Von A wie Allgaier bis Z wie ZF – den Autozulieferern stehen stürmische Zeiten bevor. Viele Betriebe sind abhängig vom Verbrennungsmotor. Für sie ist die E-Mobilität eine große Herausforderung. Nach Ansicht von Experten wollen zudem immer weniger junge Menschen einen eigenes Auto besitzen.

Stuttgart - Den Autozulieferern geht es gut, Studien beweisen das. Der Weltmarkt ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, deutsche Autos waren beliebt – das spiegelte sich auch in den Gewinnen wider. Doch langfristig sieht es anders aus, sagt Felix Mogge, Partner der Münchner Unternehmensberatung Roland Berger. Mogge spricht von einem „perfect storm“, einem perfekten Sturm, der sich über der Branche zusammenbraut. Die Unternehmen müssen sich nicht nur auf einen technologischen Umbruch vorbereiten, sie müssen sich zudem auf geändertes Kundenverhalten einstellen. Worum geht es?

 

Es geht natürlich um den Trend hin zur Elektromobilität; in etwa zehn Jahren könnten rund 25 Prozent der Autos elektrisch fahren. Die Prozentzahlen können variieren, aber kein Experte bezweifelt die grundsätzliche Entwicklung. Viele Zulieferer hierzulande hängen aber am Verbrennungsmotor – etwa am Antriebsstrang. Im Gespräch mit dieser Zeitung erläutert Mogge noch einen weiteren Trend: „Vor allem für junge Menschen ist es immer weniger erstrebenswert ein eigenes Auto zu besitzen – insbesondere in den großen Städten.“ Das liege an der Parkraumnot in den Ballungszentren; möglich sei auch eine stärkere Regulierung des Verkehrs durch Städte und Kommunen, um die Emissionen zu beschränken. Shared Mobility wird beliebter; die Menschen teilen sich ein Auto, anstatt es selbst zu kaufen – und damit könnte der Auslastungsgrad eines Pkw, der derzeit bei gerade mal fünf Prozent liegt, deutlich steigen. Und nicht zuletzt ändert sich auch noch die Prioritätenliste der Autokäufer, glaubt Mogge. Hubraum und Fahrleistungen – viele Jahre das non plus ultra von Autofans – werde weniger wichtig, sagt der Autoexperte. Gefragt seien stattdessen die reibungslose Nutzung von Internet und Smartphone im Fahrzeug sowie Fahrerassistenzsysteme.

Der Druck auf die Zulieferer wächst

All dies führt dazu, dass der Antriebsstrang, der bisher großes Innovationspotenzial hatte, langfristig unter stärkeren Preisdruck geraten wird, glaubt Mogge. Bei den Gewerkschaften schrillen bereits die Alarmglocken; die sehen Arbeitsplätze in Gefahr. Der Betriebsrat des Mercedes-Motorenwerkes in Stuttgart-Untertürkheim hat vor kurzem gefordert, eine Batteriefertigung am Standort aufzubauen.

Mit knapp 800 000 Beschäftigten ist die Autoindustrie einer der größten Arbeitgeber hierzulande. 5,7 Millionen Autos haben deutsche Hersteller 2015 in Deutschland gefertigt, hat der Verband der Autoindustrie (VDA) errechnet; ein großer Teil davon wird exportiert. Auch wenn die Industrie zunehmend Kapazitäten im Ausland aufbaut, immer noch sichern Geschäfte mit dem Ausland hierzulande Arbeitsplätze. Zum Beispiel bei Elring-Klinger: Der Dichtungsspezialist hat im vergangenen Jahr 27,3 Prozent seines Umsatzes in Deutschland erzielt, aber knapp 44 Prozent der Beschäftigten sind in Deutschland tätig. Bei anderen Herstellern sind die Relationen ähnlich. Und langfristig? Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen, dass die Hersteller mit dem Technologiewechsel dort ihre Kapazitäten aufbauen, wo auch die Nachfrage ist – also vor allem in Asien.

