Trotz der jüngsten Ergebnisbelastungen glaubt EnBW-Chef Frank Mastiaux, dass der Konzern den Ergebniseinbruch im konventionellen Energiebereich bis 2020 ausgleichen kann.

Karlsruhe – - Die goldenen Zeiten sind für die Strombranche schon lange vorbei. Die Konzerne müssen sich im Wettbewerb behaupten, und sie kämpfen mit der Energiewende: weg vom Atom, hin zu den erneuerbaren Energien. EnBW-Chef Frank Mastiaux lässt sich aber von Schwierigkeiten nicht entmutigen und ist optimistisch, das gesteckte Ziel zu erreichen.
Herr Mastiaux, ihr Konkurrent RWE hat seine kommunalen Eigner gerade damit geschockt, dass die Dividende ausfällt. Ist das bei Ihnen auch denkbar?
Über die Dividende entscheidet die Hauptversammlung. Unser Ziel ist es natürlich, auch in Zukunft dividendenfähig zu bleiben. Eine Garantie kann es bei diesem schwierigen Umfeld aber nicht geben.
Ist es denn vertraglich überhaupt möglich, dass die EnBW die Dividende streicht?
Die Dividendenzahlung richtet sich vor allem nach der Ertragskraft und Eigenkapitalsituation des Unternehmens sowie der Entscheidung, was für den Konzern gut ist. Vorstand und Aufsichtsrat machen auf dieser Basis einen Vorschlag.
Die Dividende richtet sich ja nicht immer danach, was für den Konzern gut ist, sondern oft nach den Erwartungen der Eigner . . .
Das gehört zusammen. Unsere Eigner haben ein langfristiges Interesse an dem, was wir als Energieunternehmen für das Land tun. Schließlich kümmern wir uns um einen wesentlichen Teil der lebenswichtigen Infrastruktur. Insofern orientierte sich die Ausschüttung bisher immer an einer sehr gesunden und klugen Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen.
Ihre aktuellen Zahlen sind nicht gerade rosig, kürzlich mussten Sie wieder Sonderbelastungen von fast einer Milliarde Euro verkünden. Geht das so weiter?
Bei diesen wechselhaften Energiemärkten ist eine Prognose natürlich schwierig. Aber bei negativen Marktrends steuern wir wie bisher konsequent dagegen. Zudem gelingen Dinge manchmal auch schneller als erhofft, zum Beispiel der Erwerb der Mehrheit an der VNG.
Kann die EnBW die Mitarbeiterzahl künftig auf dem heutigen Niveau halten?
Das kann ich nicht versprechen. Wir haben Bereiche, in denen wir uns auf Grund der schwierigen Situation optimieren und schlanker aufstellen müssen. Gleichzeitig schaffen wir neue Arbeitsplätze in Bereichen, wo wir wachsen.
In der Branche herrscht Unruhe. Wie wirkt sich das auf ihr Unternehmen direkt aus?
Dass die Zeiten schwierig sind, ist keine Frage. Ich denke aber, es ist eine Stärke bei der EnBW, dass wir ein gemeinsames Verständnis haben, wo wir hinwollen – Eigner, Vorstand, Führungskräfte, Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter. Wir verlieren deshalb keine Zeit mit unnötigen Debatten, sondern konzentrieren uns aufs Machen.
Kennen Sie eine andere Branche, die so im Umbruch ist wie die Energiewirtschaft?
Wahrscheinlich ist das Ausmaß der Veränderung in dieser Branche in der Tat einzigartig, und erst recht die Veränderungsgeschwindigkeit – zumal in einem System, das mit seinem Versorgungsauftrag auf langfristige Stabilität ausgelegt ist.
Sind das nicht alle Branchen?
Früher galt vor allem eins: die Kraftwerke müssen sicher laufen, dann stimmt auch der Ertrag – also im Zweifel lieber eine extra Portion Sicherheit und eine dickere Leitung. Dieses Geschäftsmodell wird von hohen und langfristig angelegten Investitionen getragen. Nehmen wir zum Beispiel ein Kraftwerk: Planung und Bau jeweils eine halbe Dekade, Betrieb ein halbes Jahrhundert. Die heutigen Veränderungen spielen sich in sehr viel kürzeren Zeiträumen ab.
Wie gehen Sie damit um?
Zunächst muss man nüchtern feststellen und akzeptieren, dass die Situation ist, wie sie ist. Und dann muss man sich nur noch auf den Weg nach vorne konzentrieren. In unserem Fall sind wir davon ausgegangen, dass unser traditionelles Geschäft bis 2020 um 80 Prozent einbrechen wird. Als wir das 2013 zum ersten Mal gesagt haben, wurde das von anderen als pessimistisch angesehen. Wenn sie heute die Strom-Großhandelspreise anschauen, hatten wir leider Recht.
Ihrer Strategie EnBW 2020 zufolge soll sich das Betriebsergebnis 2020 auf heutigem Niveau befinden. Werden Sie das schaffen?
Ich halte dieses Ziel nach wie vor für erreichbar. Wir werden den Ergebniseinbruch in der Erzeugung durch Wachstum bei erneuerbaren Energien, Netzen und Vertrieb ausgleichen.
Vergangenes Jahr sind Sie damit gescheitert, die Windkraftfirma Prokon zu übernehmen. Die Eigner haben eine Eigentümergenossenschaft vorgezogen. Wie groß war der Kater?
