Eine Rückabwicklung des Aktienkaufs mit der EdF kann sich die baden-württembergische Landesregierung unter Kretschmann politisch gar nicht leisten. Schmid begründete diesen Schritt als einen taktischen Schachzug der Juristen.

Stuttgart - In einer Woche wird sich ein Parteitag der Südwest-Grünen mit der Energiewende beschäftigen. Zu den „Bausteinen“ des vom Landesvorstand vorgelegten Leitantrags (Titel: „Energiewende weiter denken und beschleunigen“) gehört auch das Karlsruher Stromunternehmen EnBW. „Es muss Ziel sein, dass die EnBW ein grüner Pionier in der energiewirtschaftlichen Landschaft Deutschlands wird“, heißt es da. Und weiter: „Die EnBW unterstützen wir in ihrem Bestreben, sich auf zukunftsträchtige Geschäftsfelder umzustellen.“

 

Hehre Bekundungen, zu denen aber überhaupt nicht passen will, was am Donnerstag offenbar wurde: Im Streit mit dem französischen Energiegiganten EdF (Electricité de France) stellt die Landesregierung ihren Anteilbesitz an der EnBW zur Disposition – zumindest erweckt die Klage vor dem Schiedsgerichtshof der internationalen Handelskammer in Paris diesen Eindruck. Eigentliches und – laut Finanzminister Nils Schmid (SPD) – alleiniges Anliegen ist es, den Kaufpreis für das Anfang Dezember 2010 von der CDU-Regierung Mappus erworbene Aktienpaket zu mindern. Schmid erkennt Hinweise darauf, dass die 4,7 Milliarden Euro für das 45-Prozent-Paket überteuert waren. Mehr will er dazu nicht sagen, weil das Schiedsverfahren der Vertraulichkeit unterliege. Deshalb gibt er auch keine weiteren Auskünfte über die zwei, der Rückzahlungsforderung beigegebenen Hilfsanträge, die darauf hinauslaufen, den Deal rückabzuwickeln, sollte das Land mit seiner Forderung nicht durchkommen. Ein Schreiben des EdF-Chefs Henri Proglio hatte, erbittert über das grün-rote Vorgehen, Inhalte aus dem Klageantrag an den EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags weitergereicht. Was die Opposition genüsslich zu nutzen wusste. Die Regierung steht nun ziemlich bedröppelt in der Landschaft.

Der Finanzminister versucht den Widerspruch zu glätten

Finanzminister Schmid versuchte am Donnerstag den Widerspruch zwischen seinem Bekenntnis zur EnBW und dem Antrag auf Rückabwicklung des Geschäfts sinngemäß mit dem Hinweis abzutun, da handle es sich um taktische Schachzüge der Juristen. Das Land wird von einer Kölner Kanzlei vertreten. Unter der Hand heißt es in Regierungskreisen, es gehe darum, eine Drohkulisse aufzubauen, um die EdF zu einer Preisminderung zu bewegen. In der juristischen Tunnelperspektive mag das durchaus zutreffen. Denn der EdF fehlt jedes Interesse, die EnBW zurückzunehmen. Heinz Seiffert, Landrat des Alb-Donau-Kreises und Verbandschef der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) legte im Untersuchungsausschuss unlängst ausführlich die Motive der EdF dar.

Die OEW ist der zweite große – und treue – Anteilseigner der EnBW. Laut Seiffert hatten die Franzosen zunächst die Mehrheit an den Karlsruhern angestrebt – nicht nur um allein das Sagen zu haben, sondern auch mit Blick auf die eigenen Konzernbilanz. Nach der Änderung der internationalen Bilanzierungsregeln benötigte die EdF ein Übergewicht bei ihrer Karlsruher Tochter, um sie in der eigenen Konzernbilanz hübsch unterzubringen. Das aber verwehrten ihr die Oberschwaben – was die Attraktivität der EnBW für die hoch verschuldete und deshalb in Bilanzfragen sensible EdF deutlich minderte.

Ob die Drohung mit der Rückabwicklung jemals Besorgnis in der Pariser EdF-Zentrale ausgelöst hat, ist aber doch sehr die Frage. Schließlich wäre ein solches Hin und Her für die EnBW fatal. Es geht immerhin um 20 000 Arbeitsplätze. Das verpflichtet jede Landesregierung, zumal eine, die zur Hälfte mit Sozialdemokraten besetzt ist. So etwas weiß man auch in Paris.

Nach der öffentlichen Diskussion um die Inhalte der Schiedsklage sind die beiden Hilfsanträge verbrannt. „Die Drohkulisse hat an Substanz verloren“, sagt der Grünen-Landeschef Chris Kühn. Und fügt vorsorglich hinzu: „Die EnBW ist zentraler Baustein der Energiewende.“

Beim Anteilseigner OEW löst die Schiedsklage Befremden aus

Bei der OEW löste die Schiedsklage des Landes gegen die EdF Befremden aus. Nach einer turnusmäßig einberufenen Verbandsversammlung in Überlingen sagte OEW-Chef Seiffert, er sehe „die bisher sachliche Zusammenarbeit im Rahmen der Aktionärsvereinbarung“ mit dem Land gefährdet. Bereits im Untersuchungsausschuss hatte Seiffert darauf hingewiesen, dass die OEW die Klage als überflüssig und für das Unternehmen EnBW als schädlich bewerte. Am Freitag fügte der CDU-Politiker hinzu, dass das Land „bis zum heutigen Tag die Karten nicht auf den Tisch gelegt“ habe. Dies spreche nicht für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. „Wir werden jetzt alle Schritte einleiten, die unsere Rechtsposition wahren und Schaden abwenden.“ Schon vor dem Untersuchungsausschuss hatte Seiffert zu verstehen gegeben, dass sich die OEW rechtliche Schritte gegen das Land vorbehalte, sollte das Schiedsverfahren Nachteile für die EnBW und damit für ihren Anteilseigner OEW bringen. In der Aktionärsvereinbarung sei im übrigen geregelt, dass OEW und Land ihre Aktien mindestens für fünf Jahre halten.