Die Haushaltsverabschiedung gilt als Königsrecht eines Gemeinderates. In Pforzheim hat das Kommunalparlament es nun genutzt, den Etat abzuschmettern – allerdings nur in geheimer Abstimmung.

Pforzheim - Eigentlich hätte der Pforzheimer Gemeinderat mit dem Weihnachtsessen am Dienstag auch das Ende der schwierigen Beratungen für den Doppeletat 2017/2018 mit einem Gesamtvolumen von 1,1 Milliarden Euro feiern sollen. Dieser Teil ist ins Wasser gefallen. Kurz zuvor hatte der Gemeinderat mit 19 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung den Haushalt abgelehnt. Bis ein Etat verabschiedet wird, dürfen keine neuen Projekte angestoßen werden. Auch Beförderungen oder die Besetzung neuer Stellen liegen auf Eis, bis es einen Haushaltsplan gibt. Auf Antrag der Grünen Liste wurde geheim abgestimmt.

 

Der Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) versucht nun, die Kuh vom Eis zu bringen. „Die Gespräche mit den einzelnen Fraktionen laufen bereits“, erklärte ein Sprecher der Stadt am Mittwoch. „Wir versuchen, so schnell wie möglich politische Lösungen zu finden“ und eine Sondersitzung des Gemeinderates anzuberaumen. Regulär tagt das Gremium erst am 21. Februar wieder. Hager, der 2017 wiedergewählt werden möchte, kennt das Prozedere bereits. In seiner bald achtjährigen Amtszeit ist dies der dritte Doppeletat, der im ersten Anlauf im Gemeinderat hängen geblieben ist. Dieses Mal aber ist der Ärger unter den Stadträten besonders groß: die Atmosphäre im Gemeinderat ist belastet.

Die Grüne Liste schert aus

Die 120 000 Einwohner zählende Stadt Pforzheim hat erhebliche finanzielle Probleme. Im Sommer war deshalb ein mehr als 300 Punkte umfassender Sparkatalog über 130 Millionen Euro verabschiedet worden. Dieses Sparpaket steht auch. Die so genannten drei Großen unter den acht Gruppen im Gemeinderat – CDU, SPD und Grüne Liste – stehen auch unverändert hinter den Kürzungen, Gebühren- und Steuererhöhungen. Einige Punkte davon, etwa die Anhebung der Preise für das Mittagessen in den Kindertagesstätten und der Schulkindbetreuung sowie die Erhöhung der Gewerbesteuer von 410 auf 450 Punkte sind auch beschlossen worden. Die drei Gruppierungen haben inklusive der Stimme des OB 23 der 41 Stimmen im Pforzheimer Gemeinderat. Bei der Verabschiedung des Doppeletats aber bröckelte die Mehrheit.

Die Grüne Liste (3 Mandate) ist unter anderem deshalb ausgeschert, weil sie nach Angaben ihres Fraktionschef Axel Baumbusch den geplanten Abriss des Technischen Rathauses ablehnt und vom OB fordert, er möge die Zuständigkeiten für die Finanzen aus seinem Dezernat ausgliedern. „Der Oberbürgermeister wäre gut beraten, noch einmal mit allen Fraktionen zu sprechen“, sagt Baumbusch.

CDU und SPD ärgern sich über ihre Kollegen

Bei der CDU (13 Mandate) und der SPD (sechs Mandate) ist der Ärger über die geplatzte Abstimmung groß. „Wir fühlen uns vorgeführt“, sagt Florentin Goldmann, der CDU-Fraktionschef. Damit werde die Marschroute für eine Haushaltskonsolidierung konterkariert. „Wir haben uns unsere Entscheidung ja auch nicht leicht gemacht“, kritisiert Goldmann.

„Geschockt und entsetzt“ ist auch Ralf Fuhrmann, der SPD-Fraktionsvorsitzende. Mit der Abstimmung im Geheimen „duckt man sich vor politischer Verantwortung“. Dass die Etatverabschiedung geplatzt sei, zeige nur, dass es in Pforzheim nicht nur an Geld fehle. „Es mangelt auch an Vertrauen und Wertschätzung innerhalb des Gemeinderates“. Außerdem erschwerten „die Privatfehden einzelner Räte gegen den Oberbürgermeister“ die Arbeit des Gremiums beträchtlich, schimpft Fuhrmann.

Da darf sich Hans-Ulrich Rülke angesprochen fühlen. Der FDP-Fraktionschef im Landtag führt im Pforzheimer Rathaus die FDP/Freie-Wähler-Fraktion (fünf Mandate). Rülke ritzt das nicht. „Ich bin der einzige, der dem OB auf die Finger schaut, weil die anderen damit überfordert sind“, schießt er zurück. Die geheime Abstimmung habe gezeigt, dass Hager nur nach außen hin unterstützt werde. Seine Fraktion, die drittgrößte im Rat, lehne die Erhöhung der Gewerbesteuer auf den dann höchsten Satz im Land, die Anhebung der Grundsteuer sowie die Kürzungen bei Bildung, Sport, Kultur und Sozialem ab. Verzichten könne man hingegen auf „das Prestigeprojekt“ Innenstadt-Ost. Das Gebiet rund um das Rathaus soll für eine zweistellige Millionensumme aufgewertet werden.