Ulrich Goll wollte angeblich abfällige Aussagen gegenüber dem Anzeigeerstatter vermeiden. Deshalb recherchierte der Ex-Justizminister den Namen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Justiz befasst sich nun doch mit der möglichen Weitergabe des Namens eines Wirtschaftsanwaltes, der sich wegen des EnBW-Deals von Exministerpräsident Stefan Mappus (CDU) an die Staatsanwaltschaft gewandt hatte. „Wir prüfen, ob Anlass zum Tätigwerden besteht“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart der StZ. Zunächst hatte die Ermittlungsbehörde keinen Handlungsbedarf gesehen, weil sie angenommen hatte, der Wirtschaftsanwalt sei von Kollegen auf seine Anzeige angesprochen worden, noch bevor der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP) den Namen durch sein Ressort bei der Staatsanwaltschaft hatte erfragen lassen. Tatsächlich war die Reihenfolge umgekehrt.

 

Nach einem StZ-Bericht über Anzeigen gegen Mappus hatte Goll im Januar 2011 wissen wollen, wer der darin namentlich nicht benannte Wirtschaftsanwalt sei. Dies ließ er über den stellvertretenden Leiter der Strafrechtsabteilung, Christof Kleiner, bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft in Erfahrung bringen. Er habe wissen wollen, wie die Anzeigen rechtlich einzuschätzen seien und welches Risiko dem damaligen Ministerpräsidenten drohe, hatte er seine Recherche zunächst begründet.

Goll wollte den Namen des Anwalts vorsichtshalber wissen

Vor dem Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal stellte Goll nun ein anderes Motiv in den Vordergrund. Auf Fragen von CDU und Grünen sagte er, er habe den Namen des Anwaltes „aus Vorsichtsgründen“ wissen wollen. „Normalerweise halte ich nicht viel von solchen Anzeigen“, erläuterte der Liberale. Auch den Vorwurf der Untreue wegen des EnBW-Deals habe er für „nicht stichhaltig“ gehalten. „Für mich persönlich war klar: da kann relativ wenig bei rauskommen.“ Nach der gleichen Logik könne man auch die diskutierte Schlecker-Bürgschaft als Untreue werten.

Vielleicht wäre er dem Anwalt nichts ahnend begegnet und hätte eine „abfällige Bemerkung über Anzeigeerstatter“ gemacht, sagte Goll. Um eine solche Situation zu vermeiden, habe er dessen Identität wissen wollen. Der Ex-Minister versicherte erneut, er habe den Namen an niemanden weitergeleitet: „Ich kann verschwiegen sein.“ Er könne sich „nicht vorstellen“, dass es im Ministerium eine undichte Stelle gegeben habe.

Ex-Justizminister bestreitet und kann sich nicht erinnern

Wer die beiden Anwälte waren, die den Anzeigeerstatter nach dessen Angaben damals auf sein Schreiben angesprochen hatten, wisse er nicht. Nach seinem Eindruck sei der Name des Wirtschaftsanwaltes, der in anderen Fällen schon öfter die Justiz eingeschaltet habe, damals ohnehin kursiert. Goll bestritt vor dem Ausschuss, dass er mit dem Vizeabteilungschef Kleiner eine Weitergabe des Namens erörtert habe. Da müsse sich der Beamte, der erst nach einem Jahr einen Vermerk über den Vorgang angefertigt hat, falsch erinnern.

Das inzwischen SPD-geführte Justizministerium teilte mit, in dem Telefonat zwischen Goll und Kleiner sei es um die Frage gegangen, ob der Anwalt die Öffentlichkeit über seine Anzeige informiert habe oder diese anderweitig bekannt geworden sei. Eine „Weitergabe“ der Information, von der im Vermerk explizit die Rede ist, habe der damalige Minister nicht angesprochen. Vielmehr habe der Beamte „am Ende des Gesprächs lediglich allgemein auf das Erfordernis einer vertraulichen Behandlung der Information hingewiesen“. Über das Motiv des Ex-Ministers kann Kleiner laut dem Ministerium nichts sagen: Nach seiner Erinnerung sei ihm von Goll „weder ein konkreter Anlass noch eine Begründung für seine Anfrage mitgeteilt“ worden.