Zwischen einem russischen Lobbyisten und den OEW gibt es seit Jahren Kontakte - mit den Geschäften der EnBW wollen sie aber nichts zu tun haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Zwischen dem russischen Lobbyisten Andrey Bykov, der mit der EnBW um 120 Millionen Euro streitet, und Spitzenvertretern des EnBW-Großaktionärs Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) bestehen seit Jahren bisher nicht bekannte Kontakte. Entsprechende Informationen der Stuttgarter Zeitung bestätigte eine Sprecherin des Zweckverbandes von neun Landkreisen. Sowohl der amtierende OEW-Vorsitzende und Ravensburger Landrat Kurt Widmaier als auch sein designierter Nachfolger, der Ulmer Kreischef Heinz Seiffert (beide CDU), hätten Bykov mehrfach getroffen.

 

Widmaier sei jedoch „in keinster Weise in die operativen Geschäfte involviert“, betonte die Sprecherin. Die Frage, ob er zur Aufklärung der Russlandaffäre beitragen könne, ließ sie offen. Die EnBW fordert von zwei Firmen Bykovs 120 Millionen zurück, weil diese Leistungen im kerntechnischen Bereich nicht erbracht hätten. Der russische Geschäftsmann behauptet hingegen, es handele sich um Honorar für seine Lobbyarbeit. Über die beiden Schweizer Firmen – Eurepa und Pro Life Systems – habe die EnBW jahrelang die Entwicklung ihres russischen Gasgeschäfts betrieben.

Gesprächsrunde auf Initiative der EnBW

Die OEW-Sprecherin bestätigte StZ-Informationen, wonach der Verbandschef Widmaier den Russen auch in Moskau getroffen habe. Bykov sei „auf Initiative der EnBW“ Teilnehmer einer Gesprächsrunde gewesen, die im Jahr 2006 am Rande einer Delegationsreise des damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) in Moskau stattfand. Es sei um „allgemeine energiewirtschaftliche Themen ohne Bezug zu konkreten Projekten oder Beauftragungsverhältnissen“ gegangen. Oettinger habe den Landrat eingeladen, ihn mit der Wirtschaftsdelegation zu begleiten. Ein Thema der Reise war ausdrücklich das deutsche Interesse an russischem Gas, wie es damals hieß.

In den Folgejahren gab es laut der Sprecherin noch zwei Begegnungen mit Bykov, an denen auch der stellvertretende OEW-Chef Seiffert teilnahm. Eine habe 2008 beim Besuch des damaligen russischen Botschafters Wladimir Kotenev in Oberschwaben stattgefunden. Kotenev war auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff gekommen, der Koordinator für die deutsch-russische zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit ist. Laut Schockenhoff, dessen Bruder Martin als Anwalt bei der Kanzlei Gleiss Lutz eine der Schlüsselfiguren beim EnBW-Deal ist, kam Bykov in Begleitung des Botschafters; er habe ihn bis dahin nicht gekannt. Bei einem weiteren, nicht datierten Treffen zuvor ging es der OEW-Sprecherin zufolge um ein „näheres Kennenlernen“ mit Bykov.

Etwa in diesem Zeitraum, zwischen 2005 und 2008, wurden die umstrittenen Verträge geschlossen. Zum Konflikt zwischen Bykov und der EnBW kam es offenbar erst später. 2009 traten die ersten Spannungen auf, 2010 spitzte sich die Auseinandersetzung dann zu. Derzeit streiten sich die Parteien in drei Schiedsgerichtsverfahren. Frühestens nach Ostern will die Staatsanwaltschaft Mannheim entscheiden, ob sie wegen eines möglichen Verdachts auf Steuerdelikte, Korruption oder Untreue Ermittlungen aufnimmt.

Der OEW-Berater und EnBW-Aufsichtsratsvorsitzende Claus Dieter Hoffmann hat nach Angaben des Verbandes an keinem der Treffen teilgenommen. Inwieweit er über die Kontakte informiert war, blieb offen. Laut EnBW hatte Hoffmann bis zur Vorlage der konzerninternen Untersuchung „keine Kenntnisse der relevanten Vorgänge“. Daher gebe es auch „keinerlei Anhaltspunkte“, gegen ihn ebenfalls Ansprüche geltend zu machen.

Klage gegen den Technikvorstand

Wegen der Russlandgeschäfte hat die EnBW den kürzlich neu bestellten Technikvorstand Hans-Josef Zimmer und drei Ex-Manager jeweils auf zweistellige Millionenbeträge verklagt. Der höchste Betrag, 93 Millionen Euro, wird vom früheren kaufmännischen Geschäftsführer des Kernkraftwerks Neckarwestheim, Wolfgang Heni, verlangt. Heni hat bereits in den siebziger Jahren geschäftliche Kontakte nach Moskau geknüpft. Er gilt als Schlüsselfigur der Verbindung zu Bykov. Von den Vertretern der Électricité de France (EdF) als zweitem Großaktionär wurde Heni dem Vernehmen nach kritisch gesehen. In einer bisher nicht zugestellten Zivilklage Bykovs wird behauptet, die EnBW habe die Gasgeschäfte an den Franzosen vorbei einfädeln wollen und sie deshalb gegenüber der EdF verschleiert.

Gegenüber der StZ widersprach Heni Informationen, wonach er bei der EnBW-internen Untersuchung seine erste Aussage zurückgezogen und korrigiert habe. Nicht äußern wollte er sich zu einem Vermerk, mit dem er den früheren Konzernchef Utz Claassen beim Amtsantritt im Jahr 2003 über die Verbindung zu Bykov unterrichtet haben soll. Claassen gibt an, er habe von den Verträgen mit der Bykov-Gruppe keine Kenntnis gehabt.

Bykov hatte der StZ mitteilen lassen, mit dem Streit wolle die EnBW von Managementfehlern ablenken, die den Konzern weit mehr Geld als sein Honorar gekostet hätten; er sprach von „erheblichen Schwierigkeiten im Managementbereich“. Dies wird in Unternehmenskreisen als Attacke auf den scheidenden EnBW-Chef Hans-Peter Villis gewertet. In Villis’ Amtszeit war es zum Bruch mit Bykov gekommen – warum, darüber wird noch immer gerätselt.

Zu den Kontakten mit den OEW-Vertretern war von Bykovs Anwalt zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob sein Ausscheiden aus dem Präsidialrat der deutsch-russischen Auslandshandelskammer im Zusammenhang mit den Vorgängen um die EnBW steht. Dem Führungsgremium hatte der Lobbyist bis zum März angehört.