Für ihr Berliner Büro suchte die EnBW einen Lobbyisten, der „idealerweise“ SPD-Mitglied sein sollte. Nach StZ-Recherchen zog sie die Ausschreibung nun zurück. Begründung: rechtlich sei man auf unsicherem Terrain.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Karlsruhe - Es gab Zeiten, da standen auffällig viele CDU-Leute in den Diensten der EnBW. Junge, aufstrebende Politiker verdienten sich dort ihre ersten beruflichen Sporen, älteren ermöglichte der Karlsruher Energiekonzern eine zweite Karriere. Aber auch mancher Sozialdemokrat landete auf exponierten Posten – im politisch geprägten Energiegeschäft wollte man schließlich in alle Richtungen vernetzt sein. Mit dem Parteibuch, hieß es stets, habe die Vergabe nichts zu tun, man besetze die Stellen alleine nach Qualifikation.

 

Nun aber wollte das inzwischen wieder weitgehend staatliche Unternehmen eine Position erstmals ganz offiziell auch nach der Parteimitgliedschaft vergeben – und machte sich damit prompt angreifbar. Gesucht wurde ein „Senior Referent (w/m)“ für den Bereich Politik & Wirtschaft mit Standort in Berlin, also ein Mitarbeiter für den heutigen Cheflobbyisten und einstigen Sozialminister Andreas Renner (CDU). „Spannende Aufgaben“ warteten laut der Ausschreibung auf der Firmenhomepage, die die EnBW auf StZ-Anfrage nicht mehr herausgeben wollte, auf die Neue oder den Neuen. Als da wären: „Strategien für die politische Kommunikation entwickeln und mit den Positionen der EnBW abgleichen“, „(Mit-)Verfassen einprägsamer und gut verständlicher Positionspapiere“, „Kontaktpflege zu ausgewählten Parteien, Entscheidungsträgern im politischen Bereich und darüber hinaus“. Thematisch liege der Fokus des Jobs auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Gelockt wurde mit „kollegialer Zusammenarbeit im Team“, modernen Arbeitsplätzen und flexiblen Arbeitszeitmodellen, bei denen auch das Privatleben nicht zu kurz komme.

Bewerber „idealerweise“ SPD-Mitglied

Von den Aspiranten verlangte die EnBW „Politik- und Verbändeaffinität und ausgeprägtes Politikverständnis“. Sie sollten „politische und wirtschaftliche Trends und Entwicklungen frühzeitig erkennen und einordnen können“. Gefragt sei nebst Hochschulstudium, Branchenkenntnis und verhandlungssicherem Englisch „hohe analytische Kompetenz und die Fähigkeit, auch schwierige Sachverhalte einfach darzustellen“.

So weit, so üblich. Ein Punkt im Profil aber fiel aus dem Rahmen: „Idealerweise Parteimitgliedschaft vorzugsweise bei der SPD mit Basis-Arbeitserfahrung sowie mehrjährige Erfahrung im Parlamentsbetrieb des Deutschen Bundestages oder dem Europäischen Parlament“, wurde da gefordert. Zu den Aufgaben gehöre nämlich auch die „Betreuung der Partei SPD“.

Verstoß gegen Gebot zur Gleichbehandlung?

Sollte da etwa eine Art Agent bei den Genossen eingeschleust werden, um sie möglichst im Sinne der EnBW zu steuern? Nein, es gehe „nicht um Beeinflussung“, beteuerte der Konzern, wohl aber um Beobachtung der Partei- und Parlamentsarbeit; dazu gehöre der Besuch von Parteitagen und Fachkongressen. Für die Betreuung von Bundestagsfraktion und Bundespartei sei „eine vertiefte Kenntnis“ der SPD „zweifelsfrei von Bedeutung“.

Wie aber verträgt sich das mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das jede Diskriminierung wegen Rasse, Alter oder Geschlecht und eben auch wegen der Weltanschauung verbietet? Werden Mitglieder anderer Parteien da nicht benachteiligt? Eine interne Prüfung habe ergeben, dass „kein AGG-Verstoß“ vorliege, versicherte die EnBW. Das Parteibuch solle ja gerade nicht zwingend, sondern nur idealerweise vorhanden sein. Somit werde keine Weltanschauung diskriminiert. Da diese Frage aber „rechtlich bisher noch nicht abschließend beantwortet ist“, ruderte der Konzern nach der StZ-Anfrage zurück: Man werde die Anzeige umgehend löschen, bei der Neuausschreibung hätten alle Bewerber „ohne Rücksicht auf eventuelle Parteizugehörigkeiten“ gleiche Chancen. In den vergangenen Jahren, ergänzte die EnBW, sei übrigens keine vergleichbare Stelle ausgeschrieben worden; es gebe aber bereits bestehende, deren Inhaber „zum Teil auch Parteimitglieder sind“.

Landtags-FDP verlangt Auskunft

Nähere Auskünfte dazu muss nun einer der Großaktionäre geben: das Land Baden-Württemberg. Die Landtags-FDP, der die fragwürdige Ausschreibung aufgefallen ist, will von der Landesregierung nicht nur wissen, wie sie die geplante Bevorzugung von Genossen „politisch und rechtlich“ bewertet. Der Abgeordnete Andreas Glück verlangt auch eine Auflistung, „wie viele vergleichbare Stellen“ bei der EnBW jeweils an Mitglieder von CDU/CSU, Grünen, FDP und Linke vergeben worden seien. Zudem begehrt er Aufklärung, inwieweit „diese Praxis der Stellenvergabe“ auch bei anderen Unternehmen gängig sei, die sich ganz oder teilweise in Landesbesitz befänden. Der Arbeitstitel von Glücks Anfrage: „Genossen-Wirtschaft bei der EnBW?“