Zulieferer haben kein Erkenntnisproblem

Und wie bereiten sich Zulieferer auf die neue Zeit vor, bei denen alternative Antriebe bisher nicht zur Kernkompetenz zählen? Oder die Maschinenbauer, die teilweise nicht minder stark am Auto hängen? „Ein Erkenntnisproblem haben die Zulieferer nicht“, sagt Mogge. In den vergangenen zwei Jahren habe sich da viel getan. Die Herausforderung aber bleibt: „Das Tagesgeschäft der Antriebs-Zulieferer ist noch klar vom Verbrennungsmotor bestimmt. Gleichzeitig muss jetzt der Wandel zum elektrischen Antrieb vorangetrieben werden – auch wenn die zu erwartenden Umsätze in den nächsten fünf Jahren noch gering sind“, sagt Mogge. Nur so können die nächsten EU-Klimaschutzziele auch erreicht werden. Viele Zulieferer brauchen ganz neue Strategien. Denn die Wertschöpfungsstruktur ändert sich deutlich. Vereinfacht ausgedrückt: Der Verbrennungsmotor besteht aus einer Vielzahl von Komponenten, die mechanische Präzision erfordern. Er hat gut fünf mal so viel Teile wie ein Elektromotor, der technisch anders aufgebaut ist. „Die Zahl der Arbeitsstunden für die Fertigung eines Elektromotors ist dramatisch niedriger als die für einen Verbrennungsmotor“, so Mogge.

Zudem ändern sich die Arbeitsinhalte. Software spielt eine viel größere Rolle und auch Batteriezellen, die Deutschland bisher allesamt importiert. Damit nicht genug, sehen sich die Zulieferer auch noch ganz neuen Wettbewerbern gegenüber, die zwar keine Erfahrung mit Autos, dafür aber mit Elektromotoren haben. In einer Umfrage hat diese Zeitung 20 Zulieferer und Maschinenbauer befragt, wie sie sich auf die neue Zeit vorbereiten. Etliche Unternehmen, die stark am Verbrennungsmotor hängen, haben überhaupt nicht reagiert oder wollten sich nicht äußern.

Was die Firmen sagen

ZF Friedrichshafen bündelt seit Anfang 2015 E-Mobilität in einer eigenen Division. „Für elektrische Antriebe sehen wir – sowohl was Umsatz als auch Mitarbeiter in diesem Bereich anbelangt – ein enormes Potenzial“, sagt ein ZF-Sprecher. Bislang hat ZF vor allem elektrifizierte Getriebe für Hybrid-Fahrzeuge geliefert, doch nun hat der Zulieferer erstmals einen Auftrag zur Lieferung eines rein elektrischen Achsantriebs an Land gezogen. 81 Prozent des ZF-Umsatzes entfallen auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge; etliche Produkte befinden sich sowohl im Verbrenner als auch im Stromer – dazu gehören Airbags und Lenkungen. Der Zulieferer will seine Aktivitäten rund um die E-Mobilität intensivieren.

Der Esslinger Abgasspezialist Eberspächer hängt komplett an der Autoindustrie, mit 85 Prozent seines Umsatzes sogar am Verbrennungsmotor. In Deutschland arbeiten 2500 Mitarbeiter im Abgasbereich, davon rund 600 in Baden-Württemberg. Deshalb freut sich der Zulieferer über das wachsende Geschäft bei der Tochter Catem, laut Eberspächer Weltmarktführer in der Beheizung elektrischer Fahrzeuge. Catem liefert seit 2011 elektrische Hochvoltheizungen. Im Programm sind auch Batterieheizer für E-Fahrzeuge, aber auch elektrische Klimaanlagen für E-Busse. Prognosen wagt Eberspächer nicht - auch nicht zu den Auswirkungen auf die Beschäftigung. Eberspächer hat seine E-Aktivitäten verstärkt - etwa durch den Kauf des Werks für PTC-Elemente in Hermsdorf. Dabei geht es um eine Technologie, um schnell Warmluft im Fahrzeuginnenraum zur Verfügung zu haben. Außerdem hat man sich mehrheitlich am kanadischen Unternehmen Vecture beteiligt, um die Elektronikkompetenz um Batteriemanagement-Systeme und Energiespeicher zu erweitern.

