Bei der EM-Qualifikationspartie Montenegro gegen Russland wird der Gästetorhüter Igor Akinfejew von einem Feuerwerkskörper am Kopf verletzt. Jetzt drohen Montenegro von der Uefa drastische Strafen.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Podgorica - Auf den Tribünen wütete der johlende Mob. In den Katakomben des Stadions von Podgorica rang Momir Djurdjevac noch lange nach dem vorzeitigen Abpfiff des Skandalspiels entsetzt und fassungslos um seine Worte. „Dies ist eine Katastrophe!“, klagte der Generalsekretär von Montenegros Fußballverband FSCG nach Abbruch des völlig aus dem Ruder gelaufenen EM-Qualifikationsspiel gegen Russland: „Wir können Gott nur danken, dass kein Menschenleben verloren ging.“

 

Tatsächlich hätte das triste Trauerspiel vom deutschen Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin bereits in der ersten Minute abgepfiffen werden müssen. Schon in der zehnten Sekunde wurde Russlands Torhüter Igor Akinfejew von einem Feuerwerkskörper getroffen. Vom ausgelassenen Jubel der „Fans“ hinter seinem Tor begleitet wurde der Keeper mit der Bahre vom Feld getragen – und mit leichten Verbrennungen und versengten Haaren in die Klinik eingeliefert. Er fühle sich gut und danke für die Genesungswünsche, ließ das Opfer der Stadion-Zündler nach der Rückkehr nach Moskau wissen: „Ich hoffe, dass sich so etwas nie mehr wiederholen wird – weder in Montenegro noch sonst wo.“

Der komplette Ausschluss als Option

„Schimpf und Schande“, titelte am Wochenende erschüttert die montenegrinische Zeitung „Vijesti“, die eine „rigorose Strafe“ der Uefa prophezeit. Das Spiel in dem „Stadion, in dem die Torhüter Helme benötigen“, werde nicht nur mit 3:0 für Russland gewertet, sondern Montenegro müsse auch mit einem Punktabzug und einigen Geisterspielen ohne Publikum rechnen: „Die schlimmste Strafe – aber vielleicht die beste, je nachdem wie man das sieht – wäre der vollständige Ausschluss aus der EM-Qualifikation.“

Das Spiel hätte eigentlich schon in der ersten Minute abgebrochen werden müssen, so Russlands italienischer Coach Fabio Capello, der vom „unerfreulichsten Moment“ seiner Karriere sprach: „Das einzige Positive war der Applaus bei unserer Nationalhymne.“ Die Uefa-Offiziellen entschieden sich nach 35 Minuten Unterbrechung zum Weiterspielen: Für den ausgeschalteten Akinfejew rückte Yuri Lodygin von Zenit Leningrad ins Gästetor.

Trotz ständiger Ermahnungen des Stadionsprechers, dass das Spiel beim kleinsten Zwischenfall abgebrochen werde, blieb es auf den Tribünen weiter unruhig: In der Pause lieferten sich Heim- und Gästefans wüste Schlägereien. Erneut wurde von den Uefa-Offiziellen ein Spielabbruch erwogen, aber nach dem auf eine halbe Stunde verlängerten Halbzeittee pfiff Aytekin das völlig aus dem Ruder gelaufene Skandalspiel dann doch wieder an.

Fußball wurde in dem torlosen Match auch gespielt. In der 67. Minute parierte Montenegros in Russlands zweiter Liga spielende Keeper Mladen Bozovic (Khimik Dzerzhinsk) einen Foulelfmeter von Kapitän Roman Shirokow (Krasnodar) – und löste damit neue Tumulte auf den Rängen und eine Rudelbildung auf dem Feld aus. Als Dimitri Kombarov im einsetzenden Wurfgeschosshagel von einem Feuerzeug getroffen wurde, hatte endlich auch der Unparteiische von dem blinden Wüten in Montenegros Hooligan-Hölle endlich genug: 23 Minuten vor dem regulären Abpfiff beorderte Aytekin die Spieler in die Kabinen. Er entschuldige sich bei den Gästen für „alles, was sie hier durchleben mussten“, so Montenegros ernüchterter Coach Branko Brnovic (47): „Das Spiel hätte gleich abgepfiffen werden müssen.“

„Wer will so noch für die Nationalelf spielen?“

Nun hat der Fußballzwerg nach Protest Russlands bei der Uefa mit einer drakonischen Strafe zu rechnen. Jeder Spieler habe den „großen Traum, dass das kleine Montenegro an einem großes Turnier teilnimmt“, seufzt der Generalsekretär Djurdjevic: „Aber wer will unter solchen Bedingungen für die Nationalelf spielen?“ Derweil wurde der Werfer des Feuerwerkskörpers auf Akinfejew identifiziert. Der 23-Jährige gibt seine Tat zu, sagt aber, er habe den Feuerwerkskörper, der zuerst von oben bei ihm auf der Tribüne gelandet sei, „instinktiv“ auf das Spielfeld geworfen.