EnBW klagt wegen des Atomausstiegs gegen den Bund und das Land Baden-Württemberg, das selbst Großaktionär des Energiekonzern ist. Ein merkwürdiger Schritt, kommentiert StZ-Redakteur Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist eine Weihnachtsüberraschung der besonderen Art, die sich die EnBW hat einfallen lassen. Kurz vor Jahresende gibt der Energiekonzern überraschend bekannt, dass nun auch er – wie schon die Branchenriesen Eon und RWE – den Staat verklagen wird. Wegen der Zwangsabschaltung der alten Atommeiler nach Fukushima verlangt die EnBW von Land und Bund einen dreistelligen Millionenbetrag. Dabei hatte sich Ministerpräsident Kretschmann noch vor kurzem zuversichtlich gezeigt, dass genau das nicht geschehen werde: ein Unternehmen, das zur Hälfte dem Land gehöre, werde wohl kaum gegen das Land vor Gericht ziehen.

 

Dass sich die EnBW-Spitze unter Frank Mastiaux nun doch zur Klage entschlossen hat, ist Affront gegen den Großaktionär Baden-Württemberg. Das Aktienrecht und eine drohende Verjährung der Ansprüche mag dabei eine Rolle gespielt haben, aber der Schritt bleibt merkwürdig. Immerhin hatte der Konzern die Altmeiler einst freiwillig abgeschaltet, noch bevor er dazu verpflichtet wurde. Womöglich steht Mastiaux unter Druck aus der Branche, womöglich soll auch die EnBW ihr Gewicht in die Waagschale werfen, wenn eines Tages mit der Politik grundsätzlich über den Umgang mit den Atomlasten geredet wird. In Stuttgart und Berlin wird die „Bescherung“ jedenfalls keine Freude auslösen.