90 Prozent des Umsatzes hängt am Verbrennungsumsatz

Auch Borg-Warner steuert um. 90 Prozent des Umsatzes macht der US-Zulieferer mit weltweit 27 000 Mitarbeitern mit Komponenten für Verbrennungsmotoren. Am Standort Ludwigsburg (Beru) etwa werden Zündspulen und Glühkerzen für Verbrennungsmotoren und Hybridantriebe hergestellt. Dennoch sieht man sich gut für die E-Mobilität vorbereitet. Borg-Warner liefert bereits Komponenten für E-Fahrzeuge – Elektromotor, Getriebe, Leistungselektronik und Thermomanagement. Bis 2023 sollen rund 30 Prozent der E-Fahrzeuge und 42 Prozent der Hybridfahrzeuge mit Borg-Warner-Technologie ausgestattet sein.

Der Technologiekonzern Bosch, der nach eigenen Angaben jährlich 400 Millionen Euro in die Elektromobilität investiert, forscht am Durchbruch bei der Batterietechnik. Deren Energiedichte will Bosch bis Anfang des nächsten Jahrzehnts mehr als verdoppeln und die Kosten halbieren. So arbeitet Bosch an einer Zelltechnologie, was durch den Kauf des US-Start-ups Seeo möglich wurde. Die Aktivitäten des Konzerns sind vielfältig – dabei hat man Aspekte wie das Buchen von Ladesäulen und das Laden selbst im Blick. Bosch bietet etliche Komponenten an – vom Motor bis zur Batterie und hat bislang damit 30 Serienprojekte realisiert. Wie die meisten Unternehmen ist auch Bosch bislang noch vom klassischen Verbrennungsmotor abhängig, insbesondere vom Diesel, an dem weltweit 45 000 Bosch-Arbeitsplätze hängen.

14 000 Mitarbeiter im Südwesten

Auch der Zulieferer Mahle, der drei Viertel seiner deutschlandweit 14 000 Mitarbeiter in Baden-Württemberg beschäftigt, will seine Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor verringern. Der Stuttgarter Zulieferer macht rund 90 Prozent seines Umsatzes mit Pkw- und Nutzfahrzeugherstellern. Knapp 50 Prozent des Konzernumsatzes hängen allein am Pkw-Verbrennungsmotor, bis 2030 soll dieser Anteil auf etwa 30 Prozent sinken. Mit mehreren Zukäufen hat sich Mahle auf den Mobilitätswandel eingestellt. Dazu zählt der Ausbau des Thermomanagements und die neue Division Mechatronik, in der seit 2016 alle Aktivitäten rund um elektrische Antriebe gebündelt sind und mit der man mittelfristig 500 Millionen Euro Umsatz anstrebt. Schon jetzt entwickelt und produziert Mahle Antriebsmotoren, elektrifizierte Nebenaggregate, Systeme und Komponenten für Hybrid- und batterieelektrische Antriebe. Viel verspricht man sich auch von der weiteren Vernetzung von Geschäftsbereichen und der Förderung von Start-ups, um Ideen und Innovationen zu fördern.

SHW in Aalen-Wasseralfingen, ein Lieferant von Bremsscheiben, Pumpen und Motorkomponenten, macht 94 Prozent des Umsatzes mit Pkw-Anwendungen, etwa 43 Prozent des Konzernumsatzes von gut 463 Millionen Euro hängen am Verbrennungsmotor. Den Trend hin zum E-Auto sieht SHW was Umsatz und Beschäftigte angeht als „neutral“ an. In den elektrisch angetriebenen Getriebeölpumpen, die auch in E-Autos verbaut werden, sieht SHW ein „ausgesprochenes Wachstumsfeld“. Ende September hat der Zulieferer einen ersten Großauftrag für elektrische Achsgetriebepumpen in Höhe von 100 Millionen Euro bekommen. Der Auftrag sei „ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu profitablem und kapitaleffizientem Wachstum“. SHW ist nach eigenen Angaben mit einer Vielzahl weiterer Autohersteller im Gespräch. In den beiden deutschen Werken Aalen-Wasseralfingen und Bad Schussenried beschäftigt SHW insgesamt 810 Mitarbeiter.

Allgaier in Uhingen macht rund 75 Prozent des Umsatzes mit der Autoindustrie und setzt auf Entwicklungen im Bereich Leichtbau und Batterietechnik. Man sehe keine starke Veränderung für das eigene Geschäft wegen des Trends zu Elektroautos, heißt es. Mit der Verfahrenstechnik habe Allgaier ein zweites stabiles Standbein in anderen Branchen. Am Stammsitz Uhingen sind gut 600 Mitarbeiter tätig.