Martin Schockenhoff von der Kanzlei Gleiss Lutz wehrt sich gegen den Vorwurf, die Regierung Mappus beim EnBW-Deal falsch beraten zu haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Vernehmung des Zeugen Martin Schockenhoff dauerte schon mehrere Stunden, da präsentierte die SPD eine bemerkenswerte E-Mail. Der Anwalt und Mandatsführer der Großkanzlei Gleiss Lutz beim EnBW-Deal bekam darin Instruktionen vom Chef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis. Wenn Schockenhoff an jenem 6. Dezember 2010 – dem Tag des Milliardengeschäfts – vor der offiziellen Bekanntgabe bei den Regierungsfraktionen auftrete, solle er sie zu striktem Stillschweigen verdonnern. „So drastisch wie möglich“ solle er den Abgeordneten verdeutlichen, dass sie nichts vorab ausplaudern dürften. „Ich kenne Hauk“, schrieb Notheis im Blick auf den CDU-Fraktionschef vielsagend. Eine deutliche Ansage sei bei ihm dringend geboten.

 

Der Investmentbanker und Freund von Ministerpräsident Stefan Mappus (beide CDU) schildert den CDU-Fraktionschef als unzuverlässige Plaudertasche – das lässt tief blicken. Es zeigt einmal mehr, dass Notheis beim EnBW-Deal offenbar weitaus mehr war als nur der Finanzberater des Landes. Das machte auch Schockenhoff deutlich, der als erster der Anwälte von Gleiss Lutz in den Zeugenstand musste. Von Mappus selbst habe er während der gesamten Vorbereitung des Geschäfts keine Kontaktdaten erhalten. Sein Hauptansprechpartner sei auf Wunsch des Mandanten der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley gewesen. Mit dem Nichtjuristen Notheis erörterte er die komplizierten Rechtsfragen rund um die Beteiligung des Parlaments, ihm übermittelte er die Einschätzungen an den Ministerpräsidenten, durch ihn erfuhr er, was Mappus (ebenfalls kein Jurist) wollte.

War Mappus wirklich so ahnungslos?

Auf keinen Fall, so hatte es Mappus bei seiner Aussage betont, wollte er die Verfassung brechen. Hätte er auch nur die leiseste Ahnung gehabt, dass die Umgehung des Landtags durch eine Klausel für Notlagen vom Staatsgerichtshof verurteilt werden könnte, hätte er das Geschäft umgehend abgeblasen. Tief getroffen habe ihn der Richterspruch ein halbes Jahr nach seiner Abwahl als Ministerpräsident.

Aber war Mappus wirklich so ahnungslos? Hatten ihn die Anwälte, die sich seit Monaten mit dem Verdacht der Falschberatung konfrontiert sehen, gleichsam ins Messer laufen lassen? Diesem Vorwurf trat Schockenhoff entschieden entgegen. Man habe sehr wohl vor den Risiken gewarnt, wenn das Notbewilligungsrecht für den Aktienkauf genutzt werde – etwa durch den Hinweis, dass die Klausel nur für Ausnahmen vorgesehen sei. Dass Mappus das Risiko sehr wohl gesehen habe, habe dessen Freund Notheis deutlich gemacht. Wenn es sich „nur irgendwie begründen“ ließe, übermittelte der Banker laut Schockenhoff, wolle der Regierungschef das Geschäft, wie von den Franzosen gefordert, ohne Beteiligung des Parlaments abschließen. Lieber nehme er rechtliche Unwägbarkeiten in Kauf als das Risiko, dass die Électricité de France (EdF) das Aktienpaket an einen ausländischen, womöglich russischen Investor verkaufe.

Tatsächlich segnete Gleiss Lutz den Weg über die für Naturkatastrophen vorgesehene Klausel als „begründbar“ ab. Doch als Freibrief für Mappus wollte Schockenhoff dies nicht verstanden wissen: „Es bleibt immer Aufgabe des Mandanten zu entscheiden, welchen Weg er gehen will.“ Von Falschberatung könne auch angesichts des Staatsgerichtshofurteils keine Rede sein: Gerade in Verfassungsfragen gebe es eben Auslegungsspielräume.

Das Schreckensszenario des russischen Investors gemalt

Grundlage des Rechtsrats, stellte Schockenhoff klar, sei immer der vom Mandanten vorgegebene Sachverhalt. Da wurde wiederholt das Szenario des unerwünschten russischen Investors gemalt, der dem Land das Aktienpaket wegschnappen könnte. Am Vorabend des Vertragsschlusses, so der Anwalt, habe Mappus selbst explizit vor den Russen gewarnt – was er später in der Öffentlichkeit nur noch verklausuliert tat. Auch bei seiner Regierungserklärung im Landtag strich er eine entsprechende Passage im Manuskript. Aus gutem Grund: es gab nämlich keinen konkreten Interessenten für das Anteilspaket, weder aus Russland noch von anderswoher. So hatte es Notheis bei seiner Zeugenvernehmung bestätigt, anderes war auch Schockenhoff nicht bekannt.

Doch die Drohkulisse, mit der der dringende Handlungsbedarf belegt werden sollte, war nicht nur deshalb untauglich. Bis Ende 2011 hätten die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) als zweiter Großaktionär ein Vorkaufsrecht für die Aktien gehabt. Man dürfe deren Finanzkraft nicht überschätzen, hieß es vorsorglich. Doch gemeinsam mit dem Land hätte sich gewiss eine Lösung gefunden.

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