Seit anderthalb Jahren gibt es immer wieder Strafanzeigen wegen des EnBW-Deals von Stefan Mappus. Doch erst jetzt sieht die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht. Dabei ist die Kritik des Rechnungshofes, auf die sie nun reagiert, im Kern nicht neu.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Stefan Mappus fühlte sich offenbar ziemlich sicher vor der Staatsanwaltschaft. Nein, verlautete noch vor Kurzem aus seinem Umfeld, Ermittlungen wegen des EnBW-Deals fürchte er nicht. Er hoffe nur darauf, dass die Aufarbeitung des Milliardengeschäfts endlich abgeschlossen werde und er beruflich bald wieder durchstarten könne.

 

Am Mittwoch erwies sich das als schwere Fehleinschätzung. Da schwärmten gut fünfzig Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft aus, um Privat- und Geschäftsräume in acht Orten zu durchsuchen – unter anderem Mappus’ Wohnhaus in Pforzheim. Es bestehe der Verdacht auf Untreue gegen den Ex-Ministerpräsidenten und der Beihilfe zur Untreue gegen seinen Freund, den Banker Dirk Notheis, stand auf den Durchsuchungsbeschlüssen, mit denen sich die Fahnder Einlass verschafften. Man habe „bereits schriftliche Unterlagen und Datenträger sichergestellt“, die nun auszuwerten seien, meldete die Staatsanwaltschaft am späten Vormittag.

Das Gutachten des Rechnungshofs war ausschlaggebend

Eine halbe Stunde zuvor hatte die Behördensprecherin noch keine Silbe über die spektakuläre Razzia verraten. Ob die Ermittler das Gutachten der vom Land beauftragten Wirtschaftsprüfer anfordern würden, demzufolge Mappus fast 840 Millionen Euro zu viel für das EnBW-Aktienpaket bezahlt habe? Das müsse sie erst einmal intern in Erfahrung bringen, lautete die Antwort auf die StZ-Anfrage. Erst vor Kurzem hatten sich die Ermittler schließlich auch das Gutachten des Landesrechnungshofs verschafft, das dem einstigen Regierungschef schwere Verstöße gegen die Verfassung und Haushaltsordnung bescheinigte.

Just jene 94-seitige Expertise war es, die sie nun zum Handeln bewegte. Der Verdacht der Untreue und der Beihilfe dazu, wurde per Pressemitteilung erläutert, ergebe sich aus dem Bericht der Kontrollbehörde. Darin fänden sich „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“, dass Mappus und Notheis sich strafbar gemacht haben könnten. Das Milliardengeschäft sei „nicht ordnungsgemäß vorbereitet“ worden, es habe „keine ausreichende Wirtschaftlichkeitsprüfung“ stattgefunden, das für den Deal notwendige „wichtige Landesinteresse“ sei nicht ausreichend untersucht worden – immer wieder wird aus dem Prüfbericht zitiert.

Stefan Mappus hat den Kaufpreis aufgerundet

Auch bei dem womöglich entstandenen Vermögensnachteil stützt sich die Staatsanwaltschaft auf den Rechnungshof. Weil Mappus den Kaufpreis je Aktie von 39,90 Euro auf 40 Euro aufrundete, sei der Gesamtbetrag um 11,2 Millionen Euro gestiegen. Anschießend habe er sogar noch 1,50 Euro für die Dividende draufgelegt, was das Geschäft um weitere 170 Millionen verteuerte. Strafrechtlich relevant könnten zudem der Pauschalauftrag an die Investmentbank Morgan Stanley und die Beauftragung der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz sein; das Land habe in den Ministerien schließlich erfahrene eigene Juristen.

Es hat anderthalb Jahre gedauert, bis die Justiz handelte

Der Sinneswandel kam indes spät, sehr spät. Mehr als anderthalb Jahre verstrichen seit dem Coup vom 6. Dezember 2010, ehe Ermittlungen anliefen. Dabei hatte es gleich danach etliche Strafanzeigen gegeben – und seither immer wieder. Mal machten darin Bürger nur allgemein ihrem Unmut Luft, mal erläuterten Juristen konkrete Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht – etwa wegen der Einschaltung von Morgan Stanley. Doch die Staatsanwaltschaft konnte nie einen Anlass zum Tätigwerden erkennen. Noch vor der Landtagswahl, früher als ursprünglich angekündigt, wurden die ersten Anzeigeerstatter beschieden, dass es nichts zu ermitteln gebe.

Seither wurden mehrfach ausführliche „Nichteinleitungsverfügungen“ verschickt – auch an jene bayerische Staatsanwältin, die über ihre Stuttgarter Kollegen fassungslos war. Es grenze an „Strafvereitelung im Amt“, empörte sie sich, wenn die Staatsanwaltschaft nicht endlich aktiv werde. Doch die stellte sich bis vor wenigen Tagen stur: Nein, es gebe keine Anhaltspunkte für ein „treuwidriges Risikogeschäft“, ein Verstoß gegen die „kaufmännische Sorgfalt“ sei nicht erkennbar.

Die politische Abteilung hat die Ermittlungen geführt

Vielleicht lag es daran, dass die „politische“ Abteilung unter dem umstrittenen Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler die Ermittlungen führte – und nicht die als zupackender bekannten Ermittler von der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität. Erst der Bericht des Rechnungshofes öffnete Häußler, über dessen etwaige Parteizugehörigkeit die Behörde keine Auskunft gibt, offenbar die Augen. Dabei waren die Zweifel an dem Milliardengeschäft, die darin detailliert beschrieben wurden, im Grundsatz seit Langem bekannt. Wären die Ermittler früher aktiv geworden, hieß es aus Polizeikreisen, hätten sie eher noch etwas gefunden. Aber nach anderthalb Jahren sei eine Razzia erfahrungsgemäß nicht besonders ergiebig.

Aus Mappus’ Sicht war die Durchsuchung ohnehin unbegründet. Das Verfahren werde am Ende „mangels hinreichenden Tatverdachts“ eingestellt, ließ er seine Anwälte prophezeien. Er habe sich keine Untreue vorzuwerfen, sondern „ausschließlich im Interesse des Landes gehandelt“. Der Rechnungshof dagegen verkenne „in vielfacher Weise“ die damalige Situation. Denkbar knapp fiel die Stellungnahme von Morgan Stanley aus: Man bestätige den Besuch der Staatsanwälte und werde sie unterstützen. Bei Dirk Notheis kam die Antwort auf die Mailanfrage automatisch: „I am out of office“, er sei nicht im Büro.