Die Berater warben auf ihrer Homepage mit einem Mandat auch von der Électricité de France – angeblich irrtümlich. Eine solche Doppelrolle wäre hoch brisant.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Hat die Investmentbank Morgan Stanley beim EnBW-Deal nicht nur das Land Baden-Württemberg als Käufer, sondern auch die Électricité de France (EdF) als Verkäufer des milliardenschweren Aktienpakets beraten? Diese für die Landesregierung ungeklärte Frage hat die Bank selbst durch eine Darstellung auf ihrer Internetseite aufgeworfen. Bis zum Montag dieser Woche gab Morgan Stanley dort an, ihre französische Filiale sei „Berater der EdF“ bei dem Milliardengeschäft gewesen. Erst nach einer Nachfrage der Stuttgarter Zeitung wurde der Eintrag umgehend ersatzlos gelöscht. Ein junger Mitarbeiter habe einen Fehler gemacht, sagte eine Sprecherin zur Erklärung.

 

Der Fehler ist brisant, weil eine tatsächliche Doppelrolle von Morgan Stanley auf beiden Seiten höchst problematisch wäre; sie könnte massive Interessenkonflikte zur Folge haben. Unstrittig ist, das neben Morgan Stanley Deutschland – geführt von Dirk Notheis, einem engen Freund des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (beide CDU) – auch die französische Filiale an den Vorbereitungen der Transaktion beteiligt war. Deren seit 2009 amtierender Chef René Proglio ist ein Zwillingsbruder des EdF-Chefs Henri Proglio, was auch in Frankreich zu Schlagzeilen geführt hatte. Die Beteiligung des Bankers Proglio an dem Deal ist durch diverse Mails belegt, etwa von Notheis an die beiden Brüder. Mappus hatte die Beauftragung von Morgan Stanley unter anderem damit begründet, dass die Bank auch die EdF gut kenne.

„Adviser to EdF“ rasch gelöscht

Im Regierungsbericht für den EnBW-Untersuchungsausschuss heißt es dazu: „Ob und inwieweit EdF . . . von Morgan Stanley oder einer anderen Investmentbank beraten wurde . . . , ist den Akten nicht zu entnehmen.“ Dafür erweckte die Homepage von Morgan Stanley wochenlang genau diesen Eindruck. Für jede Landesgesellschaft werden dort Transaktionen aufgelistet, die die Bank im jeweiligen Jahr begleitet hat. Für 2010 stand unter der Überschrift „France transactions“ nur ein einziger Eintrag: „Adviser to EdF in its € 4 billion 45 % stake sale to EnBW.“ Demnach wäre Morgan Stanley Frankreich für den Verkäufer tätig gewesen und nicht unterstützend für die deutsche Filiale auf Seiten des Landes als Käufer.

Keine Stunde nach der Anfrage der Stuttgarter Zeitung war der Eintrag von der Seite verschwunden. Wie es zu dem angeblichen Irrtum gekommen ist, konnte die Sprecherin der Bank nicht näher erklären. Für die These vom Fehler eines junge Mitarbeiters spricht, dass die Beschreibung des Mandats missverständlich war: Sie konnte so verstanden werden, als hätte Morgan Stanley 45 Prozent seiner eigenen Aktien an die EnBW verkauft. Andererseits erscheint es schwer vorstellbar, dass ein Mitarbeiter unbefugt und unkontrolliert die Beteiligung an einem Milliardengeschäft veröffentlicht. Bei ihrem öffentlichen Auftreten agiert die Bank nämlich äußerst restriktiv. Ihre Sprecherin wollte auf StZ-Anfrage nicht einmal bestätigen, dass sie beim EnBW-Deal nur auf einer, der baden-württembergischen Seite, tätig war.

Eine Tätigkeit für Käufer und Verkäufer zugleich würde etwa die Frage aufwerfen, wessen Interessen die Bank bei der Preisfindung vertritt. Für mögliche Interessenkonflikte hat sich Morgan Stanley ein strenges Reglement gegeben, das über die allgemeinen Regel hinausgeht. Inwieweit die Beteiligung des Proglio-Zwillingsbruders bei der Bank am EnBW-Deal mit diesen Vorschriften vereinbar ist, ließ die Sprecherin ebenfalls unbeantwortet. Die Darstellung auf der Homepage könnte die Vermutung nähren, dass die französische Filiale dringend eine Transaktion benötigte. Während Morgan Stanley Deutschland für das Jahr 2010 neben dem EnBW-Deal 15 weitere Transaktionen ausweist, war dieser bei den französischen Kollegen die einzige Nennung.

EdF schweigt zu Beratern

Die EdF selbst hat sich offiziell nie zu möglichen Beratern geäußert. Eine französische Zeitung zitierte Ende 2010 einen anonymen Insider, man habe keine Beratung gebraucht, da alle Entscheidungsgrundlagen vorlagen; zudem sei das Milliardengeschäft sehr schnell über die Bühne gegangen. Einschlägige Wirtschaftsinformationsdienste, die Daten über solche Transaktionen liefern, weisen ebenfalls keinen Berater von EdF aus. Thomson Reuters und Dealogic nennen Morgan Stanley nur als Berater des Käufers; als „Repräsentanten“ des Verkäufers werden dort die Banken HSBC Holdings und Credit Suisse Group aufgeführt.

Der angebliche Fehler von Morgan Stanley ist schon der zweite innerhalb weniger Wochen. Erst vor Kurzem hatte die Bank zugeben müssen, eine wichtige Mail zunächst nicht in den Datenraum zur Aufklärung des EnBW-Deals eingestellt zu haben – genau die gleiche, die auch die Anwaltskanzlei angeblich übersehen hatte. Es handele sich nicht um Absicht, sondern um ein Versehen, wurde damals versichert.