Das war ein wahnsinniges Gemeinschaftserlebnis.“ Vermutlich hat Gerry deshalb nie den Absprung geschafft – auch wenn man manchmal auf dem Pfadfinderplatz knöcheltief im Matsch stand oder eine Aktion zum Rohrkrepierer wurde. Dieses Mal könnte es aber sein letzter Einsatz sein. „Meine beiden Söhne sind dabei, den Waldwunderwochen zu entwachsen. Das ist auch für mich ein guter Anlass aufzuhören.“ Doch wer weiß: vielleicht schicken die Jungs ihn ja wieder. Oder sie kehren selbst als Jugendliche ins Betreuerteam zurück.