Der seit Oktober amtierende Chef des Konzerns, Frank Mastiaux, will mit dem „Programm 2020“ das Unternehmen neu aufstellen. Der Konzern soll sich „dramatisch verändern“.

Karlsruhe - Seit gut 100 Tagen ist Frank Mastiaux der neue Vorstandschef der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Wie zu seinem Antritt am 1. Oktober 2012 versprochen, legte er am Montag eine 100-Tage-Bilanz vor. Er habe sich mittlerweile eine Innen- und Außensicht des Konzerns verschafft, berichtete Mastiaux, der sich nur mit dem Konzernsprecher an seiner Seite den Medienvertretern stellte. Er habe Kraftwerke, Callcenter, mehr als 20 Außenbüros sowie Ausbildungsstätten besucht und mehr als 70 Termine auf Landes- und Bundesebene absolviert. Dabei habe er Stärken und Schwächen des Konzerns festgestellt.

 

Als Schwächen identifizierte Mastiaux den hohen Anteil konventioneller Stromerzeugung, mangelnde Effizienz und Dialogfähigkeit mit Kunden, sowie den Mangel an klaren Prioritäten in der Strategie. Demgegenüber stünden Stärken wie eine hohe Kompetenz in Energiefragen, ein „positiv konservativer“ Wertekanon, eine sehr gute Sozialpartnerschaft sowie eine loyale, gut aus- und fortgebildete Belegschaft.

15 Mitarbeiter entwerfen die neu eStrategie

Aus dieser Belegschaft heraus will Mastiaux nun die neue Strategie entstehen lassen. So habe der Vorstand Ende vergangenen Jahres ein 15-köpfiges Strategieteam aus Führungskräften, Experten und Talenten ausgewählt, das seit Jahresbeginn zwei Tage pro Woche außerhalb der EnBW „hierarchiefrei“ nach Entwicklungsmöglichkeiten für den Konzern sucht. „Ein früherer Chef von mir hätte gesagt: Das sind Leute mit Biss und Birne“, so Mastiaux. Ihnen zur Seite stünden externe Topexperten, die Ergebnisse kritisch hinterfragten, zudem stehe der Vorstand im wöchentlichen Dialog mit dem Team, das Zugriff auf alle zentralen Konzernbereiche habe und „über Nacht Berechnungen in Auftrag geben“ könne. Das „Programm 2020“ sei Chefsache, so Mastiaux. Der Aufsichtsrat stehe hinter dem Vorstand und diesem Vorgehen.

Bis Anfang März soll die Gruppe einen ersten Werkstattbericht vorlegen, im Juni will Mastiaux die neue Strategie dem Aufsichtsrat vorlegen. Der Konzern müsse die Fragen beantworten, „wo“ er „spielen“, wie er „dabei gewinnen“ wolle und wie er sich dafür aufstellen müsse. „Dabei verbieten sich Schnellschüsse“, wurde Mastiaux nicht müde zu betonen und beschied sämtliche Fragen mit der Bitte, sich zu gedulden.

An den 1,5 Milliarden Euro, die die EnBW mit dem Abstoßen von Beteiligungen erlösen will, hält Mastiaux fest. Ein Drittel davon sei bereits abgearbeitet, über weitere Pläne wollte er sich aber nicht äußern. Jede Beteiligung werde neu bewertet und daraus würden Konsequenzen gezogen.

EnBW will sich „dramatisch verändern“

Die Energiemarkt verändere sich dramatisch und die EnBW werde das auch tun, so Mastiaux. Als Beispiel nannte der Manager unter anderem die Wettbewerbslage: Lag die Wechselrate von Privatkunden vor wenigen Jahren noch bei null, so suche sich mittlerweile jeder vierte regelmäßig einen neuen Versorger. Bei industriellen Kunden sei die Quote gar von 25 auf 100 Prozent gestiegen. An der wachsenden Zahl neuer Wettbewerber sehe man allerdings auch, dass dies nicht nur Risiko, sondern auch Chance sei. Die Telekommunikationsbranche, die vor einigen Jahren in einer ähnlichen Lage gewesen sei, habe vorgeführt, dass sie mehr könne, als Telefoneinheiten zu verkaufen. Auch in der Energiewirtschaft gebe es Möglichkeiten, besondere Produkte zu kreieren, so habe etwa eine Familie mit drei Kindern ein ganz anderes Bedarfsprofil als ein Wochenendheimpendler.

Unter die Lupe nimmt die EnBW nicht zuletzt auch ihre Stromerzeugung. Jeder Kraftwerksblock werde auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft. Vor allem Gaskraftwerke seien nicht mehr rentabel. Hätte früher die Differenz zwischen Einstandskosten und Erlös pro Megawattstunde bei 25 Euro gelegen, seien es heute null oder weniger. Ähnliche Klagen führen auch andere Betreiber von Gaskraftwerken wie Eon.