Element of Crime lassen beim ersten von zwei Konzerten im Theaterhaus Stuttgart die Rockband raushängen. Sven Regener steht diesem Musikantenstadel für Alternative kantig vor.

Stuttgart - Er sagt nach fast jedem Titel „Vielen Dank“. Auf diese Idee kann man noch kommen. Das ist artig dem Publikum gegenüber. Auch leitet er seine Ansagen oft mit dem in seiner Schlichtheit genialischen Satz „Das nächste Lied heißt ...“ oder mit einem herzhaften „Wir spielen noch ein Lied“ ein. Wow. Und das als deutscher Besteller- und Lesebuchautor, dessen literarische Hervorbringungen gleich reihenweise verfilmt worden sind.

 

Wer kennt nicht „Herr Lehmann“ oder „Neue Vahr Süd“? Und wer ist der Autor? Sven Regener, stimmt. Der gibt jetzt den Rockstar und die Frontfigur der Band Element of Crime. Das heißt, er hat vor 30 Jahren schon damit angefangen. Damals kannte ihn als Großdichter noch niemand, aber die Band war gut. Seltsam zwischen Postrock, Chanson und neuem deutschen Liedgut changierend kreierte sie so etwas wie einen eigenen Stil.

Fester, scharfer Gesangston

Die ganz großen Erfolge waren Element of Crime zwar damals noch nicht beschieden, aber man kam voran und konnte 1987 mit John Cale sogar einen Starproduzenten für das Album „Try to be Mensch“ vorweisen. Lange ist das alles her. Und die Geschichte ging natürlich bis heute weiter, wo Regener die Huldigungen von in die Jahre gekommenen Pennälern, Lehrern, Oberschülern mit literarischen Ambitionen, Redakteuren und vielen anderen Bescheidwissern entgegennehmen kann.

Als würde er dies mit einem Augenzwinkern wahrnehmen, befleißigt sich Regener im restlos ausverkauften Theaterhaus eines festen und scharfen Gesangstones, der allzu sensibilistischen Anwandlungen Hohn spricht. Auch hat er nicht die dicke mopsige Hornbrille auf, die ihn trotz zarter Verse möglicherweise zum Oberlehrer der allzu entschieden verkündigten Meinung werden lässt. Nun, dafür trägt jetzt sein Saxofonist und Gastmusiker Rainer Theobald eine solche Kulturbrille.

Sie lassen die Rockband raushängen

Der Regener lässt im Song „Rette mich vor mir selber“ mit Gesangszeilen wie „Das sind Bilder, auf die einer kommt, der nichts mehr versteht“ oder „Das sind Geschichten, die einer erzählt, dem keiner mehr glaubt“ oder „Das sind Worte, auf die einer kommt, auf den keiner mehr hört“ auch laute Ironie walten. Mutig. Die fünfköpfigen Element of Crime können auch mal die Rockband heraushängen und werden dann lauter und härter.

Besonders der Gitarrist Jakob Friderichs alias Jakob Ilja scheint an diesem Tag gut in Form zu sein. Da ist nicht nur das karge Schrammeln im Ungewissen, das von damals bis heute für Indie-Bands unerlässlich scheint und so manchen Auftritt auch von Element of Crime etwas monoton erscheinen ließ. Nein, er variiert den Ausdruck und schöpft diesmal aus dem Vollen: sein Instrument spielt er mitunter sehr einfühlsam als Slide-Gitarre.

„Damals hinterm Mond“ aus den frühen neunziger Jahren ist ein starker Titel als Auftakt. Neue Songs wie „Immer weiter“ versuchen mit leiser Ironie daran anzuknüpfen. Dessen Refrainzeilen „Auf dass alles immer so weiter, immer so weiter geht“ sind ein Spiel mit der Bedeutung, die sich natürlich leicht mit der Band verknüpfen lässt. Zu leicht.

Regener lässt den Trompeter raushängen

Je länger der Auftritt dauert, desto mehr fällt auf, dass Regener instrumental stark den Trompter heraushängen lässt. So etwas würde freilich auch gut in den Musikantenstadel passen, was keine Disqualifikation bedeutet: denn Element of Crime sind ja auch so etwas wie ein Musikantenstadel für Alternative.

Zückte Regener seine Trompete früher nur gelegentlich und hielt sich ansonsten an der Gitarre fest, so scheint er nun hocherhobenen Hauptes den Atem herb ins Gerät stoßend neue Ambitionen entdeckt zu haben. Rührend. Mit „Liebe ist kälter als der Tod“ erweisen sie dem verstorbenen Regisseur Rainer Werner Fassbinder die Referenz, mit Titeln wie „Schade, dass ich das nicht war“ kommen weitere Werke aus dem neuen Album. Mal brüllt der Dichter „Romantik!“ ins Publikum, mal zitiert er einen früheren Vorprogrammsänger barsch mit dem Ausruf „Für euch reicht’s!“.

Jawohl, das ist ausreichend irritierend.

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