Die Grünen im Land haben die Bankenaufsicht BaFin eingeschaltet. Sie wollen nun ganz genau wissen, welche Rolle Dirk Notheis beim Zustandekommen des EnBW-Deals gespielt hat.

Stuttgart - Im Zuge der Aufklärung des EnBW-Deals kommen nun verstärkt die Investmentbank Morgan Stanley und deren Deutschlandchef Dirk Notheis unter Druck. Die Grünen im baden-württembergischen Landtag haben sich am Freitag an die Bankenaufsicht BaFin gewandt mit der Bitte, das Gebaren von Notheis bei dem Milliardengeschäft zu prüfen. Die Grünen schreiben, es lägen „hinreichend öffentlich verfügbare Informationen vor, welche den Verdacht nahelegen, dass Herr Dr. Dirk Notheis nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit zur Führung eines Finanzinstitutes besitzt“. Unter anderem werfen sie dem Bankchef vor, „seine Pflichten zur sorgfältigen und wahrheitsgemäßen Beratung“ verletzt zu haben.

 

„Mehr als üppig“

Anfgesteang Dezember 2010 hatte der damalige Regierungschef Stefan Mappus fast im Alleingang mit Hilfe seines Freundes Notheis 45 Prozent der EnBW-Aktien vom französischen Energiegiganten EdF übernommen. Dafür bezahlte das Land 4,7 Milliarden Euro, die über eine Anleihe aufgebracht wurden. Grüne und SPD halten den Preis für überzogen. Bestätigt fühlen sie sich unter anderem durch eine Mail von Notheis an dessen französischen Morgan-Stanley-Kollegen René Proglio, in welcher er den Kaufpreis als „mehr als üppig“ bezeichnet.

Bei René Proglio handelt es sich um den Zwillingsbruder des EdF-Vorstandschefs Henri Proglio. Dieser Umstand wiederum beschäftigte am Freitag den Untersuchungsausschuss des Landtags. Grüne und SPD erkennen einen klassischen Interessenkonflikt. Der eine Proglio – René – musste als Morgan-Stanley-Mann einen günstigen Kaufpreis für das Land Baden-Württemberg erwirken, der andere Proglio – Henri – war als EdF-Chef verpflichtet, möglichst viel für sein Unternehmen herauszuschlagen.

Konflikt zwischen den Brüdern?

Hans-Ulrich Sckerl, der Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, sieht bei René Proglio einen klaren Verstoß gegen die Richtlinien von Morgan Stanley. Im internen Verhaltenskodex der Bank heißt es, dass für einen Morgan-Stanley-Mitarbeiter ein Konflikt entstehen könne, „wenn ein Familien- oder Haushaltsmitglied ein wirtschaftliches oder persönliches Interesse hat, das sich von den Interessen von Morgan Stanley, unserer Kunden oder unserer Aktionäre unterscheidet“. Allein schon der Anschein dürfe nicht entstehen.

Die Kaufpreisprüfung

Kai Tschöke, Vorstandsmitglied bei Morgan Stanley, beschrieb die Rolle René Proglios vor dem Untersuchungsausschuss mit den Worten: „Er war extrem wichtig für uns als Teammitglied, weil er Zugang zu seinem Bruder hatte.“ Vor Übernahme des Mandats habe die Bank ein regelhaftes Konfliktklärungsverfahren in Gang gesetzt, das keinerlei Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergeben habe. Tschöke bestand vor dem Ausschuss darauf, dass seine Bank den Kaufpreis im Rahmen einer sogenannten Fairness Opinion „nach allen Regeln der Kunst“ bewertet habe. Anders als Notheis bei seinem Auftritt vor dem Ausschuss vermochte Tschöke immerhin darzustellen, dass es überhaupt so etwas wie eine Kaufpreisprüfung gegeben hat. Allerdings ging es dabei im Wesentlichen darum, einen bereits zuvor – wie auch immer – festgezurrten Betrag von 40 Euro pro Aktie plus einem Aufschlag von 1,50 Euro auf seine Plausibilität hin zu untersuchen. Die Fairness Opinion kam indes erst wenige Tage vor dem Vertragsabschluss am 6. Dezember 2010 in Gang. Bereits am 1. Dezember aber hatte der damalige Ministerpräsident Mappus der Spitze des anderen großen EnBW-Eigners, der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), bei einem Abendessen von dem geplanten Geschäft berichtet und den Kaufpreis als nicht mehr verhandelbar bezeichnet. Woher aber dieser Betrag? Wann wurde er von wem festgelegt? Andreas Stoch, der SPD-Obmann im Ausschuss, sagte: „Wir stehen vor einem schwarzen Loch.“ Gern würde er es erhellen.

Wollte die EdF alles belassen, wie es ist?

Auf Antrag der Grünen erschien auch Umweltminister Franz Untersteller vor dem Ausschuss. Der Grünen-Politiker berichtete von einer fast schon skurrilen Begegnung mit zwei hochrangigen EdF-Vertretern am 25. November 2010. Keine zwei Wochen vor dem EnBW-Deal fanden sich Untersteller und sein damaliger Fraktionschef Winfried Kretschmann im Stuttgarter Schlossgartenhotel ein – auf Wunsch des EdF-Deutschland-Beauftragten Gérard Roth, damals noch EnBW-Aufsichtsrat. Die EdF-Manager wollten eingedenk der Umfragen vor der Landtagswahl den Grünen auf den Zahn fühlen, schien doch ein Regierungswechsel im Südwesten nicht mehr ausgeschlossen. Laut Untersteller ging es bei dem zweistündigen Gespräch einzig darum, was die mögliche Regierungspartei der Grünen vom Engagement der EdF bei der EnBW halte. Vom Ausstieg sei keine Rede gewesen, im Gegenteil, die Franzosen hätten den Eindruck erweckt, dass die EdF nicht länger nach einer Mehrheit beim Karlsruher Energieversorger strebe, sondern sich mit dem Status quo begnüge.

Damit war Untersteller aber noch nicht am Ende. Nach der Überraschung des 6. Dezembers 2010, berichtete der Umweltminister, habe er Roth angerufen und gefragt, welchen Sinn das Treffen im Schlossgartenhotel eigentlich gehabt habe. Roth antwortete, das Geschäft sei auch innerhalb der EdF streng geheim gehalten worden. Nicht alle in der EdF hielten den Ausstieg des Unternehmens aus dem deutschen Markt für gut. „Aber bei einem Preis von 41,50 Euro“, so Roth, „hören die Diskussionen ganz schnell auf.“