Wir hatten Prokon ursprünglich gar nicht in der Planung. Unsere Strategie sieht einen organischen Ausbau von erneuerbaren Energien auf das Dreieinhalbfache vor. Durch einen Zukauf wären wir schneller voran gekommen. Es hat nicht geklappt, und es gilt daher wieder Plan A: Wir bauen die Erneuerbaren aus eigener Kraft aus – und sind dabei gut unterwegs.
Also kein Kater?
Natürlich habe ich mich nicht gefreut über den Ausgang. Aber wir wussten von vornherein: es wird nicht einfach. Bei Prokon ging es offensichtlich nicht nur um wirtschaftliche Argumente, sondern auch um Weltanschauungen. Unser Angebot war wirtschaftlich gesehen sehr gut. Aber viele Gläubiger konnten sich mit uns als Partner – trotz aller Veränderungen in unserem Unternehmen – nicht anfreunden. Auch daraus haben wir unsere Lehren gezogen.
Hätten Sie nicht von Anfang an stärker auf ein Beteiligungsmodell setzen müssen?
Das haben wir intensiv diskutiert. Wir wollten aber, dass unser Modell sich deutlich von dem Genossenschaftsmodell unterscheidet. Wir haben zugesagt, alle Standorte und Arbeitsplätze zu erhalten. Aber das hat offenkundig nicht gereicht.
Setzen Sie in der Folge nun stärker auf Beteiligungsmodelle und Genossenschaften?
Das machen wir schon eine ganze Zeit. Prokon hat uns bestärkt, dass der Weg richtig ist: noch mehr Zusammenarbeit mit Kommunen und noch mehr Bürgerbeteiligung.
Sie haben den Gasanbieter VNG übernommen. Sind die Perspektiven im Gasmarkt angesichts niedriger Preise und eines sinkenden Verbrauchs wirklich so gut?
Der absolute Gaspreis schlägt durch, wenn man sich nur auf Förderung konzentriert. Die VNG ist aber sehr stark im Transport, im Handel und im Vertrieb; das Fördergeschäft ist noch sehr klein und soll erst ausgebaut werden. Insofern ist der absolute Gaspreis für uns nicht das entscheidende Thema. Und was die Entwicklung des Verbrauchs angeht, da gehen wir von leichtem Wachstum aus.
Die EU-Kommission geht von einem sinkenden Verbrauch bis 2030 aus.
Gut 80 Prozent des Gasverbrauchs gehen in die Wärmeversorgung und in die chemische Industrie, der Rest in die Energieerzeugung. Momentan ist da die Auslastung der Gaskraftwerke unbefriedigend, weil Kohle billiger ist. Aber in zehn Jahren sind die Atomkraftwerke abgeschaltet, und es gibt möglicherweise einen höheren Druck auf den Kohlendioxidausstoß, was den Einsatz von Kohle unattraktiver machen würde. Der klimafreundlichste Energieträger, der für die Grundlast übrig bleibt, ist dann Erdgas.
Sie haben gut 74 Prozent an der VNG erworben, beherrschen das Unternehmen aber nicht. Ist das ein Nachteil?
Es kommt immer darauf an, wie die Anteilseigner zusammenarbeiten. Und ich glaube, da haben wir mit den kommunalen Eignern der restlichen gut 25 Prozent an der VNG die Chance für eine gute Partnerschaft. Insofern sehen wir keine Notwendigkeit, in naher Zukunft über die 75 Prozent zu kommen.
Mit der VNG-Übernahme sind Sie die Anteile an deren früherer Mutter EWE losgeworden. Es gibt aber weitere Baustellen wie die EVN oder die Stadtwerke Düsseldorf. Zudem planen Sie Desinvestitionen von fünf Milliarden Euro. Wie geht es da weiter?
Bei der EWE hatten wir geringen unternehmerischen Gestaltungsspielraum. Insofern war der Tausch gegen die VNG ein großer Fortschritt bei unserem Umbau. Die anderen Beteiligungen, die Sie genannt haben, tragen durch ihre Ergebnisse einen erheblichen Anteil zum Unternehmenswert bei. Insofern sind es keine Baustellen und wir sehen uns nicht unter Verkaufsdruck.
Bleibt noch das Desinvestitionsziel . . .
Mit dem Verkauf von Anteilen des Offshore-Windparks EnBW Baltic 2, des Heizkraftwerkes Eisenhüttenstadt und von EWE haben wir ja schon deutlich mehr als 2 Milliarden Euro desinvestiert. Wir sind also gut unterwegs.
Die EnBW setzt auch auf Windkraft in der Türkei. Bereitet Ihnen die aktuelle Lage am Bosporus Sorgen?
Man kann die Lage natürlich nicht ignorieren, aber ich sehe keine Anzeichen, dass sich dies auf unsere Aktivitäten auswirkt. Wir haben einen guten Partner, genügend Projekte und die Sicherheitslage genau im Blick.
Wollen Sie das Geschäft dort aufstocken?
Wir wollen bis 2020 in der Türkei rund 1500 Megawatt vor allem aus Windkraft erzeugen. Aktuell haben wir 350 Megawatt. Wir hoffen, dass wir demnächst Zuschläge für weitere Windkraftlizenzen kriegen. Und natürlich beobachten wir den Markt für mögliche Zukäufe.