Auf der Aufsichtsratsitzung der EnBW diskutieren die Kontrolleure am Dienstag auch über die Zukunft des Konzernchefs Hans-Peter Villis.

Stuttgart - In der Aufsichtsratssitzung der EnBW am Dienstag wird es den Kontrolleuren des Energieversorgers an Themen nicht mangeln. So dringlich wie kaum zuvor muss geklärt werden, welchen Weg die EnBW künftig einschlagen soll. Seitdem die Bundesregierung das Aus für die Atomenergie in Deutschland beschlossen hat, fehlt dem Karlsruher Unternehmen sowohl eine tragfähige Strategie als auch Geld, um die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien zu finanzieren.

 

Der Kapitalbedarf des Konzerns wird auf 800 Millionen Euro geschätzt. Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), die ebenso wie das Land Baden-Württemberg rund 46 Prozent an EnBW halten, haben sich bereits grundsätzlich bereit erklärt, dem Konzern 400 Millionen Euro frisches Kapital zuzuschießen, notfalls auch mehr. Der Rest soll vom Land kommen. Nicht zuletzt deshalb will der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid wissen, was mit diesem Geld finanziert werden sollen.

Noch sitzt Villis recht fest im Sattel

Von Konzernchef Hans-Peter Villis ist dazu bis jetzt kein öffentliches Wort zu hören. Auch über seine Rolle werden die Aufsichtsräte am Dienstag mutmaßlich diskutieren. Bis Ende des Jahres muss das Kontrollgremium darüber entscheiden, ob sein Vertrag, der bis Ende 2012 läuft, verlängert wird oder nicht. Noch sitzt Villis recht fest im Sattel. Sowohl die OEW als auch die Mitarbeitervertreter, die gemeinsam die Mehrheit im Aufsichtsrat haben, unterstützen den Konzernchef. Noch dazu gilt die frühere Grünen-Politikerin Gunda Röstel, die offiziell auf dem Ticket des Landes in den Aufsichtsrat eingezogen ist, als Vertraute von Villis. Doch die Lage könnte sich schnell ändern.

"Solange sich das Land nicht eindeutig zu Villis positioniert, werden die schwarzen oberschwäbischen Landräte versuchen, Druck auf die grün-rote Landesregierung auszuüben", vermutet ein Branchenkenner. "Sobald das Land sagt, was es will, wird die OEW mitziehen", meint er. Die Arbeitnehmer hingegen wollen es sich seiner Ansicht nach nicht nehmen lassen, im Falle einer Neubesetzung des Chefpostens das Zünglein an der Waage zu sein. Zudem gebe es Gerüchte darüber, dass der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Dietrich Herd auf den Posten des Personalvorstands spekuliere, den derzeit Bernhard Beck innehat. Dem Betriebsrat ist von Ambitionen Herds allerdings nichts bekannt. Gegenwärtig werde über die Verlängerung von Becks Vertrag diskutiert, der ebenfalls Ende 2012 ausläuft, heißt es in Konzernkreisen.

Konkrete Verhandlungen mit dem Betriebsrat über das angekündigte Sparprogramm Fokus gibt es nach Auskunft eines EnBW-Sprechers noch nicht. "Es gibt erste Gespräche", sagte er lediglich. Villis hatte angekündigt, dass der Energiekonzern 750 Millionen Euro sparen werde, um auf Kurs zu bleiben. Das Personal solle davon einen Anteil von 250 Millionen Euro übernehmen. Details nannte Villis nicht. Entlassungen sollen jedoch vermieden werden, stattdessen seien sozialverträgliche Maßnahmen geplant, heißt es im Umfeld des Unternehmens. Doch Villis will nicht nur sparen. Um Geld in die Kassen zu spülen, will der Konzernchef Minderheitsbeteiligungen im Wert von 1,8 Milliarden Euro loswerden. Außerdem kann er sich vorstellen, bei Projekten wie dem Windpark Baltic II vor der Insel Rügen verstärkt mit Stadtwerken zusammenzuarbeiten.

Eine neue Strategie soll entwickelt werden

Experten bezweifeln allerdings, dass die Schritte ausreichen werden, um die EnBW fit für die Zeit der erneuerbaren Energien zu machen. "Es würde sich lohnen, über eine Aufspaltung der EnBW nachzudenken", sagt ein Branchenkenner, "andernfalls hat der Konzern keine Chance durchzustarten." Alle Vermögenswerte aus dem Atomenergiegeschäft sollten seiner Ansicht nach in eine eigene Gesellschaft ausgelagert werden, so dass eine neue atomfreie EnBW entstehen kann. "Dieses Unternehmen käme sehr viel leichter an Geld", sagt der Fachmann. Eine Beteiligung von Stadtwerken sei bei dieser EnBW ebenso denkbar wie der Einstieg von Finanzinvestoren oder ausländischen Unternehmen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte die Möglichkeit, Investoren aus dem Ausland an Bord zu holen, in der vergangenen Woche überraschend ins Spiel gebracht.

Wie zu hören ist, hat Villis die Unternehmensberatung McKinsey beauftragt, gemeinsam mit den Führungskräften der EnBW eine Strategie für den Konzern zu entwickeln. Ergebnisse wurden jedoch bisher nicht bekannt. "Das liegt daran, dass dabei nichts rauskommt, was als Entscheidungsbasis dienen könnte", kritisiert ein Unternehmenskenner. Er moniert: "Es ist schlichtweg nichts auf dem Tisch."