Noch vor wenigen Jahren wären die meisten von ihnen wahrscheinlich Auto-Hasser gewesen: Tesla-Fans brechen mit allen Klischees des Markenkults, der bei anderen Autobauern zu finden ist. Das liegt vor allem an Tesla-Gründer Elon Musk und einem Personenkult, seinesgleichen in der Branche sucht.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Leinfelden-Echterdingen - Derzeit läuft beim Streamingdienst von Amazon die Serie „American Gods“, in der klassische Götter wie Odin gegen neue Götter kämpfen, die zum Beispiel Technical Boy heißen und ihre Kräfte aus dem Internet beziehen. Und wenn Technik so etwas wie eine Religion sein kann, lassen die Fans der Automarke Tesla keinen Zweifel, wessen Jünger sie wären. Davon können sich Besucher beim Elektromobilitäts-Stammtisch in der Mäulesmühle in Leinfelden-Echterdingen überzeugen. Alle zwei Wochen treffen sich dort E-Mobil-Fans aus der Region. In dieser Woche ging es vor allem um die bevorstehende Übergabe des neuen Tesla Model 3 an die ersten Kunden in den USA.

 

Beim Gedanken an den Geruch von Öl bekommt in der Mäulesmühle niemand feuchte Augen. Denn die meisten Tesla-Fans lehnen Verbrennungsmotoren kategorisch ab. So auch Robin Engelhardt: Der 17 Jahre alte Oberstufenschüler aus Ditzingen kann mit röhrenden Motoren und Schrauber-Romantik nichts anfangen. Auch die anderen etwa 40 Stammtisch-Gäste – davon vielleicht ein Drittel Tesla-Fahrer – rümpfen bei dem Thema nur die Nase. „Mich fasziniert viel mehr die Software im Auto“, sagt Engelhardt, der den Tesla seines Vaters in Erwachsenenbegleitung ausfahren darf.

Jana Höffner, Sprecherin des Vereins Electrify BW, fuhr vor ihrem Tesla einen Opel. Auch Robin Engelhardts Vater lenkte eine gebrauchte Mercedes C-Klasse, bevor ihn der Sohn zum Wechsel zur E-Mobilität überredete. Alles keine Autos, die sich in der Preisklasse eines Tesla befinden.

Erste Autos ab 2018 in Europa

Der Tesla Model 3, der an diesem Samstag um sechs Uhr deutscher Zeit in den USA an die ersten 30 Kunden übergeben wird, soll Schätzungen zufolge hierzulande 40 000 Euro kosten. Bis zuletzt war über das Auto kaum etwas bekannt – nicht einmal die Leistungsdaten des neuen Models hat der Konzern preisgegeben.

Trotzdem: Die Tesla-Anhängerschaft ist ihrem Autobauer gegenüber großzügig mit Vertrauensvorschüssen. Fast jeder am Stammtisch hat eines der weltweit 400 000 reservierten Exemplare des neuen Models vorbestellt – gegen 1000 Euro Anzahlung. Die ersten Autos sollen Anfang nächsten Jahres nach Europa verschifft werden.

Allein die Verknappung des Angebots ist es aber nicht, was den Kult der Automarke ausmacht. „Es ist auch das besondere Marketing, das Tesla betreibt“, sagt Electrify-BW-Sprecherin Höffner, beziehungsweise das weitestgehend fehlende Marketing. Kostspielige Werbekampagnen gibt es bei Tesla nicht.

Ins All und durch Tunnel

Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa), sieht drei Pfeiler, auf denen die Marke Tesla steht. Erstens: „Die klare Kante, ausschließlich elektrisch angetriebene Fahrzeuge zu entwickeln.“ Zweitens: „Tesla hat eine tolle Designsprache gefunden.“ Drittens: Elon Musk. „Er verkörpert den Gründermythos wie kaum ein anderer“, sagt Diez. Musk und Tesla – auch in der Mäulesmühle sind diese beiden Begriffe heute untrennbar. „Ohne ihn würden wir so lange Diesel fahren, bis wir tot umfallen“, sagt Jana Höffner. Sie hofft nur, dass sich der „visionäre Unternehmer“ nicht zu stark um seine anderen Projekte kümmert. Musk will mit seinem Unternehmen SpaceX beispielsweise auch die Raumfahrt revolutionieren. Er will derjenige sein, der die ersten Menschen zum Mars bringt. Und zwar schon 2025 – 14 Jahre früher, als die US-amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa das plant. Es ist ein als „Himmelfahrtskommando“ kritisiertes Projekt, für das Musk die leistungsstärkste Rakete aller Zeiten bauen will.

Obwohl Jana Höffner Flugangst hat und sich niemals ins All schießen lassen würde, kennt sie sich mit den Details von Musks Mars-Mission bestens aus. „Der Red Dragon“ – das Raumschiff, mit dem 100 Menschen zum roten Planeten fliegen sollen – „wird von der Trägerrakete Falcon 9 Heavy in den Weltraum befördert.“ Die soll 112 Meter hoch werden und eine Fracht von 400 Tonnen transportieren können.

Nicht weniger umstritten ist der Hyperloop, ein Hochgeschwindigkeitssystem aus unterirdischen Röhren, das den Verkehrsansatz der Elektromobilität fast schon wieder über den Haufen wirft: Eines Tages sollen Menschen dabei auf Luftkissen durch Tunnel gejagt werden – nahezu mit Schallgeschwindigkeit. Andreas Hohn, Vorstandsmitglied bei Electrify BW, rechnet vor: „Da die Tunnel im Durchmesser kleiner als Eisenbahntunnel sind, können sie schneller gebaut werden, unabhängig vom Gestein.“

Kritik für Unternehmenskultur

Für manches erntet der Tesla-Chef von seiner Fangemeinde aber auch Kritik. So ist Elon Musk bekannt dafür, von seinen Angestellten gewaltige Hingabe zu fordern. Medienberichten zufolge soll der Unternehmer seine Beschäftigten zum „Arbeiten bis zum Umfallen“ drängen, sieben Tage die Woche. „Das ist in keiner Weise in Ordnung“, sagt Robin Engelhardt, das jüngste Stammtischmitglied.

Ganz so hart gehen nicht alle mit dem Multimilliardär ins Gericht. „Andere Unternehmen beuten ihre Mitarbeiter auch aus und die Vorstände tun selbst nur wenig“, sagt Andreas Hohn. „Musk verlangt von anderen eben, was er von sich selbst verlangt. Und Musk schläft halt unter dem Schreibtisch.“

Die Grundzüge der Kapitalgesellschaft, die Schubkraft von Raketen, die Statik von Tunneln – schwer vorstellbar, dass solche Themen bei einem Stammtisch von Opelanern häufig zur Sprache kommen würden. Ist das dann bei einem so weit gespreizten Interessenspektrum überhaupt noch Liebe zum Automobil? „Ja“, sagt Robin Engelhardt. Nur eben etwas anders.