Bei Eigentümergemeinschaften kann eine Gegenstimme den Anschluss an das E-Zeitalter verhindern. Eine Gesetzesänderung ist geplant.

Stuttgart - In wenigen Jahren wollen deutsche Autohersteller mit einer Palette neuer Fahrzeuge die elektrische Mobilität beschleunigen. Die lokal schadstoffarmen Flitzer brauchen Lademöglichkeiten. „Die Immobilie ist der Schlüssel für den Erfolg“, sagt Ulrich Wecker, der Geschäftsführer des Stuttgarter Haus- und Grundbesitzervereins. Allerdings ist sie auch der Schlüssel für viele Streitigkeiten in Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG).

 

Wer als Eigentümer in einer Wohnanlage seine eigene Ladebox in der Tiefgarage haben möchte, der kann sich nicht sicher sein, dass er sie bekommt. Denn es brauche einstimmige Beschlüsse, sagt Wecker. Die Station gilt als bauliche Veränderung, oft müssen dicke Kabel durch Treppenhaus und Keller gezogen werden. Das ist teuer passt nicht jedem, aber jeder hat ein Vetorecht. Wecker forderte bei einem Infoabend des Vereins Erleichterungen, wie sie 2007 ins WEG-Gesetz einflossen. Damals ging es um Wärmedämmung, die Lösung war die doppelt qualifizierte Mehrheit: drei Viertel aller Stimmberechtigten, die zudem mehr als 50 Prozent der WEG-Anteile besitzen, müssen sich bei der Modernisierung einig sein.

Die Regierung lässt sich Zeit

Bayern, Sachsen und Hessen wollten die Hürde für Ladestationen in gleicher Weise senken, ihre Initiative aus 2016 versandete. „Die Bundesregierung kündigte an, in der nächsten Legislaturperiode eigene Vorschläge zu machen“, sagt Julia Wagner von Haus und Grund Deutschland in Berlin. Das Ziel, bis 2020 eine Million E-Autos auf der Straße zu haben, hat Angela Merkel längst kassiert. „Das Thema Laden nimmt an Bedeutung zu. Es gibt immer wieder Streitfälle dazu“, sagt Wagner.

Selbst mit erleichterten Regeln bleiben Stolperfallen. Weil eine Ladestation „kein haushaltstypischer Verbraucher“ sei, so Fritz Staudacher vom Elektro-Technologie-Zentrum Stuttgart (ETZ), muss sie ab 4,6 Kilovoltampere (kVA) beim Energieversorger angemeldet werden, ab einer Leistung von 12 kVA ist sie dann auch zustimmungspflichtig.

Warnung vor Billiglösung

Staudacher warnt vor Billiglösungen. Die Schuko-Steckdose sei allenfalls für Hybridfahrzeuge mit kleiner Batterie ausreichend, für richtige E-Autos, die stundenlang viel Strom ziehen, seien einfache Steckdosen nicht gebaut. Sie können durchschmoren. Wer eine Station installieren lasse, solle auf eine Funktionsprüfung und ein Prüfprotokoll bestehen. Pro Ladestation muss mit 800 bis 1200 Euro gerechnet werden – nur für das Gerät, der Anschluss ist da noch nicht dabei, die Kosten sind von den Örtlichkeiten abhängig. Staudacher rät, beim Neubau Leerrohre zu verlegen. Später können dann bei Bedarf Kabel gezogen werden.

In Mehrfamilienhäusern mit vielen Stellplätzen kann die Kapazität der Zuleitung bei mehreren Ladeplätzen schnell erschöpft sein. Wer die Kosten für ein neuen Hausanschlusskabels vermeiden wolle, könne viele Ladepunkte über ein Lastmanagement steuern, so Staudacher. Hängen zu viele vierrädrige Verbraucher am Kabel, wird die Leistung entweder für alle reduziert, oder einzelne Ladeboxen werden ganz ab- und später wieder zugeschaltet. Elf Kilowatt Ladeleistung reichten in der Regel für das Laden über Nacht aus.

Vermieter interessiert

In der Landeshauptstadt mussten nach Auskunft des Verteilnetzbetreibers Stuttgart Netze bisher keine neuen Hausanschlüsse für E-Autos gelegt werden. In diesem Fall zahle der Eigentümer nach Aufwand, feste Sätze gebe es nicht. „Genügt eine neue Leitung vom Verteilerkasten in der Straße, vom nächsten Trafo, oder braucht es einen eigenen Trafo oder einen Anschluss direkt an das Mittelspannungsnetz?“, zählt er die jeweils kostentreibenden Schritte auf. Sie können auch Vermieter treffen, die ihren Wohnungsbestand mit den E-Anschlüssen auf Dauer attraktiv halten wollen.

Zunächst, so der Rat von Stuttgart Netze, solle mit Regeltechnik ein bestender Anschluss ausgenutzt werden. Von Oktober 2016 bis Ende Juni 2017 wurden bei dem Netzbetreiber Anfragen für 870 Ladesäulen gestellt, installiert wurden nur 33 an 17 Standorten. Haus und Grund habe mit über 20 000 Mitgliedern, die rund 70  000 Wohnungen in der Stadt vermieteten, ein großes Potenzial, sagt Wecker. Der Infoabend sei im Seminarplaner zunächst nicht vorgesehen gewesen, doch „unsere Mitglieder haben ein Faible für Elektorautos, und da geht es nicht ohne Ladeinfrastruktur“, so Wecker.