Beim Anlegertreffen der EnBW in Karlsruhe bleibt grundlegende Kritik trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage aus. Zahlreiche Wortmeldungen betreffen stattdessen die Kohlepolitik des Konzerns in Kolumbien, wo sich die Förderung mit Mord und Vertreibung verbindet.

Karlsruhe - Der Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), Frank Mastiaux, hatte am Dienstag schlechte Nachrichten für die Aktionäre: Zum zweiten Mal seit seiner Gründung 1997 zahlt der Energiekonzern keine Dividende an seine Aktionäre aus. Da „die Ertrags- und Innenfinanzierungskraft des Unternehmens Basis für eine Ausschüttung“ sei, könne für 2016 keine Dividende ausbezahlt werden, sagte Mastiaux in Karlsruhe vor der Hauptversammlung des Unternehmens.

 

2016 sei „in besonderem Maße herausfordernd“ gewesen, sagte der Vorstandsvorsitzende, der den Konzern seit Oktober 2012 leitet. In der Bilanz für 2016 steht ein Rekordverlust von 1,8 Milliarden Euro. Grund waren vor allem die Belastungen aus dem Atommüllkompromiss, den die Kernkraftbetreiber mit der Bundesregierung geschlossen haben. Zusätzlich belastete der niedrige Strompreis den Konzern.

Schlechte Kennzahlen für 2016

Um die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls auf den Bund zu übertragen, zahlen die Konzerne ihre Rückstellungen plus eine Risikoprämie in einen Fonds ein. Die EnBW muss im Juli dieses Jahres 4,7 Milliarden Euro in diesen Topf einzahlen. „Eine Fremdfinanzierung, Kapitalerhöhung oder Inanspruchnahme von ,Ratenzahlung’ ist für unser Unternehmen nicht nötig“, beruhigte Mastiaux die Anleger. Dies unterscheide die EnBW grundsätzlich von den anderen deutschen Betreibern kerntechnischer Anlagen.

Auch der Umsatz des Konzerns ist im vergangenen Jahr deutlich um 8,5 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro gesunken. Zugleich ist die Verschuldung von 6,7 auf zehn Milliarden Euro gestiegen. Die Eigenkapitalquote schrumpfte auf 8,3 Prozent.

Der SdK-Vertreter provoziert

Einzig Dieter Tassler von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierte die Zahlen vehement. „Als Anleger kann einem schwindelig werden“, sagte er. Insbesondere von dem Verlust sei er enttäuscht. Angesichts der niedrigen Eigenkapitalquote wandte er sich mit den Worten „Herr Kusterer, an Ihrer Stelle möchte ich nicht sein“ an den Finanzvorstand des Konzerns. Bei solchen Werten hätte man früher das Wort „Insolvenz“ in den Mund genommen, provozierte Tassler – was Kusterer in der Erwiderung vehement zurückwies. Eine Insolvenzgefahr liege nicht im Ansatz vor, sagte er.

Zum Ausbleiben der Dividende sagte Tassler: „Dahin haben wir unsere EnBW geführt.“ Angesichts des Verlustes „verstehe ich das aber“. Harald Michael Klein von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erinnerte in seiner Rede daran, er habe vor zwei Jahren gesagt: „Der Gaul ist noch nicht tot“. Das gelte immer noch, „aber wir sehen, dass sich die EnBW sehr schwer tut.“ Gleichwohl befinde sich der Konzern „auf dem richtigen Weg“, so Klein, „das finden wir gut“. Er begrüßte auch die Vertragsverlängerung für Mastiaux, der bis 2022 an der Spitze des Konzerns bleiben soll.

Mastiaux wirbt für die Erfolge beim Umbau

Zuvor hatte Mastiaux ausführlich für die Umstrukturierung und die bisherigen Erfolge des Konzerns auf diesem Weg geworben. Die EnBW setzt vor allem auf erneuerbare Energien, Netze und neuartige Vertriebskonzepte. Als einen der Erfolge konnte er die Ausgliederung eines Unternehmens verkünden und von den Aktionären absegnen lassen, das als konzerninternes Start-up entstanden ist: Campusone entwickelt computerbasierte Lernprogramme und soll künftig als 100-prozentige Tochter WTT Campusone eigenständiger agieren können. Grünes Licht hat der Aufsichtsrat zudem am Tag zuvor für den Bau des 112 Megawatt starken Windparks Albatros in der Nordsee erteilt.

Mastiaux sprach auch das Thema Kohlebeschaffung in Kolumbien an. Bereits vor Beginn der Hauptversammlung hatte die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald vor der Halle Infoblätter zur Problematik verteilt. Sie berichten von Gewalt, Mord und Vertreibung in den Fördergebieten und werfen den Förderkonzernen Drummond und Prodeco vor, nichts dagegen zu unternehmen beziehungsweise sogar davon zu profitieren. Die Energiekonzerne Enel (Italien) und Dong (Dänemark) hätten ihren Kohlebezug von Drummond und Prodeco mittlerweile beendet, die EnBW halte daran fest.

Kolumbianerin berichtet von Morden

Mehrere Redebeiträge befassten sich mit Kolumbien, eigens angereist war die Kolumbianerin Gloria Holguin, die aus ihrem Land berichtete. Mastiaux versicherte, es sei der EnBW wichtig, „dass sich alle Kohleproduzenten klar gegen Gewalt ausgesprochen und ihre volle Kooperation mit lokalen Behörden zugesichert“ hätten. Vertreter, etwa vom katholischen Hilfswerk Misereor, widersprachen. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir an dem Thema dranbleiben werden“, versprach Mastiaux.

Mit etwa 800 Aktionären blieben die Reihen im Karlsruher Kongresszentrum deutlich lückenhafter als in der Vergangenheit. Erwartungsgemäß wurden Vorstand und Aufsichtsrat mit der großen Mehrheit von Land und OEW entlastet.