Exklusiv Hat Ex-Ministerpräsident Mappus beim Rückkauf der EnBW-Aktien zu viel bezahlt? Der Experte der Staatsanwaltschaft soll sich verrechnet haben. Der Betroffene widerspricht gegenüber der Stuttgarter Zeitung.

Stuttgart - Der Gutachterstreit um den Kaufpreis der EnBW-Aktien geht in die nächste Runde. Der von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft beauftragte Finanzexperte Wolfgang Ballwieser soll sich eklatant verrechnet haben. Das wirft ihm Henner Schierenbeck vor, der 20 Jahre lang an der Universität Basel Ordinarius für Bankmanagement und Controlling war. Er hat das Gutachten Ballwiesers im Auftrag der Anwälte des Investmentbankers Dirk Notheis überprüft. Ballwieser habe demnach nicht berücksichtigt, dass für das Kernkraftwerk Philippsburg ab 2019 bis 2032 jährlich mehr als 100 Millionen Euro Förderbeiträge zu erwarten seien. Dieser Fehler senke den Unternehmenswert der EnBW im „Modell Ballwieser“ um fast eine Milliarde Euro.

 

Das schreiben die Anwälte von Dirk Notheis an die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Ohne den Fehler wäre Ballwieser mit seiner Methode zu einem Wert von 38,48 Euro gekommen, statt der von ihm ermittelten 34,58 Euro, rechnet Schierenbeck in der Systematik von Ballwieser nach. Das Land hatte im Dezember 2010 für das Aktienpaket der EnBW dem französischen Stromkonzern EdF 40 Euro pro Aktie inklusive des Paketzuschlags bezahlt. Den Deal hatte der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) abgeschlossen. Als Berater war Dirk Notheis tätig. Ballwieser war zu dem Schluss gekommen, das Land habe 780 Millionen Euro zu viel bezahlt. Der Kaufpreis hatte 4,67 Milliarden Euro betragen.

Die Rechtsanwälte listen in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Stuttgart weitere Fehler auf. Sowohl die Vertreter von Dirk Notheis als auch die Anwälte von Stefan Mappus betonen, aufgrund des „eklatanten Rechenfehlers“ könne das Gutachten von Professor Ballwieser nicht die Grundlage der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sein.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass bereits am Montag der Schriftsatz des Frankfurter Anwalts Wolf Schiller samt der Kritik Schierenbecks eingegangen sei. Schiller vertritt Notheis. Zu den Inhalten machte der Sprecher der Staatsanwaltschaft keine Angaben. Man werde die Kritik prüfen, eventuell beim Gutachter nachfragen und bewerten, wie weit sich die Gutachten widersprächen.

Details nur gegenüber der Staatsanwaltschaft

Wolfgang Ballwieser verwies gegenüber der Stuttgarter Zeitung darauf, dass er der Staatsanwaltschaft zur Vertraulichkeit verpflichtet sei. Details werde er nur gegenüber der Staatsanwaltschaft, und – wenn die Staatsanwaltschaft zustimme – den Anwälten der betroffenen Parteien darlegen. Nicht jedoch der Öffentlichkeit. Er setze sich mit den Vorwürfen auseinander. Ballwieser sagte lediglich: „Ich bin überzeugt, dass die Vorwürfe unzutreffend sind.“

Ballwiesers Expertise war vielfach als unabhängig und besonders gewichtig erachtet worden, da der Münchner Professor als erster von bislang vier Gutachtern Zahlen des Unternehmens verwendet hatte. Hans-Ulrich Sckerl, der Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, betont denn auch, bei der Kritik an Ballwieser handle es sich um ein „Parteigutachten des Beschuldigten Dirk Notheis“. Es diene „ausschließlich der Verteidigung eines der Hauptverantwortlichen beim Zustandekommen des EnBW-Deals“. Ein Großteil der Vorwürfe sei zudem nicht neu. Das gelte etwa für den Paketzuschlag, den Ballwieser nicht berücksichtigt habe. Sckerl betont, der Zuschlag, den Mappus bezahlt hatte, sei nicht gerechtfertigt gewesen. Sckerl weist auch den Vorwurf zurück, Ballwieser habe seine Prognosewerte für die Strompreisentwicklung auf die Marktsituation nach dem Reaktorunfall von Fukushima bezogen. Vielmehr habe er eine Studie für ein Energiekonzept der Bundesregierung vom August 2010 verwendet, sagte Sckerl der Stuttgarter Zeitung.

Ballwieser erscheint am 31. Januar vor dem Ausschuss

Die Vorwürfe, vor allem aber der Rechenfehler, müssten „selbstverständlich“ überprüft werden. Der Ausschuss erwarte, dass sich Ballwieser und die Staatsanwaltschaft dazu äußerten. Ballwieser ist für den 31. Januar in den Ausschuss eingeladen. Die FDP fordert, dass der Ausschuss auch Henner Schierenbeck anhört. Sollten die Regierungsfraktionen dies ablehnen, so käme das dem Beweis gleich, Grüne und SPD wollten „einmal mehr nur diejenigen hören, die sie hören wollen“, verlautbarte der FDP-Obmann Andreas Glück.

Die Regierung, die von der EdF 830 Millionen Euro wegen des zu hohen Preises zurückfordert, hält sich mit der Bewertung zurück. Jetzt sei es an der Staatsanwaltschaft, die Kritik zu prüfen, sagte Finanzminister Nils Schmid (SPD). Mit der Klage habe das Gutachten nicht direkt zu tun.