Einer der Sparkommissare bestätigt, dass er den Kauf um die EnBW-Aktien prüfen lassen wollte. Das geforderte Protokoll dazu fehlt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Differenzen im Landesrechnungshof über den Umgang mit dem EnBW-Deal treten nun offen zu Tage. Der Rechnungshofdirektor Martin Willke - eines von sieben Mitgliedern des Senats - bestätigte jetzt Informationen der Stuttgarter Zeitung, wonach er sich nachdrücklich für eine Prüfung des Milliardengeschäfts eingesetzt habe. Er habe diese "als dringend und wichtig, sowohl in der Sache wie auch für den Rechnungshof, im Senat offiziell angeregt", sagte er der StZ. Das Gremium unter Leitung des Präsidenten Max Munding (CDU) war ihm jedoch nicht gefolgt, auch nicht die Chefprüferin Hilaria Dette.

 

Munding hatte erklären lassen, es habe sich "im Kern" um eine verfassungsrechtliche Frage gehandelt, die der Staatsgerichtshof prüfen müsse. Bei der letzten Inanspruchnahme des Notbewilligungsrechts, 2007 für die privatisierte Bewährungshilfe, hatte dies den Rechnungshof jedoch nicht von einer Prüfung abgehalten. Obwohl eine Klage der damaligen Opposition absehbar oder sogar angekündigt war, untersuchte die Kontrollbehörde das Vorgehen und stufte es noch vor dem Gericht als Verfassungsbruch ein; Chefprüfer war damals Willke. Er ist das einzige Mitglied der Führungsrunde, das nicht den damaligen Regierungsparteien CDU und FDP angehört oder nahesteht; vielmehr wurde er auf Vorschlag der SPD an den Rechnungshof berufen.

Aus dem Rechnungshof werden derweil neue Ungereimtheiten beim Umgang mit Willkes Vorstoß bekannt. Er hatte die Prüfung mündlich im Dezember 2010 und schriftlich im Februar 2011 angeregt. Seine Bitte, die Beratung im Senat darüber entgegen den Gepflogenheiten zu dokumentieren, blieb offenbar bis heute unerfüllt; Nachfragen nach dem Protokoll wich Munding regelmäßig aus. Offenbar wollte er keine Spuren hinterlassen für den Fall, dass das Verhalten der Behördenspitze später einmal thematisiert werden würde. Die zuständige Direktorin Dette reagierte bisher nicht auf eine StZ-Anfrage zu ihrer Rolle. Sie kam 2006 - ebenso wie später Munding - aus dem Staatsministerium als erste Direktorin an den Rechnungshof.

"Wo notwendig, bin ich auch kampfbereit"

Kritik an der Zurückhaltung der Kontrollbehörde übt derweil der frühere Finanzexperte der Grünen und Ex-Abgeordnete Eugen Schlachter. Er habe sich bei der Beratung des EnBW-Deals Ende 2010 im Finanzausschuss nicht ausreichend unterstützt gesehen. "Ich hätte mir eine proaktivere Rolle des Rechnungshofs gewünscht", sagte Schlachter der Stuttgarter Zeitung.

Aus Landtagskreisen wurde darauf hingewiesen, dass Munding sich den Regierungen Oettinger - dieser hatte ihn 2009 ernannt - und Mappus in mehrerlei Hinsicht verpflichtet gefühlt haben könnte. Zum einen durfte er seinen Wohnsitz in Tübingen behalten und lässt sich seitdem meist täglich im Dienstwagen mit Chauffeur nach Karlsruhe und zurück bringen. In seiner Behörde, die wiederholt auch die Nutzung von Dienstwagen kritisch thematisierte, wird das bis heute als problematisch angesehen; die Praxis war aber offenbar vom Land gebilligt.

Zum anderen gelang es Munding in der Amtszeit von Stefan Mappus, eine neue Besoldungsstruktur für die Behördenspitze durchzusetzen. Seine Vorgänger hatten in den vergangenen Jahren wiederholt Vorstöße dafür unternommen, die aber allesamt scheiterten. Die Direktoren und die Führungskräfte auf der Ebene darunter werden seitdem deutlich besser bezahlt.

Auch wegen seiner Rolle als Chefstratege in der Staatskanzlei sah sich das jahrzehntelange CDU-Mitglied Munding immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob er den nötigen "Biss" für das Amt des obersten Sparkommissars habe. "Wo notwendig, bin ich auch konflikt- und kampfbereit", sagte er dazu. Es sei aber nicht sein Ziel, gefürchtet zu sein: "Respektiert, geachtet, als Partner anerkannt - damit wäre ich einverstanden." Gefürchtet war der 61-Jährige bei der schwarz-gelben Regierung in der Tat nicht. "Mit dem Rechnungshof sind wir sehr zufrieden", sagte einmal ein Kabinettsmitglied und enger Vertrauter von Oettinger - und grinste vielsagend dazu.