Paukenschlag mitten in der Energiewende: Grün-Rot ist notfalls bereit, wieder aus dem Stromkonzern EnBW auszusteigen. Die Regierung will den französischen Versorger EDF so zu Schadenersatz in Milliardenhöhe zwingen.

Stuttgart - Die baden-württembergische Landesregierung will den Einstieg in den Energiekonzern EnBW notfalls wieder rückgängig machen. Wenn der französische Energieversorger EDF ihr nicht knapp die Hälfte des Kaufpreises zurückerstattet, will Grün-Rot eine Rückabwicklung des Deals. Das geht aus dem Klageantrag hervor, den das Land bei der internationalen Handelskammer in Paris eingereicht hat. EDF-Vorstandschef Henri Proglio hat das Schriftstück nun dem EnBW-Untersuchungsausschuss zukommen lassen. Es lag der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart am Donnerstag vor.

 

Darin heißt es, die EDF solle den angeblich zu viel gezahlten Betrag von zwei Milliarden Euro zurückzahlen. Hilfsweise solle die EDF verurteilt werden, den Kaufpreis von 4,7 Milliarden Euro plus Zinsen zurückzuzahlen und die rund 45 Prozent der Aktien zurückzunehmen. Sollte das Schiedsgericht dem nicht stattgeben, hat das Land beantragt, den Vertrag für nichtig zu erklären.

Die CDU ist entsetzt

Grün-Rot hatte die Klage bereits im Frühjahr eingereicht. Unter dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) hatte das Land im Dezember 2010 für rund 4,7 Milliarden Euro 45,01 Prozent der EnBW-Anteile von der EDF gekauft. Das Land hatte nach dem Deal noch etwa 1,5 Prozent der Anteile an der EnBW von anderen Anlegern für rund 200 Millionen Euro gekauft. Damit hat Baden-Württemberg insgesamt knapp fünf Milliarden Euro für seine Aktien ausgegeben.

CDU-Fraktionschef Peter Hauk zeigte sich entsetzt. Er warf Grün-Rot vor, das Unternehmen mit der Klage in eine „echte Krise“ zu führen. „Wir fordern die sofortige Rücknahme dieser Klage.“ Allein die Schadenersatzklage bedeute, dass Grün-Rot den Wert der EnBW geringschätze. „Wir hätten nicht gedacht, dass die EnBW über Nacht 40 Prozent weniger wert sein soll.“ Sollte der Klage stattgegeben werden, müsse das Unternehmen neu bewertet werden. „Die Folge wären hohe Abschreibungen in Milliardenhöhe für die EnBW“, warnte Hauk.

„Er täuscht bewusst Öffentlichkeit und Parlament“

Auch ein Wiedereinstieg der EDF in die EnBW hätte mitten in der Energiewende unabsehbare Folgen. Der französische Staatskonzern könne zum Beispiel die Mehrheit an dem Karlsruher Unternehmen übernehmen oder seine Anteile an irgendeinen Investor verkaufen. Damit seien viele Arbeitsplätze bei der EnBW in Gefahr und auch ein Anstieg des Strompreises sei zu befürchten, erklärte der CDU-Politiker.

Hauk warf Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) vor, er nehme mit der Klage einen hohen Schaden für das Land in Kauf. Hinzu komme: „Er täuscht bewusst Öffentlichkeit und Parlament.“ Schmid habe immer erklärt, er wolle die EnBW-Anteile halten und dabei helfen, das Unternehmen weiterzuentwickeln.

Grün-Rot hält den Preis für viel zu hoch und sieht es auch als große Bürde an, in Zeiten der Energiewende Großaktionär bei dem langjährigen Atomstromer EnBW zu sein. Mit dem Untersuchungsausschuss wollen Grüne und SPD aufklären, warum der damalige Regierungschef Mappus das Milliardengeschäft mit großer Eile und am Landtag vorbei durchzog. Sie vermuten, dass Mappus kurz vor der Landtagswahl einen Coup landen wollte. Der Staatsgerichtshof hatte den Deal wegen der Ausschaltung des Parlaments für verfassungswidrig erklärt.

Update 18.15 Uhr: Finanzminister Nils Schmid bemühte sich am Donnerstagnachmittag um Schadensbegrenzung. Nein, das Land habe überhaupt nicht die Absicht, aus der EnBW auszusteigen, beteuerte er. Die gegenteilige Behauptung der Opposition sei „Unfug“ - „sonst hätten wir ja schon längst aussteigen können“. Er wolle nur Schadenersatz von der EDF. Mappus habe bei seinem „schlechten Aktiendeal“ viel zu viel bezahlt für die 45 Prozent der Anteile. Dieses Geld müsse sich Grün-Rot nun zurückholen. „Das sind wir den Steuerzahlern schuldig.“