Wie interne Mails belegen stand der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nach dem EnBW-Deal eng an Stefan Mappus’ Seite. Er warnte ihn vor kritischen Medien und strickte mit an der Gazprom-Legende.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Frage schien Hans-Ulrich Rülke nicht zu überraschen. Ob er sich eigentlich schon bei den Brüdern Schockenhoff entschuldigt habe? „Es gibt keinen Grund dafür“, antwortete der FDP-Fraktionschef kurz und bündig.

 

Das kann man auch anders sehen. Immerhin hat Rülke die öffentlich eingestandene Alkoholkrankheit des einen Bruders - des Ravensburger CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff – genutzt, um über den anderen Bruder – den Gleiss-Lutz-Rechtsanwalt Martin Schockenhoff – herzuziehen. Die „Kernqualifikation“ des Juristen sei es wohl, „dass er trotz seines Namens mehr als zwei Stunden täglich nüchtern ist“. So steht es in einer Mail, die der Oberliberale drei Tage nach dem EnBW-Deal an Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) schickte.

„Jetzt ist bei mir die halbe Fraktion sauer“

Rülkes Verärgerung über Schockenhoff („Euer Kronjurist“) war durchaus nachvollziehbar. Noch am Montag habe der Mandatsführer von Gleiss Lutz den Abgeordneten versichert, dass für das Milliardengeschäft keine Landesbürgschaft benötigt werde. Am Dienstag komme dann plötzlich Mappus’ Staatsminister Helmut Rau ins Landtagspräsidium „und braucht sogar einen Nachtragshaushalt“. „Jetzt ist bei mir die halbe Fraktion sauer und glaubt, dass ich der bin, der sie verarscht hat“, beschwerte sich der FDP-Vormann.

Für die Öffentlichkeit war die Korrespondenz der Pforzheimer Männerfreunde eigentlich nicht bestimmt. Es habe ihn „einigermaßen überrascht“, dass seine Mail „offensichtlich an Dritte weitergeleitet“ wurde, sagte Rülke am Montag. Mappus hatte sie nämlich umgehend an seinen Bankerfreund Dirk Notheis (CDU) geschickt, zur Kenntnisnahme und mit der Maßgabe „bitte nicht weiterleiten“. Doch das hinderte Notheis’ Investmentbank Morgan Stanley nicht daran, sie mit Hunderten anderen internen Dokumente dem EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags zu überlassen.

Warnung vor kritischem StZ-Bericht

In Stil und Inhalt ist Rülkes Austausch mit Mappus auch sonst aufschlussreich. Mit ihm bangte er offenkundig darum, wie der Überrumpelungscoup von den Medien aufgenommen würde. Die Stuttgarter Zeitung, warnte er den Regierungschef am 9. Dezember 2010, „bastelt wohl an einer Geschichte, die ungefährt so geht: Der Kauf der EnBW-Aktien war zum jetzigen Zeitpunkt total unnötig, da Handlungsbedarf erst Ende 2011. Mappus hat aber jetzt gekauft, um mit dem Kauf Wahlkampf zu machen. Deshalb hat Mappus auch einen überhöhten Preis gezahlt. Fazit: Mappus lässt den Steuerzahler für seinen Wahlkampf bluten!“

Für diese These, die sich inzwischen mehr und mehr bewahrheitet, gab es schon damals reichlich Anhaltspunkte. Kein Geheimnis war zum Beispiel, dass der Aktionärsvertrag mit den oberschwäbischen Landkreisen, der den Zugriff eines unerwünschten Investors verhindert hätte, frühestens Ende 2011 ausgelaufen wäre. Doch Rülke war gerne dabei behilflich, den nicht vorhandenen Handlungsdruck gegenüber der Öffentlichkeit zu konstruieren. Umgehend rapportierte er Mappus, was er bei einer Pressekonferenz auf die StZ-Frage nach dem Eilbedarf gesagt habe: „Ich habe dann angedeutet, dass die EdF jetzt verkaufen wollte und alternativ, wenn wir den Zeitkorridor ausgeschöpft hätten, damit gedroht haben könnte, Ende 2011 dann lieber an Gazprom zu verkaufen.“

Eifrig an der Gazprom-Legende gestrickt

Das russische Schreckgespenst war damals schon wenig glaubhaft; Gazprom dementierte wenig später jedes Interesse. Mappus war denn auch schlau genug, den Namen des Staatskonzerns öffentlich nicht in den Mund zu nehmen. Er beließ es bei Andeutungen wie der, die baden-württembergische Energiepolitik dürfe „nicht in Paris oder Moskau“ bestimmt werden. Bei seiner Regierungserklärung im Landtag vermied er sogar einen Passus in seinem Skript, es gehe um die Abwehr unerwünschter Investoren „aus dem Osten“ . Als der damalige Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann das nicht bemerkte und den Punkt dennoch zitierte, triumphierte der Ministerpräsident. Da sehe man mal wieder, „wie vertrauenswürdig Sie sind“, raunzte er Kretschmann an.

Rülke dagegen gab, wie öfter gewitzelt wurde, den „besseren Mappus“ und beharrte auf der russischen Drohkulisse. Hatte er die Sprachregelung nicht mitbekommen, oder gab es gar eine Arbeitsteilung zwischen ihm und dem CDU-Vormann? Er habe sich auf das verlassen, was ihm bei der Vorbesprechung am 6. Dezember gesagt worden sei, rechtfertigt er sich heute. „Ich bin davon ausgegangen, dass es stimmt.“

Liberale würden heute anders handeln

Auf die Frage, ob er ganz persönlich Anlass zur Selbstkritik habe, verwies Rülke nur auf seine Ausführungen im Parlament. Dort habe er gesagt, dass die Fraktion den EnBW-Deal heute „so nicht mehr mittragen“ würde. Andere Liberale sehen seine Rolle, gerade im Zusammenspiel mit Mappus, erheblich kritischer. In der Partei hört man von einst aktiven Mitgliedern, die mit der Fraktion nichts mehr zu tun haben wollten, solange dort Rülke das Sagen habe.

Wehmütig erinnern sich Freidemokraten an Rülkes weggeputschten Vorgänger, den inzwischen verstorbenen Ulrich Noll, Am Tag, als Stefan Mappus zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, machte Noll aus seiner Skepsis keinen Hehl. Für das höchste Amt im Südwesten, befand er in kleiner Runde, habe der Pforzheimer einfach „nicht das Format“.